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Studie zum Digital-Index
Die digitale Gesellschaft in Deutschland kommt ins Stocken

Auch 25 Jahren nach dem Mauerfall ist die deutsche Gesellschaft gespalten - in Internetnutzer und Internetnichtbenutzer. So könnte man die Ergebnisse der in dieser Woche vorgestellten Studie "D21-Digital-Index 2014" überspitzt zusammenfassen. Wissenschaftler überlegen nun, wie sich das ändern lässt.

Von Jan Rähm | 08.11.2014
    Die aktuelle Studie D21-Digital-Index liest sich in Teilen ernüchternd: Digitalisierungsgrad auf Vorjahresniveau, keine Verbesserung bei struktureller Benachteiligung und schwach ausgeprägtes Datenbewusstsein in der Bevölkerung. Obwohl die Bedeutung der digitalen Welt stetig wächst und der Mensch kaum noch an digitalen Geräten und dem Internet vorbeikommt, finden Teile der deutschen Bevölkerung keinen Zugang. Robert Wieland vom Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest, das die Studie zusammen mit der Initiative D21 herausgibt.
    "Status digitale Gesellschaft Deutschland, Gesamtindex unverändert. Es hat sich nichts getan. Die Kompetenz hat sich verschlechtert. Die Leute fühlen sich weniger kompetent, mit den vielen neuen Begrifflichkeiten sind sie überfordert, sich die alle zu merken oder zuzuordnen. Die Internet- und Breitbandnutzung stagniert. Es ist nur noch der demografische Effekt, der uns ein Wachstum von 0,3 Prozent beschert. Datenbewusstsein: Wunsch widerspricht Wirklichkeit. Man wünscht sich so vieles und setzt sich dann doch zu wenig damit auseinander."
    Die Studie misst die Entwicklung des Digitalisierungsgrads der deutschen Bevölkerung - wie gut haben die Bürger Zugang zu digitalen Medien und zum Internet. Wie offen stehen sie beidem gegenüber, wie nutzen sie die Vielfalt der digitalen Möglichkeiten. Und eben, wie kompetent sind die Deutschen in diesen Fragen. Dass es in vielen Bereichen einen Rückgang des Index-Wertes gab, führen die Forscher unter anderem auf die enthüllten Geheimdiensttätigkeiten zurück.
    "Wir sehen im Vergleich zum letzten Jahr einen Rückgang beim Thema Kompetenz. Und das hat ganz klar mit dem NSA und was sich alles um das Thema NSA gerankt hat, zusammen."
    Widerspruch im Denken der Deutschen
    So hätten die Veröffentlichungen des Whistleblowers Edward Snowden nicht zu mehr Gegenmaßnahmen beim Bürger geführt. Brigitte Zypries, parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, sieht darin einen Widerspruch im Denken der Deutschen.
    "Gleichzeitig ist es aber auch so, was wir ja auch anderen Stellen immer wieder feststellen, dass es da so eine gewisse Schizophrenie gibt, wenn das Grundvertrauen nicht da ist, dann führt das nicht dazu, dass man höhere Sicherheitsmaßnahmen einführt, sondern es führt dazu, dass man irgendwelche AGBs auch ungelesen abklickt als gelesen oder wie auch immer keine verschlüsselten E-Mails benutzt, obwohl man das könnte."
    Es ist aber nicht nur die Angst vor Überwachung. Ein Viertel der Deutschen meidet Internet und moderne Informationstechnik entweder aus Prinzip, oder weil beides ihnen nichts bringe, so die Studie. 20 Prozent der Bevölkerung nutzen das Internet überhaupt nicht.
    "Von denjenigen, die wenig oder fast nicht im Internet sind, sagen viele oder jeder dritte, weil ich zu wenig über Computer, Internet, Technikthemen weiß, habe ich Angst sie zu nutzen. Das ist ein Angstthema. Jeder Dritte hat Angst da rein zu gehen."
    Wie das ängstliche Viertel der Bevölkerung zur digitalen Teilhabe motivieren?
    Wie aber das skeptische beziehungsweise ängstliche Viertel der Bevölkerung auch zur digitalen Teilhabe motiviert werden soll, das wissen die Forscher nicht. Doch so bleiben dürfe es ihrer Ansicht nach auch nicht. Mit-Projektleiter Malthe Wolf von TNS Infratest.
    "Wir müssen uns überlegen, wo wir da als Gesellschaft unseren Strich ziehen. Ich glaub aber, hier kann er noch nicht sein, denn die Menschen, die heute nicht im Netz sind, nehmen an der Information nicht teil. Sie nehmen am Demokratisierungsprozess oder an der Fortentwicklung nicht teil, weil ihnen Informationen fehlen und sie können auch nicht mitreden. Wenn ich an den Bereich E-Government denke, auch da ist die Frage, diese Services, für wen werden die angeboten, kann man es sich erlauben, 25 Prozent der Bevölkerung dann damit nicht zu erreichen?"
    Uneinig sind sich die Beteiligten der Studie hinsichtlich der Frage: Was nun? Wer verantwortlich ist, für mehr Teilnahme und Kompetenz zu sorgen, das ist offen. Einig war man sich, dass eine Antwort darauf gefunden werden muss.