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US-Band Incubus
Mit aller Macht zu Album Nummer Acht

Incubus könnten eine der größten Rockbands dieses Planeten sein, wenn sie nur wollten. Zuletzt haben sie sich eine sechsjährige Auszeit gegönnt, um an diversen Nebenprojekten zu basteln. Jetzt melden sich die Kalifornier zurück – mit einem Album namens "8", das extrem gut erholt klingt.

Von Marcel Anders | 07.05.2017
    Die Band Incubus live im "Circuit of the Americas" Amphitheater in Austin am 17.08.2015.
    Die amerikanische Band Incubus kann auf eine 26-jährige Karriere zurückblicken. (imago stock&people)
    Musik Make No Sound In The Digital Forest
    "Als wir jünger waren, haben wir ein Wahnsinnstempo vorgelegt. Wir haben unsere 20er und einen Großteil der 30er auf Tour verbracht und ein Album nach dem anderen gemacht. Eine wichtige Erfahrung, aber sie hat uns auch gelehrt, unsere Freizeit zu schätzen. Das war oft nicht mehr als eine Woche bis zur nächsten, sechsmonatigen Konzertreise. Und sobald wir die Möglichkeit hatten, längere Pausen einzulegen, haben wir das wahrgenommen. Dies war die längste zwischen zwei Alben - also sechs Jahre seit "If Not Now, When?". Nur: Es war nicht so, als hätten wir rumgesessen und Däumchen gedreht."
    Incubus nach sechsjähriger Auszeit zurück mit neuem Album "8".
    Incubus nach sechsjähriger Auszeit zurück mit neuem Album "8". (Brantley Gutierrez)
    Ein Statement, das Sänger Brandon Boyd wichtig ist. Schließlich handle es sich bei Incubus nicht um dekadente Rockstars, sondern um ein Künstlerkollektiv, dessen Mitglieder auch außerhalb der Band aktiv sind: Sie nehmen Solo-Alben auf, unterhalten Nebenprojekte, begleiten Filmkomponist Hans Zimmer auf Welttournee und versuchen sich an Fotografien, Gedichten und Malerei. Brandon Boyds Wasserfarbenportraits von Frauenköpern kosten inzwischen bis zu 20.000 Dollar.
    "Das ist die einzige künstlerische Erziehung, die ich genossen habe – nämlich Aktmalerei. Den Umgang mit Wasserfarben habe ich mir selbst beigebracht. Genau wie mit Acrylfarben. Aber Wasserfarben sind interessanter, weil es eine Herausforderung ist, sie zu kontrollieren. Zum Glück habe ich Freunde, die gerne längere Zeit still sitzen. Meine nächste Ausstellung ist im November in Los Angeles – in der De Re Galerie. Wer zu der Zeit vor Ort ist: Kommt vorbei und schaut sie euch an."
    Musik Throw Out The Map
    So leicht ihm das Malen fällt, das Aufnehmen von Alben empfindet Brandon Boyd dagegen als echte Belastungsprobe. Sei es die Enge des Studios, der Erfolgsdruck durch Label und Fans, aber auch der Umgang mit Produzenten und Technikern setzen ihm zu. So beschwert er sich bitterlich über Produzent Dave Sardy, der schon Oasis, Marilyn Manson oder Bush betreute - und sich als echter Despot erwies.
    "Ein paar Mal habe ich ihn wirklich gehasst. Aber im Nachhinein bin ich froh, dass er mich herausgefordert hat. Was nicht für den Moment galt, in dem es passiert ist. Da habe ich die Hände überm Kopf zusammengeschlagen und wollte am liebsten losheulen. Schließlich habe ich jeden Song mindestens vier Mal umgeschrieben und fast 30 Mal eingesungen. Immer, wenn ich dachte: "Das war´s – besser geht´s nicht", sagte er: "Bitte noch zehn Mal genau so." Und ich weiß nicht, was er damit bezweckt hat. Aber letztlich hat er Sachen aus mir herausgeholt, von denen ich gar nicht wusste, dass ich dazu fähig bin."
    Musik Glitterbomb
    Dabei wäre diese Form des Anstachelns gar nicht nötig gewesen. Nach der langen Pause waren Incubus eh hochmotiviert und haben einige der besten, weil bissigsten Texte ihrer 26-Jährigen Karriere geschrieben. Da reden sie Tacheles, machen kein Geheimnis aus ihrer Unzufriedenheit mit Präsident Trump und haben die Zeichen der Zeit schon früh erkannt.
    "Eine Menge Sachen, die in den letzten Jahren passiert sind, dienten uns als Inspirationsquelle. Sie haben früh gezeigt, was auf uns zukommt – auch, wenn viele nicht glauben wollten, dass es wirklich real werden könnte. Aber es hat sich abgezeichnet. Und Musik ist ein Spiegel der Gesellschaft. Sie reflektiert, was vor sich geht. Insofern sind solche Ereignisse – so merkwürdig das klingt – sehr inspirierend. Da ist viel, über das es sich zu reden lohnt."
    Musik Undefeated
    Das Kommentieren von aktuellen Geschehnissen. Kein Novum im Incubus-Universum, sondern ein Ansatz, den die Band aus Calabasas, im Norden von Los Angeles, schon seit ihren ersten Alben, Mitte der 90er, verfolgt. Eben Denkanstöße liefern, alternative Ansätze aufzeigen und Stellung gegen Amtsmissbrauch und kurzsichtige Politik beziehen. Eine Ehrlichkeit, die zugleich Erfolgsrezept ist. Denn mit Songs wie "Megalomaniac", einer Abrechnung mit George W. Bush, und Alben wie "Light Grenades", haben sich Incubus den Ruf von Wölfen im Schafspelz erarbeitet – und 23 Millionen Tonträger verkauft. Eben als Quintett, das eingängige Rockmusik mit deutlichen Worten würzt. Und auch 2017 Farbe bekennt:
    "Ich habe am Frauenmarsch in Downtown LA teilgenommen. Ein umwerfendes Erlebnis. Ich meine, der Grund, warum wir auf die Straße gegangen sind, war schrecklich, aber als wir mit 800.000 Menschen in einem schwer zugänglichem Teil von Los Angeles unterwegs waren, hatten wir eigentlich erwartet, es würde zu Ausschreitungen kommen. Doch es gab nicht eine Verhaftung. Alle sind friedlich gegen die absurden Ideen marschiert, die uns die nationalistische Rechte aufzwingen will. Und die unserer Demokratie bleibende Schäden zufügen werden."
    Musik Nimble Bastard
    Doch Incubus sind nicht nur Aktivisten, sondern auch Pioniere und Überlebende einer musikalischen Bewegung. 1991 haben sie als Schülerband begonnen, Stücke von den Red Hot Chili Peppers zu covern, haben mit Funk, Hardrock und HipHop experimentiert, den sogenannten Nu Metal der 2000er geprägt – und waren oft mit artverwandten Bands wie Korn, Limp Bizkit, Deftones oder Linkin Park unterwegs. Den Experimentiergeist der Anfangsjahre haben sie sich bis heute bewahrt. Weshalb sie mit Techno-King Skrillex arbeiten, der sämtliche Stücke von "8" remixt hat. Und sich auch mal an Instrumental-Nummern oder echten Nonsens wagen.
    Musik When I Became A Man
    Erlaubt ist, was gefällt und Spaß macht. Gemäß dieser Maxime servieren die Fünf ein dynamisches, druckvolles Album, das zwar wenig Neues bietet, aber durch handwerkliches Können, Spielwitz und starke Melodien glänzt. Die nächsten Wochen und Monate sind Incubus wieder viel live unterwegs – auch in Deutschland.