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Studie
IT-Infrastruktur an Schulen ist ein Milliardenprojekt

Was würde es kosten, alle deutschen Schulen mit einer IT-Infrastruktur auszustatten? Die Bertelsmann Stiftung hat es untersuchen lassen und kommt auf 2,8 Milliarden Euro pro Jahr. Darin ist die schnelle Internetverbindung nicht einmal enthalten, sagte Dirk Zorn von der Bertelsmann Stiftung im Dlf.

Dirk Zorn im Gespräch mit Michael Böddeker | 03.11.2017
    Eine Lehrerin steht mit einem Tablet in der Hand an der Tafel und schreibt Mathe-Aufgaben an
    Die Freude am Lernen: ein teurer Spaß (dpa / picture alliance / Julian Stratenschulte)
    Michael Böddeker: Fünf Milliarden Euro, verteilt über fünf Jahre, und das Ganze ab 2018. So lautet der Vorschlag der aus dem Amt scheidenden Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. Das macht pro Jahr eine Milliarde Euro. Jetzt besagt eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung, nötig wären rund 2,8 Milliarden Euro jährlich, um alle deutschen Schulen angemessen mit IT auszustatten. Wie das kommt, das weiß Dirk Zorn von der Bertelsmann Stiftung. Schönen guten Tag!
    Dirk Zorn: Grüße Sie, Herr Böddeker!
    Böddeker: Wie kommen denn diese Kosten zustande?
    Zorn: Wir haben eine Forschergruppe der Uni Bremen, um Professor Breiter, beauftragt, mal modellhaft abzuschätzen, was es kosten würde, alle deutschen Schulen digital mit einer adäquaten und lernförderlichen Infrastruktur auszustatten. Das Team von Herrn Breiter hat das auf Basis zweier modellhafter Schulen berechnet, einmal für die Grundschule und einmal für die weiterführenden Schulen.
    Böddeker: Und wie kommen jetzt diese Kosten zustande? Was macht das Ganze so teuer?
    Zorn: Das ist ein Mix aus Investitionen in Hardware, in eine Glasfaserleitung, in einen administrativen Support, also einen Systemadministrator, der die Wartung und die Betreuung von Geräten übernimmt, es fallen aber auch Software-Lizenzen darunter.
    Böddeker: In der Studie geht es um alle Grundschulen und um die weiterführenden Schulen in Deutschland. Jetzt hat sich gezeigt, die Kosten an den weiterführenden Schulen sind pro Schüler um ein Mehrfaches höher als die an den Grundschulen laut dieser Studie. Wie kommt das?
    Zorn: Wir haben in den unterschiedlichen Szenarien verschiedene Versorgungen insbesondere mit Endgeräten unterstellt, das hat sich aus Erfahrung gezeigt, dass hier unterschiedliche Szenarien zum Einsatz kommen sollten. In den weiterführenden Schulen heißt das eine Eins-zu-eins-Versorgung aller Schülerinnen und Schüler mit mobilen Endgeräten, die dann in jedem Klassenraum für jeden Schüler verfügbar sind, in der Grundschule kommt man auf eine Versorgung von etwa eins zu zwei. Das ist einer der wesentlichen Kostentreiber.
    Breiter Anwendungsspielraum
    Böddeker: Von was für Endgeräten sprechen wir hier? Sind das Tablets, Smartphones, Laptops?
    Zorn: Das lässt die Studie offen und rechnet hier mit gemittelten Werten, sodass Schulen oder Schulträger gemeinsam mit Schulen die Möglichkeit haben, das für sie passende mobile Endgerät herauszusuchen. Erfahrungsgemäß zeigt sich, dass Tablets und auch stationäre Laptops oder PCs einen breiteren Anwendungsspielraum zulassen als etwa Smartphones.
    Böddeker: Die Geräte sind das eine, aber viele Schulen müssen ja auch überhaupt erst mal vielleicht an eine schnelle Internetverbindung angeschlossen werden. Ist das auch Teil der Rechnung?
    Zorn: Das ist eine sehr relevante Frage, das ist nämlich in der Berechnung explizit ausgeschlossen. Dem Team um Professor Breiter war es nicht möglich, hier einen belastbaren Schätzwert zu ermitteln, der für alle Regionen in Deutschland als Mittelwert tragfähig gewesen wäre. Das heißt, die einmalige bauliche Anschließung oder Erschließung der Schule an ein Hochleistungsglasfasernetz käme noch zu diesen von uns ermittelten Kosten hinzu, und das wird sicherlich ein sehr erheblicher Wert sein.
    Eigene Geräte mitbringen?
    Böddeker: Die meisten Schülerinnen und Schüler haben ja heutzutage zumindest ein eigenes Smartphone. Würde es denn helfen, wenn die ihre eigenen Geräte mitbringen und die dann auch im Unterricht nutzen? Es gibt ja schon solche Modelle, die nennt man dann "Bring your own device". Würde so was helfen?
    Zorn: Auf jeden Fall, das machen viele Vorreiterschulen ja auch heute schon, die nicht darauf warten, bis jede Ecke ihres Schulhauses mit WLAN ausgeleuchtet ist, wie man das nennt, und bis der Schulträger ihnen entsprechende Klassensätze an Endgeräten spendiert, sondern die setzen darauf, dass ein Großteil, wenn nicht alle Schülerinnen und Schüler heute so ohnehin über solche internetfähigen Geräte verfügen, mit denen man was machen kann. Allerdings muss man das sehr genau abwägen, denn die Erfahrungen zeigen, dass die Komplexität an anderer Stelle dadurch steigt. Datenschutzrechtliche Fragen, auch die Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien in elektronischer Form können dann komplexer werden, wenn ich eine Vielzahl von Endgeräten und eine Vielzahl von Betriebssystemen bespielen muss.
    Böddeker: Sagt Dirk Zorn von der Bertelsmann Stiftung, die heute eine neue Studie rausgegeben hat. Und demnach dürften die Kosten für die Digitalisierung von Bildung deutlich höher ausfallen als die in Aussicht gestellten Mittel aus dem Digitalpakt. Vielen Dank für das Gespräch!
    Zorn: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.