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Studie zu erfolgreichen Bewerbungen
Lücken im Lebenslauf werden nicht negativ bewertet

Wer nach einer Bewerbung nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird, weiß oft nicht, woran es gelegen hat. Schlechte Verhaltensbewertungen fallen bei Personalern besonders negativ auf - während sinnvoll genutzte Pausen im Lebenslauf gar nicht so schlimm sind, erläuterte die Ökonomin Dorothea Kübler im DLF die Ergebnisse einer Studie der TU Berlin.

Dorothea Kübler im Gespräch mit Michael Böddeker | 18.11.2015
    Eine blaue Bewerbungsmappe mit dem Schriftzug Bewerbung
    Forscher des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung haben manipulierte Bewerbungsschreiben an Unternehmen verschickt und anschließend ausgewertet, worauf es dabei ankommt. (imago)
    Michael Böddeker: Die Erfahrung haben sicher die meisten schon gemacht: Mal klappt es, wenn man sich auf eine ausgeschriebene Arbeitsstelle bewirbt, und mal klappt es nicht. Aber woran es dann gelegen hat, wenn man keinen Erfolg hatte, das erfährt man in aller Regel nicht. Um das herauszufinden, könnte man Personalverantwortliche befragen oder – wie in der Wissenschaft üblich – man macht ein Experiment.
    Genau das haben Forscher vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gemacht: Sie haben manipulierte Bewerbungen an Unternehmen verschickt. Anschließend haben sie anhand der Rückmeldungen ausgewertet, auf welche Details es dabei ankam. Darüber habe ich mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Dorothea Kübler gesprochen und gefragt: Wie sah dieses Experiment denn genau aus?
    Dorothea Kübler: Wir hatten zwei Forschungsfragen, mit denen wir gestartet sind, und um diese Forschungsfragen zu beantworten, haben wir dann die Lebensläufe entsprechend manipuliert oder designt. Und eine Frage war, wie Fachnoten im Vergleich zu Kopfnoten zu Buche schlagen aus Sicht der Arbeitgeber, also, wie wichtig sind Verhaltensbewertungen, unentschuldigte Fehltage im Vergleich zu den Leistungsbewertungen, das war die erste Frage.
    Und die zweite Frage war, welche Chancen haben Leute, die bereits zwei Jahre mit der Schule fertig sind, also sogenannte Altbewerber, im Vergleich zu Bewerbern, die noch in der Schule sind und sich jetzt aus der Schule heraus bewerben.
    "Kopfnoten sind sehr wichtig"
    Böddeker: Dann lassen Sie uns kurz mit dem ersten Versuchsteil anfangen, bei dem es um die Verhaltensbewertung und die Fehltage geht. Verhaltensbewertung, Kopfnoten gibt es ja in einigen Bundesländern, welche Rolle haben die gespielt?
    Kübler: Interessanterweise sind die Kopfnoten auch sehr wichtig. Ich kann kurz sagen, was wir gemacht haben: Es gab in einer ersten Welle des Experiments Bewerber, die hatten gute Verhaltensbewertungen und keine unentschuldigten Fehlzeiten und die hatten entweder einen Notendurchschnitt von 2,4 oder von 3,0. Und diese beiden Gruppen hatten eine fast 70-prozentige Wahrscheinlichkeit, eingeladen zu werden. Das heißt also, eine Note von 3,0 im Durchschnitt ist ausreichend für diesen speziellen Beruf, da ging es um Mechatroniker und es waren männliche Bewerber.
    Und dann haben wir gefragt, was passiert jetzt, wenn man die Note 3,0 hat und schlechte Verhaltensbewertungen und auch ein paar unentschuldigte Fehlzeiten, und dann hat sich eben gezeigt, dass nur noch ca. 24 Prozent der Bewerbungen erfolgreich waren. Wir haben aufgrund der schlechteren Verhaltensbewertungen, die nicht katastrophal waren, etwas schlechter, haben wir ganz stark einen Effekt gehabt auf die Zahl der Einladung.
    "Schlechte Noten mit guten Verhaltensbewertungen führen zu erfolgreichen Bewerbungen"
    Und dann gab es schließlich noch eine vierte Gruppe, die hatte die Note 3,4. Und das ist sozusagen, schlechter geht es fast nicht, denn man muss ja im Durchschnitt bestehen, man darf nicht zu viele Fünfer haben, das heißt also, 3,4 ist sozusagen schon so schlecht, wie man es hinkriegt, sodass die Person gerade noch den mittleren Schulabschluss oder die mittlere Reife schafft. Und da waren 50 Prozent erfolgreich, die hatten die Note 3,4 und gute Verhaltensbewertung.
    Da sieht man also, dass selbst relativ schlechte Noten mit guten Verhaltensbewertungen zusammen zu erfolgreicheren Bewerbungen führen, als wenn jemand bessere Noten hat, aber schlechte Verhaltensbewertungen, also im Vergleich zur Gruppe, die die 3,0 hatte und schlechte Verhaltensbewertung.
    Böddeker: Dann lassen Sie uns auf den anderen Versuchsteil schauen. Da ging es ja darum, ob auch Pausen im Lebenslauf eine große Rolle spielen. Was kam dabei heraus?
    Kübler: Bei dieser Studie hat uns sehr überrascht, dass wir gefunden haben, dass die sogenannten Altbewerberinnen, dass die, wenn sie bereits zwei Jahre aus der Schule sind, aber in dem einen Jahr in dieser, kann man sagen, Wartezeit, was auch immer sie da getan haben, in dem einen Jahr eine Berufsfachschule besucht haben, diese Altbewerberinnen waren sogar erfolgreicher als die, die noch in der Schule sind, die sich also frisch aus der Schule auf Ausbildungsplätze bewerben. Das heißt also, die Betriebe oder die Personaler, die die Entscheidungen fällen, scheinen diese Pause zwischen Schule und dem Bewerbungszeitpunkt nicht als ein negatives Signal zu interpretieren.
    "Junge Leute haben Zeit, sich zu überlegen, was sie mit ihrem Leben machen wollen"
    Böddeker: Voraussetzung ist allerdings, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dass diese Fehlzeit oder diese Pause sinnvoll genutzt wird.
    Kübler: Das ist richtig, ja. Wir hatten drei Arten von Bewerbern in diesem Experiment, die dritte Gruppe waren Bewerber, die zwei Jahre lang entsprechend des Lebenslaufs eigentlich nichts gemacht haben, in diesem Lebenslauf, den wir verschickt haben, stand nur drin, jobbt momentan bei einem Kiosk, wird also alles etwas dunkel gelassen. Und diese Personen haben dann in der Tat schlechter abgeschnitten als die Neubewerber, die direkt von der Schule kommen.
    Böddeker: Wenn Sie sich die Ergebnisse dieser Versuche anschauen, können Sie daraus vielleicht Tipps ableiten für junge Menschen, die sich gerade auf Ausbildungsplätze bewerben wollen?
    Kübler: Ich denke, zunächst einmal sind es gute Nachrichten, auch die Unterschiede zwischen den Neubewerbern und denen, die zwei Jahre lang offensichtlich nichts gemacht haben, oder wo der Lebenslauf darüber keine Information gibt, die Unterschiede sind nicht sehr groß. Es wird nicht sehr dafür bestraft, dass man sich nicht gleich nach der Schule entscheiden kann zum Beispiel. Sondern ich denke, die jungen Leute haben Zeit, sich zu überlegen, was sie mit ihrem Leben machen wollen. Und wenn sie in der Zeit was Sinnvolles machen, dann ist es noch besser.
    "Berufsfachschulen wirken nicht stigmatisierend"
    Und diese Berufsfachschulen sind eben anders, als häufig erwartet, nicht was, was dann zusätzlich stigmatisierend wirkt. Das sind ja, muss man bedenken, öffentliche Programme, die unter anderem dazu ins Leben gerufen wurden, um Auszubildenden oder Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz finden, einen Übergang zu ermöglichen. Und diese Maßnahmen werden häufig auch etwas kritisiert als möglicherweise noch mehr stigmatisierend, aber diesen Effekt haben die eben gar nicht, sondern das sind sinnvolle Maßnahmen, die dann die Chancen sogar erhöhen.
    Böddeker: Also, gute Nachrichten für Bewerber, Lücken im Lebenslauf sind weniger schlimm als gedacht! Über das Experiment und die Ergebnisse habe ich mit Dorothea Kübler vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gesprochen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.