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Studie
Vor allem das Ruhrgebiet entwickelt sich zur Armutsregion

Alleinerziehende, Erwerbslose und Rentner sind besonders gefährdet - inbesondere dann, wenn sie zwischen Duisburg und Dortmund, sprich im Ruhrgebiet wohnen. So steht es im neuen Armutsbericht 2016. Ungeachtet der guten Wirtschaftslage bleibt das Risiko des ökonomischen Abstiegs in Deutschland hoch.

23.02.2016
    Abendlicher Blick über die Stadt Gelsenkirchen.
    Ein Blick über die Stadt Gelsenkirchen. (Imago / Jochen Tack )
    Die Armut in Deutschland ist 2014 zum ersten Mal seit Jahren insgesamt leicht gesunken. Die Armutsquote, also der Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung, verringerte sich im Vergleich zum Vorjahr um 0,1 Prozentpunkte auf 15,4 Prozent. Laut dem Bericht des Paritätischen Wohlfahrtverbands waren damit bundesweit aber immer noch 12,5 Millionen Menschen von Armut betroffen.
    Der Armutsbericht basiert auf den neuesten Daten des Mikrozensus des Statistischen Bundesamts, bei dem auch die Einkommenssituation erfasst wird. Gerechnet wird mit der sogenannte "relativen Armutsquote". Dabei geht es um diejenigen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. Bei Singles liegt die Armutsschwelle bei 917 Euro, bei Paaren mit zwei Kindern bei 1926 Euro. Für das Statistische Bundesamt sind die Betroffenen "armutsgefährdet".
    Armut wandert nach Westen
    Während im Jahr 2014 in neun Bundesländern die Armutsquote gesunken ist, gab es in den Bundesländern Bayern und Nordrhein-Westfalen einen Anstieg. Das Ruhrgebiet sei dabei die "Problemregion Nummer Eins", sagte Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Inzwischen müsse hier jeder fünfte Einwohner zu den Armen gezählt werden.
    "Lawine an Altersarmut"
    Alarmierend ist für den Paritätischen Wohlfahrtsverband die Situation der Rentner. Bei ihnen sei die Armut seit 2005 etwa zehn Mal so stark angewachsen wie beim Rest der Bevölkerung und stieg auch 2014 weiter an. Schneider sprach von den "Vorboten einer Lawine an Altersarmut". Bei keiner anderen Gruppe nähmen die Probleme derart massiv zu. Gefordert wird ein Kurswechsel in der Sozial- und Steuerpolitik, um dringend notwendige Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut auf den Weg zu bringen.
    "Strategie gegen Armut"
    Die Opposition im Bundestag schloss sich der Forderung an. "Es ist eine Schande, dass trotz Wirtschaftsboom und Rekordeinnahmen in Deutschland 12,5 Millionen Menschen in Armut leben müssen", erklärte Linken-Chefin Katja Kipping. Der Grünen-Sozialexperte Wolfgang Strengmann-Kuhn forderte eine "offensive Strategie gegen Armut". Das Land sei "zerrissen" wie niemals zuvor. Auch der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel sprach von "Handlungsbedarf". Das Land brauche Investitionen in Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, Innovation und Integration. CDU und CSU müssten bei dem Thema "runter von der Bremse".
    (böfwa/rm)