Freitag, 19. April 2024

Archiv

Studie
Klimakatastrophen können bewaffnete Konflikte anheizen

Das Risiko eines Ausbruchs von bewaffneten Konflikten kann sich laut einer Studie durch Klimakatastrophen erhöhen. Dieser Zusammenhang gelte "für Länder, die besonders ethnisch divers oder ethnisch zersplittert sind", sagte Carl-Friedrich Schleussner vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung im DLF.

Carl-Friedrich Schleussner im Gespräch mit Stefan Römermann | 26.07.2016
    Ein Mann geht in Zimbabwe an einem durch die Dürre verendeten Rind vorbei.
    Klimatologische Katastrophen wie Dürren oder Hitzewellen haben nach Angaben von Carl-Friedrich Schleussner ein besonders hohes Gefährdungspotenzial. (dpa/picture-alliance/Aaron Ufumeli)
    Stefan Römermann: Die ersten Auswirkungen des Klimawandels sind inzwischen deutlich zu erkennen. Die Eiskappen in den Polarregionen, die schmelzen, und extreme Wetterereignisse und Naturkatastrophen wie Dürren, die nehmen deutlich zu. Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung hat jetzt untersucht, welchen Einfluss solche Klimakatastrophen auf den Ausbruch von bewaffneten Konflikten und Bürgerkriegen haben. Den Autor der Studie, Karl-Friedrich Schleussner, habe ich vor der Sendung gefragt, ob es dabei tatsächlich einen Zusammenhang gibt.
    Carl-Friedrich Schleussner: Wir haben uns darauf fokussiert, das Ausbrechen von kriegerischen Konflikten mit dem Zusammentreffen von klimabedingten Naturkatastrophen übereinanderzulegen und uns dort direkte statistische Verhältnisse anzuschauen. Wir haben nicht individuelle Ereignisse allein angeschaut, sondern eher eine Gesamtheit aller Ereignisse global auf der Welt oder für bestimmte Länder und daraus versucht, Erkenntnisse abzuleiten.
    Römermann: Und konnten Sie einen Zusammenhang erkennen?
    Schleussner: Ja, das gibt es, und zwar auf einer Art und Weise, die vielleicht recht plausibel klingt. Und zwar haben wir nicht gefunden, dass Klimadesaster direkt zu einem Ausbruch von Konflikten führen würden. Vielmehr haben wir gefunden, dass sie möglicherweise das Risiko eines Ausbruchs erhöhen können, der seine Wurzeln dann aber in den jeweiligen Rahmenbedingungen dieses Konfliktes haben könnte. Insbesondere haben wir auch gefunden, dass dieser Zusammenhang für Länder, die besonders ethnisch divers sind oder ethnisch zersplittert sind, besonders robust ist, was darauf hindeutet, dass es vielleicht in solchen Ländern bestimmte Mechanismen gibt, die sie besonders volerabel gegenüber diesen Effekten von klimabedingten Naturkatastrophen machen.
    "Zehn Prozent aller Konfliktausbrüche fallen global mit einem solchen Ereignis zusammen"
    Römermann: Um was für Katastrophen geht es da? Welche sind vielleicht auch besonders gefährlich, welche Art von Katastrophen?
    Schleussner: Insbesondere zeigen unsere Ergebnisse, dass möglicherweise klimatologische Katastrophen, also Dürren oder Hitzewellen, ein besonders hohes Gefährdungspotenzial haben. Unsere Ergebnisse für diese sind besonders robust und wir finden, dass ungefähr zehn Prozent aller Konfliktausbrüche global zusammenfallen mit einem solchen Ereignis in dem gleichen Monat und in dem gleichen Land, wo der Konflikt auch ausgebrochen ist.
    Römermann: Aber Sie sagen, es steht nicht in einem ganz kausalen Zusammenhang. Es ist nicht so, da ist jetzt eine Dürre und dann ist ein Monat später der Krieg?
    Schleussner: Nein, überhaupt nicht. Es ist vielmehr wirklich so: Wir haben quasi einen Test angewandt, mit dem man unterschiedliche Hypothesen überprüfen kann, unter anderem, ob es eine Risikoverstärkung gab. Basierend darauf, dass ein Konflikt ausgebrochen ist, haben wir geschaut: Gibt es davor oder in dem Umfeld eine Häufung von solchen Klimakatastrophen. Oder anders herum: Können wir nach Klimakatastrophen finden, dass es ein erhöhtes Konfliktrisiko gibt. Der erste Test, der Test, dass ein Konflikt ausgebrochen ist, aus welchen Gründen, die häufig in der spezifischen Historie oder durch spezifische Umstände dieses Konfliktes zu suchen sind, auch immer, dort finden wir dann eine Häufung. Das heißt, wir können sagen, dass es möglicherweise ein gesteigertes Risiko durch das Auftreten von diesen Klimakatastrophen gegeben hat. In die andere Richtung, basierend auf den Klimakatastrophen alleine, finden wir kaum ein robustes Signal. Das heißt, wir schlussfolgern daraus, dass wir keine verallgemeinerbaren Aussagen machen können darüber, dass Klimakatastrophen in jedem Falle zum Beispiel Konflikte auslösen. Die Realitäten - das wissen wir alle - sind deutlich komplexer als das und unsere Ergebnisse zeigen das auch in besonders schöner Weise.
    "Wir müssen besser verstehen, wie diese Prozesse miteinander wechselwirken"
    Römermann: Was denken Sie, was wird der vom Menschen gemachte Klimawandel da in diesem Zusammenhang für Auswirkungen haben? Es sollen ja Wetterextreme zunehmen. Bedeutet das unterm Strich doch, dass die Welt dadurch gefährlicher wird?
    Schleussner: Ich denke, was unsere Studie zeigt ist, dass man solche Prozesse mit einfaktorisieren muss und dass es ein bestimmtes Risiko gibt. Das heißt, wir müssen besser verstehen, wie möglicherweise die Effekte von solchen Klimakatastrophen dann im lokalen Einzelfall auch wirklich wirksam werden, um dann hoffentlich vorbeugen zu können. Und wir wissen leider auch, dass diese Regionen, die ich vorhin genannt habe, die besonders ethnisch zersplittert auch sind, auch sehr volerabel sind gegenüber den Effekten von Klimawandel. Das heißt, da treffen leider zwei unschöne Dynamiken aufeinander, und dort müssen wir besser verstehen, wie diese Prozesse miteinander wechselwirken und dann in der Hoffnung auch entsprechend politisch oder sicherheitspolitisch tätig werden zu können, um solche Konfliktausbrüche nach Möglichkeit zu verhindern.
    Römermann: Aber konkrete Tipps für die Politiker haben Sie bisher noch nicht, was man daraus lernen kann?
    Schleussner: Unsere Ergebnisse zeigen, dass es für bestimmte Regionen ein Risikoprofil gibt. Nun ist es jetzt ja nicht so, dass das Regionen wären, in denen ausschließlich Klimawandel eine Rolle spielt. Aber unsere Ergebnisse zeigen, dass die Effekte von Klimawandel auf zukünftige Sicherheitspolitik auch berücksichtigt werden sollten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.