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Studie
Lehrer arbeiten doch nicht weniger

Eine Befragung von mehr als tausend Lehrern hat ergeben, dass sie im Durchschnitt nicht mehr, aber auch nicht weniger arbeiten als andere Akademiker. Weitere Ergebnisse: Die große Mehrheit der Pädagogen unterrichtet hoch motiviert und die Teamarbeit ist wichtiger denn je. Missstände gibt es dennoch, wie Ilka Hoffmann von der Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft dem Deutschlandfunk sagte. An Schultagen komme es zu starken Arbeitsverdichtungen.

Von Ursula Kissel | 25.02.2016
    Matheunterricht in einem Oberstufen-Kurs am Gymnasium.
    Matheunterricht in einem Oberstufen-Kurs am Gymnasium. (picture alliance / dpa / Marijan Murat)
    Im Durchschnitt arbeiten Lehrer eigenen Angaben zufolge 45,8 Stunden pro Woche. Verrechnet man die - im Vergleich zu anderen Berufen - zusätzlichen Ferienzeiten, ergibt sich eine wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden. Das ist die zentrale Erkenntnis der Studie "Lehrerkooperation in Deutschland", die von den Stiftungen Bertelsmann, Deutsche Telekom, Robert Bosch und Mercator in Auftrag gegeben wurde. Wissenschaftler der Berliner Humboldt-Universität und der Universität Wuppertal befragten dafür mehr als tausend Lehrer zu ihrer Arbeit und ihrem Selbstbild.
    Laut der Untersuchung ist die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit vergleichbar mit der von Ingenieuren, Juristen und Beamten im höheren Dienst. Berücksichtigt wurden bei den Lehrern neben der reinen Unterrichtszeit auch die Vor- und Nachbereitungen sowie Korrekturen von Klassenarbeiten und Klausuren.
    Große Job-Zufriedenheit
    Die Untersuchung ergab auch, dass fast alle Pädagogen auf die Zusammenarbeit mit Kollegen setzen und ihren Beruf mögen. 80 Prozent bezeichnen sich selbst als hochmotiviert. 76 Prozent sind sehr zufrieden in ihrer Arbeit.
    Lediglich sechs Prozent der Befragten klagen über eine große Erschöpfung und zwei Prozent äußern starke Zweifel an der eigenen Kompetenz. Die Wochenzeitung "Die Zeit" schlussfolgert: Im Lehrerzimmer sitzen nicht mehr gestresste oder frustrierte Menschen als durchschnittlich auch in anderen Büros.
    Inklusion führt zu mehr Zusammenarbeit
    An Bedeutung gewonnen hat für die Pädagogen auch die Teamarbeit. Zwar stehen sie im Unterricht weiter meist allein vor der Klasse. Doch zwei Drittel der Lehrer sprechen regelmäßig miteinander über Schüler, geben sich Ratschläge und tauschen Arbeitsmaterialien aus.
    Fast alle Lehrer (97 Prozent) sind der Ansicht, dass die Zusammenarbeit mit den Kollegen wichtig ist. Die Bereitschaft, andere Pädagogen im eigenen Unterricht hospitieren zu lassen, ist dagegen eher gering. Nur neun Prozent der Befragten lassen das der Studie zufolge zu.
    An Gymnasien ist die Kooperation deutlich schwächer ausgeprägt als in anderen Schulformen. Vor allem in Einrichtungen mit Inklusion wird intensiv zusammengearbeitet. Je höher der Anteil von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sei, so die Studie, desto stärker kooperieren die Lehrer auch konzeptionell.
    GEW: Trotz Zufriedenheit der Lehrer gibt es Missstände
    Ilka Hoffmann, Leiterin des Organisationsbereichs Schule bei der Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft (GEW), sagte dem Deutschlandfunk, eine gelungene Zusammenarbeit im Kollegium nutze sowohl der Berufszufriedenheit als auch der Gesundheit. "Diese Erfahrung machen nahezu alle Lehrerinnen und Lehrer." Allerdings brauchten die Pädagogen auch Zeit und Räumlichkeiten, um gut kooperieren und Konzepte entwickeln zu können. Oftmals gebe es "schlicht keine Frei- und Zeiträume dafür". Das liege vor allem an den knappen Personalstrukturen an den Schulen.
    Dass sich viele Lehrer zufrieden über ihren Beruf äußern, zeige, dass sie "sich sehr stark mit ihrer Rolle identifizieren". Hoffmann sieht dennoch Missstände: "Es muss sich einiges ändern. Zunächst einmal muss mehr Geld in die Bildung fließen." Es fehlten Lehrer, um etwa auch Flüchtlingskinder gut auszubilden. Zudem seien viele Schulgebäude marode.
    Arbeitsverdichtung an Schultagen
    Ihrer Erfahrung nach, so Hoffmann, hängt es "stark von den pädagogischen Herausforderungen und den jeweiligen Rahmenbedingungen ab", ob Lehrkräfte über Überlastungen klagen. "In den Städten und in sozial komplexeren Schulen sind die Belastungen ungleich größer als auf dem Land."
    Hoffmann verwies auf eine starke Arbeitsverdichtung an den Schultagen. Hier sieht sie einen deutlichen Unterschied zu anderen akademischen Berufen. "Es gibt praktisch keine Pausen, da diese entweder für Aufsicht oder Ansprachen und Gespräche mit Schülern oder Anrufe genutzt werden müssen." Belastend wirke sich auch aus, dass die "Grenzziehung zwischen Arbeits- und Privatleben" oft nicht gelinge. Denn die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts müsse im heimischen Arbeitszimmer erfolgen, weil es in den Schulen nicht genügend Arbeitsplätze gebe.