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Studie zum Bahnverkehr
Deutschland verpasst Anschluss bei Schienennetz-Ausbau

"Im Ausland ist es noch schlimmer", so trösten sich deutsche Bahnkunden gerne, wenn mal wieder Züge im Schneckentempo über lädierte Gleise kriechen. Doch das ist falsch, sagt eine neue Studie der Allianz pro Schiene: Im europäischen Vergleich liegt Deutschland beim Netzausbau auf einem hinteren Rang.

Von Dieter Nürnberger | 03.07.2014
    Eine neue Schienentrasse liegt am 03.03.2014 in Berlin am Bahnhof Ostkreuz. Dort werden neue Gleise verlegt und angehoben, um in Zukunft im Bahnhof ein barrierefreies Reisevergnügen zu garantieren. Ein genauer Termin für das Ende der Bauarbeiten steht noch nicht fest.
    Selbst das wirtschaftlich angeschlagene Italien übertrifft Deutschland bei den Netz-Investitionen. (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    Deutschland hinkt bei den staatlichen Infrastruktur-Investitionen in das Schienennetz hinterher, und wenn man sich das heute vorgestellte Ranking betrachtet - hier wurden die Pro-Einwohner-Investitionen von neun ausgewählten europäischen Ländern verglichen - dann liegt Deutschland etwas abgeschlagen auf Platz 7 - und das trotz vergleichsweise guter Wirtschaftsdaten hierzulande.
    Deutschland noch hinter Italien
    Die Schweiz führt das Ranking an - hier werden 366 Euro pro Jahr und Einwohner investiert, in Deutschland sind es nur 54 Euro. Und damit liegt man beispielsweise noch hinter Italien, einem Land, welches ja derzeit gesamtwirtschaftlich deutlich schlechter dasteht als Deutschland. Die Zahlen hat die Unternehmensberatung SCI im Auftrag der Allianz pro Schiene ermittelt. SCI-Expertin Maria Leenen:
    "Das sind die Länder, die sehr stark sparen müssen, die sehr stark von der Krise betroffen sind. Und die auch in der Vergangenheit einen großen Investmentbedarf hatten. In Deutschland haben wir eine komplett andere Landschaft: Im Prinzip haben wir volkswirtschaftlich dafür Budgets, aber wir befinden uns mit 54 Euro pro Kopf auf einem der hinteren Plätze. Selbst Italien investiert mit 81 Euro deutlich mehr pro Kopf in die Schiene als Deutschland."
    Deutsche Investitionen gehen in den Straßenverkehr
    Deutlich werde, dass Deutschland seit Jahren schon mehr Geld in den Straßenverkehr als in die Schieneninfrastruktur investiere. Dabei ist Deutschland ja auch ein wichtiges Transitland im Schienenverkehr. Hinzu komme, dass global gesehen, der Ausbau des Personen- und Güterverkehrs auf der Schiene seit Jahren boome - aber eben nicht hierzulande, so die Expertin der SCI-Unternehmensberatung:
    "Die Menschen ziehen in die Städte, und hier brauchen sie die Schiene, um mobil zu bleiben. Und die Güter werden zunehmend über zentrale Punkte organisiert. Etwa aus Häfen in Asien, wo ja sehr viel Produktion heute stattfindet in der globalen Arbeitsteilung. Die Güter werden dorthin gebracht, wo die Menschen, die Verbraucher sitzen."
    Prognosen sehen Schienenverkehr als Wachstumsbranche
    So gibt es Prognosen, dass der globale Schienengüterverkehr bis 2018 um 11 Prozent, der Schienenpersonenverkehr sogar um 18 Prozent steigen werde. Für das wirtschaftlich generell gut entwickelte Europa sind die Zahlen erwartungsgemäß geringer, doch auch hier wird ein Plus von fünf Prozent im Güterverkehr und sieben Prozent im Schienenpersonenverkehr prognostiziert. Deutschland stelle sich mit den relativ bescheidenen Investitionen somit gegen einen allgemeinen Trend, sagt Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, ein Bündnis zur Förderung des Schienenverkehrs in Deutschland:
    "Die Investitionen in die bestehende Schieneninfrastruktur sind seit 2006 nur um kümmerliche zwei Prozent gewachsen. Die Eisenbahnbrücken werden immer älter. Hier klafft also die Entwicklung zunehmend auseinander - indem, was wir investieren und den Prognosen."
    Lkw-Maut für den Netzausbau?
    Die Allianz pro Schiene fordert - ähnlich wie die Deutsche Bahn AG übrigens - eine jährliche Investitionssumme von 6,5 Milliarden Euro in die Schieneninfrastruktur in Deutschland. Derzeit seien es nur 4,3 Milliarden. Die Frage ist hierbei natürlich, woher nehmen? Dirk Flege schwebt zur Finanzierung vor allem ein Ausbau der Lkw-Maut vor:
    "Es lässt sich sicherlich am besten bewerkstelligen, wenn wir die Lkw-Maut entsprechend ausdehnen. Nämlich auf alle Straßen in Deutschland und nicht nur auf die Autobahnen. Wir müssen auch die Gewichtsgrenze absenken - von bislang 12 auf 3,5 Tonnen. Zudem ist es allerhöchste Zeit, dass wir die EU-rechtlichen Möglichkeiten nutzen, wie man die sogenannten externen Kosten des Lkw-Verkehrs - also Umweltschäden, Abgase usw. - mit in der Lkw-Maut berechnet."
    Rhetorisch - so die Allianz pro Schiene - seien längst alle Parteien für einen forcierten Ausbau der Schieneninfrastruktur in Deutschland. Aber zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffe eben eine große Lücke.