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Studie zu Lehrermangel
Berufsschulen droht gewaltige Lücke

2030 könnten bundesweit 60.000 Berufsschullehrer fehlen: Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung. Dieser Zustand könne sich sogar noch verschlimmern, sagte Studien-Mitautorin Claudia Burkard im Dlf. Quer- und Seiteneinsteiger seien jedoch keine Lösung für dieses Problem.

Claudia Burkard im Gespräch mit Manfred Götzke | 29.10.2018
    Eine leere Schultafel und eine Schultasche.
    Es brauche mehr gut ausgebildete Berufsschullehrer, sagte Claudia Burkard von der Bertelsmann Stiftung im Dlf (imago / Ute Grabowsky)
    Theoretisch müssten schon bis 2020 jährlich rund 4.000 Berufsschullehramts-Absolventen eingestellt werden, um den aktuellen Mangel abzufangen. Das Problem: Jährlich gibt es nur 2.000 Berufsschullehrer, die dem Arbeitsmarkt nach Studienende zur Verfügung stehen.
    "Wir haben eine ganz ganz große Lücke, die wir füllen müssen", sagte Claudia Burkard von der Bertelsmann Stiftung im Dlf. Für den Mangel seien mehrere Faktoren verantwortlich.
    Im Gegensatz zu Grund- und weiterführenden Schulen liege der Altersdurchschnitt bei Berufsschullehrern höher. Daher gebe es einen "sehr sehr hohen Ersatzbedarf", der sich durch die in absehbarer Zeit aus dem Dienst ausscheidenden Lehrkräften noch verschlimmern könnte.
    Konkurrenz mit der freien Wirtschaft
    Vor allem in gewerblichen und technischen Bereichen konkurrierten außerdem die Berufsschulen mit der freien Wirtschaft um geeignete Bewerber. Das Brutto-Gehalt im Referendariat betrage 1.200 Euro, erklärte Burkard. Ein ausgebildeter Ingenieur beispielsweise werde sich daher gut überlegen, ob er als Quereinsteiger an die Berufsschule oder in die freie Wirtschaft gehe.
    Berufsschullehramtsausbildung zu wenig bekannt
    Dies aber sei nicht das eigentliche Problem, so Burkard weiter. Die Berufsschullehrerausbildung sei in der Öffentlichkeit viel zu wenig bekannt. Viele junge Menschen wollten durchaus Lehrer werden. Doch nur wenige hätten je eine Berufsschule von innen gesehen - ihnen sei daher dieser Lehramtsausbildungszweig gar nicht bekannt.
    Hinzu käme ein oft falsches Bild der Berufsschule: Es sei nicht so, dass man es dort als Lehrkraft nur mit unmotivierten Schülern zu tun habe, die keine Lust auf den theoretischen Teil ihrer dualen Ausbildung hätten, sagte Burkard. Im Gegenteil: Es gebe auch hoch motivierte junge Erwachsene, die "ihre Pubertät schon lange hinter sich gelassen haben" - ein Vorteil, den viele Lehramtsstudierende nicht auf dem Schirm hätten.
    Quer- und Seiteneinsteiger führen zu Problemen an Berufsschulen
    Um den akuten Berufsschullehrer-Mangel aufzufangen, setzten viele Einrichtungen zunehmend auf Quer- und Seiteneinsteiger, so ein weiteres Ergebnis der von der Bertelsmann Stiftung durchgeführten Studie. Das führe jedoch auch zu massiven Problemen.
    "Wir müssen dafür sorgen, dass Quer- und Seiteneinsteiger ausreichend und gut qualifiziert werden", forderte Burkard. Die Einarbeitung der neuen Kolleginnen und Kollegen sei sehr aufwendig und erfordere zusätzliche Zeitkontingente, die die seit Jahren an den Berufsschulen tätigen Lehrerinnen und Lehrer jedoch nicht hätten. Dieser enorme Mehraufwand zur Unterstützung der neuen Kollegen und Kolleginnen sei fast so etwas wie eine Zumutung, sagte Burkard.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.