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Studie
Europa ist vielen deutschen Jugendlichen nicht so wichtig

Die Mehrheit der jungen Deutschen ist laut einer Studie weltoffen, lehnt nationalistische Tendenzen ab und sieht Zuwanderung als Bereicherung an. Vielen ist Europa aber keine Herzensangelegenheit. Zugehörig fühlen sie sich eher ihrer Stadt oder Region, ihrem Land oder der Welt.

Von Johannes Berthoud | 16.11.2016
    Eine Frau trägt die EU-Flagge im Gesicht.
    Eine Frau trägt die EU-Flagge im Gesicht. (imago/ZUMA Press)
    Ein Großteil der jungen Leute in Deutschland fühlt sich Europa kaum verbunden. Mehr als ein Drittel sieht den Staatenbund nur als ein "notwendiges Konstrukt". Für viele andere ist es lediglich der Name eines Kontinents, manche sehen in Europa eine historische Illusion. Nur für ein Viertel ist es das einzig wahre Projekt für die Zukunft.
    Das ist eines der Ergebnisse der europaweiten Studie "Generation What", die wissen will, wie junge Leute in Europa denken. Insgesamt haben dafür mehr als 900.000 junge Menschen aus 35 europäischen Ländern online Fragen zu verschiedenen Themen beantwortet - von Politik über Religion bis hin zu Sexualität. Das SINUS-Institut hat jetzt die deutschen Ergebnisse ausgewertet und analysiert.
    Maximilian von Schwartz ist der Studienleiter von "Generation What":
    "Ganz viele sagen: Ja, ich fühle mich als Europäer. Das sind fast 90 Prozent, die so fühlen. Allerdings, wenn man sie fragt, welcher geographischen Region bist du zugehörig, dann kommt Europa ganz hinten."
    Nur 9 Prozent der befragten 18- bis 34-Jährigen fühlen sich in erster Linie Europa zugehörig, aber über 40 Prozent der Stadt und Region.
    Jugendliche sehen trotzdem Vorteile der EU
    Der Europäischen Union steht die junge Generation zumindest skeptisch gegenüber. So wie die 20-jährige Münchnerin Michaela Meyer, die auch an der Studie teilgenommen hat. Sie zweifelt an dem Zusammenhalt der Staaten untereinander.
    "Es hieß, man unterstützt sich, aber irgendwo ist es dann trotzdem nur ein 'irgendwo wollen wir nicht unterstützen und irgendwo sollte man sich auch schon erst mal um das eigene Land kümmern. Sie machen das ja nicht besser. Sie fahren ja alles nur noch mehr gegen die Wand."
    Obwohl die jungen Deutschen wenig Vertrauen in europäische Institutionen haben und sich auch eher mit anderen geografischen Einheiten identifizieren, scheinen sie dennoch die Vorteile der EU zu sehen: Gerade mal jeder Zehnte findet, Deutschland solle den Verbund verlassen. Studienleiter Maximilian von Schwartz:
    "Man kann vielleicht zusammenfassend sagen, dass man zu Europa ein pragmatisches Verhältnis hat. Man weiß, es ist nützlich, aber es ist keine Herzensangelegenheit."
    "Zuwanderung wird nicht als Bedrohung gesehen"
    Abgesehen von der skeptischen Haltung gegenüber Europa sind junge Deutsche mehrheitlich weltoffen und lehnen nationalistische Tendenzen ab. Immerhin drei Viertel der Befragten nehmen einen Trend zum Nationalismus in Europa wahr. Ein Großteil sieht den kritisch - nur 12 Prozent der Befragten finden diese Entwicklung positiv.
    Bemerkenswert ist auch die Meinung der jungen Bevölkerung gegenüber Migranten und Flüchtlingen.
    Von Schwartz: "Hoffnung macht beispielsweise, wie offen die junge Generation ist zum Thema Zuwanderung. Zuwanderung wird nicht als Bedrohung gesehen, sondern es wird wirklich als Bereicherung der kulturellen Vielfalt im eigenen Land betrachtet."
    Immerhin drei von vier Befragten sind dieser Meinung, 22 Prozent sehen das anders.
    Für Deutschland stehen die Endergebnisse der "Generation What?"-Studie fest, Anfang nächsten Jahres werden die Vergleichswerte aus anderen Ländern veröffentlicht. Schon jetzt sind unter generation-what.de viele Teilergebnisse abrufbar.