Freitag, 19. April 2024

Archiv


Studis online

"Studis online" ist eines der informativsten Internetangebote rund ums Studium. Es stammt nicht von großen Verlagen, gut organisierten Studentenvertretungen oder einer professionellen Agentur, sondern wird von dem "Einzelkämpfer" Oliver Iost komplett in Eigenregie gemacht. Auf studis-online.de berät er Schüler, Studierende und Absolventen bei der Studienplatz- und Wohnungssuche, gibt Tipps zur Prüfungsvorbereitung, hilft bei der Karriereplanung oder kämpft für bessere Studienbedingungen.

Von Lutz Weihe | 28.12.2005
    Oliver Iost hat sich einen Traum verwirklicht: Der ehemalige Studenten-Aktivist ist sein eigener Chef, kann weiter in der Hochschulpolitik mitmischen und dabei auch noch sein Wissen aus dem Informatik-Studium praktisch anwenden:

    " Das ist in der Tat ein Privileg. Das ist halt auch ein Glücksfall, dass ich das als Hobby die ganze Zeit gesehen hab und dann sich daraus tatsächlich ein Beruf - in gewisser Weise - wachsen konnte."

    Weiteres Privileg: Iost muss sich bei der Arbeit keinem von Oben verordneten Dresscode beugen. Seine Arbeitskleidung sind Jeans, Sweatshirt und Turnschuhe, denn er lebt und arbeitet in einer Wohngemeinschaft, die in einer geräumigen Altbauwohnung im Hamburger Stadtteil Altona residiert. Und meine Arbeitszeit teile ich mir frei ein, berichtet er schmunzelnd:

    " Ich mache halt so lang ich Lust hab, dann gehe ich vielleicht auch mal einen Kaffee trinken oder mach mir selbst einen Kaffe hier, esse was, gehe vielleicht auch mal raus und dann arbeite ich manchmal vielleicht noch abends bis um zehn. Wenn in Hamburg was los ist, gehe ich vielleicht auf eine Demonstration, mache ein paar Fotos, Presseausweis habe ich seit Neustem auch. Und am Wochenende mache ich durchaus auch was."

    Aufgebaut hat Iost sein Internetportal studis-online.de bereits während des Studiums. Um sich ganz der Seite zu widmen, war aber noch ein mutiger Schritt nötig: Iost gab den gut bezahlten Job in der EDV-Abteilung des Hamburger Spiegel Verlags auf, ohne zu wissen, ob das eigene Projekt genug abwerfen würde, um den Lebensunterhalt zu sichern:

    " Die Angst hatte ich auf jeden Fall. Es ist auch nicht so, dass ich vom einen auf den anderen Tag gekündigt hätte, sondern ich habe mich echt ein halbes Jahr ziemlich gekämpft. Zu Anfang so : Ja, okay ich mach's und dann wieder Bedenken bekommen, bis ich dann irgendwann - auch, weil es grad in der Arbeit so ein paar Konflikte gab, die mich genervt haben - gesagt: Okay, ich riskiere es."

    Seitdem ist die Altonaer Wohnung sein Büro. Auf einem großen Schreibtisch im Wohn- und Arbeitzimmer thront unter einem Che Guevara-Plakat das wichtigste Arbeitsgerät: ein edler, silberfarbener Rechner der Marke Apple Mit seiner Hilfe programmiert er neue Seiten und aktualisiert das umfangreiches Serviceangebot von "Studis online". Mehrere hundert Rubriken von A, wie Antrag auf Bafög, bis Z, wie Zulassungsstelle erfordern ständige Pflege:

    " Der Service-Charakter ist wichtig, damit die Leute überhaupt auf der Seite bleiben und vielleicht auch wiederkommen, weil sie sehen, dass da wirklich vernünftige Informationen stehen. Mir persönlich ist aber auch grad das Politische wichtig, so ein bisschen auch Hintergrundinformationen liefern, zu Bafög, zu Studienfinanzierung, zu Studiengebühren, aber auch Bachelor/Master, die Umstellung, was für Schwierigkeiten da auftreten, was die Politik da so verkauft, was die Vorteile sind, die zum Teil stimmen, aber zum Teil gibt es halt immer so kleine Knackpunkte, die dann gern ausgeblendet werden. Und da mühe ich mich, die auch aufzuzeigen."

    Mit mehr als 100 Internetseiten ist sein Portal eines der umfangreichsten im Netz. Allein in den Foren haben sich rund 75.000 Beiträge angesammelt, schätzt Jost. Ein echter Renner ist auch der selbst programmierte Bafög-Rechner, erklärt er stolz. Studierende erfahren dort nach wenigen Eingaben, wie viel Bafög ihnen zusteht. Finanziert wird das Internetangebot hauptsächlich durch Werbebanner. Iosts Kunden wissen: die Besucherzahlen sind enorm.

    " Im Monat gibt es 1,2 Millionen Seitenaufrufe mit steigender Tendenz. Also im September, das ist immer der traditionell stärkste Monat, da werden es dann 1,8 oder 2 Millionen sein. Und wie viel einzelne Leute das sind, kann man auch wiederum nur schwierig ermitteln - dürften so 20.000 bis 40.000 sein im Monat."

    Tendenz steigend - auch nach mehr als sechs Jahren. Oliver Jost ist mittlerweile ist 33, doch mit seiner Pilzkopffrisur geht er in Hamburgs Mensen immer noch locker als Student durch. Hört sein Traum-Job denn niemals auf?

    " Ich lass das einfach offen. So lange es gut läuft. Ich meine, es wäre jetzt vermessen zu sagen, das mache ich noch in 30 Jahren, weil dann bin ich ja vielleicht wirklich ein bisschen alt, aber vielleicht ja."