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Stunde der Gartenvögel
Die Sieger stehen fest

Haussperling, Amsel und Kohlmeise gehören zu den Siegern der Vogelzähl-Aktion "Stunde der Gartenvögel". Weil sie in der freien Natur keine Nistplätze mehr fänden, hätten diese Arten Gärten und Parks als Lebensraum für sich erobert, erklärte Lars Lachmann vom NABU im DLF. Mauersegler und Mehlschwalbe hingegen gehören für ihn zu den "Sorgenkindern".

Lars Lachmann im Gespräch mit Georg Ehring | 11.05.2015
    Ein Sperlingsweibchen fliegt einen Nistkasten aus Holzbeton an, es hält Nistmaterial im Schnabel.
    Sperlinge werden in den Städten selten. Auch sie können mit Nistkästen in der Brutzeit unterstützt werden. (dpa / Wolfgang Kumm)
    Georg Ehring: Naturfreunde sind meist lieber im Garten. Die Tabelle ist eher etwas für Sportler beziehungsweise für Menschen, die gern Sportlern zuschauen. Aber heute haben auch Naturfreunde einen Grund, sich die Tabelle anzuschauen, und zwar eine ganz spezielle: Der Naturschutzbund rief am vergangenen Wochenende zur Stunde der Gartenvögel auf. Es ging darum, eine Stunde lang alle Vögel zu notieren, die im Garten auftauchten beziehungsweise von dort zu sehen waren, und das Ergebnis zu melden.
    Die Aktion soll einen Überblick verschaffen über die Entwicklung der einzelnen Arten und der Vögel insgesamt, und diesen Überblick hat Lars Lachmann, beim NABU für Vogelschutz zuständig. Guten Tag, Herr Lachmann.
    Lars Lachmann: Guten Tag!
    Ehring: Herr Lachmann, welcher Vogel ist denn Tabellenführer und wer sind die wichtigsten Verfolger?
    Lachmann: Tabellenführer ist wie seit Beginn unserer Aktion der Haussperling, gefolgt von Amsel und Kohlmeise. Auch das hat sich seit 2005, seit wir die Stunde der Gartenvögel durchführen, nicht geändert. Allerdings gibt es dann auf den weiteren Rängen durchaus Verfolger, die Boden gut machen können, in diesem Jahr ganz besonders der Feldsperling, der kleinere Bruder vom Haussperling, der inzwischen auf Platz fünf geklettert ist. Er hat sonst immer so auf Platz zehn/zwölf gelegen.
    Ehring: Geht es den Spatzen also rundherum gut? Vor Jahren hieß es doch auch einmal, sie würden immer weniger.
    Lachmann: Ja. Sowohl Haussperling als auch Feldsperling waren Sorgenkinder des Naturschutzes, insbesondere der Feldsperling vor etwa zehn, 20 Jahren, der Haussperling dann ein bisschen später. Es sieht so aus, als hätten sich die beiden Arten auf einem etwas niedrigeren Niveau aber inzwischen gefangen.
    Beim Feldsperling beobachten wir seit Beginn unserer Aktion einen sehr interessanten Trend, dass der Feldsperling nämlich insgesamt deutschlandweit stabile Bestände hat, oder vielleicht sogar ein bisschen abnimmt, während er im Siedlungsraum, der ja durch unsere Stunde der Gartenvögel abgedeckt wird, zunimmt.
    Das kann man dadurch erklären, dass viele Feldsperlinge in der freien Feldflur nicht mehr zurechtkommen, da dort die Landwirtschaft immer intensiver wird, dass er aber bei uns in den Gärten und Parks sein Refugium findet und auch nutzt und damit ganz gut zurechtkommt.
    "Mauersegler und Mehlschwalbe werden immer seltener"
    Ehring: Um welche Vogelarten machen Sie sich denn Sorgen? Wer sind, um im Sportbild zu bleiben, die Abstiegskandidaten?
    Lachmann: Wir machen uns Sorgen um einen unserer bekanntesten und beliebtesten Gartenvögel, nämlich die Amsel. Die hat durch die Bank seit 2005 immer ganz leicht abgenommen, sodass man es kaum merken kann. Das heißt, wenn man so eine Aktion wie unsere nicht durchführen würde, hätten wir das nicht gemerkt. Aber wir hatten bis letztes Jahr im Endeffekt über zehn Jahre sogar 40 Prozent weniger Amseln. In diesem Jahr hat sich die Amsel anscheinend fangen können. Sie hat zwar nicht zugenommen, aber wir vermuten, dass sie in diesem Jahr nicht weiter abgenommen hat.
    Die zwei größten Sorgenkinder sind im Moment allerdings Mauersegler und Mehlschwalbe. Die haben in den letzten zehn Jahren um 70 Prozent abgenommen. Das sind Arten, die brüten an Gebäuden, und viele Gebäuderenovierungen lassen ihnen dort keinen Platz mehr zum Brüten. Noch dazu kommt, dass das Langstreckentiere sind, die in Afrika leben und auf fliegende Insekten angewiesen sind bei uns, die immer seltener werden.
    Ehring: Den Feldsperling, haben Sie gesagt, zieht es mehr und mehr auch in die Gärten und weg vom Feld. Wie gut ist denn der Lebensraum Garten für Vögel?
    Lachmann: Der Lebensraum Garten ist für sehr viele Vogelarten ein sehr guter Lebensraum. Es gibt da zwar auch ein paar Nachteile wie Glasscheiben, gegen die Vögel fliegen können. Es gibt immer mal wieder Autos, wo die Vögel unter die Räder kommen können, oder auch die Katzen, die dort stören. Aber grundsätzlich ist das ein reichhaltiger, nahrungsreicher Lebensraum.
    Es kommt natürlich darauf an, wie die Gärten gestaltet werden. Wir appellieren auf jeden Fall an alle unsere Teilnehmer und auch an die, die vielleicht noch nicht teilgenommen haben, ihre Gärten als ein kleines Naturschutzgebiet zu verstehen, so wie die Vögel das auch sehen und dort möglichst viel Vielfalt zuzulassen, möglichst viel Nahrung für die Vögel und möglichst viele Nistplätze zur Verfügung zu stellen. Dann kommen die Vögel auch und unsere Ergebnisse zeigen auch, dass im Vergleich zum Rest der Landschaft der Siedlungsraum, Gärten, Parks, Dörfer und Städte, immer wichtiger werden für die Vogelwelt.
    "Feldflur-Vögel sind unsere größten Sorgenkinder"
    Ehring: Das heißt, Äcker und Felder sind schlechter für Vögel?
    Lachmann: Ja. Leider sind die Vogelarten, die wirklich nur in der Feldflur vorkommen und sich nicht ein zweites Standbein im Siedlungsraum schaffen können, derzeit sehr stark auf dem absteigenden Ast und nehmen gewaltig ab.
    Insgesamt im Naturschutz sind das die größten Sorgenkinder, nicht die Vögel im Siedlungsraum. Das sind allerdings Vögel, die wir als Naturschützer, als Vogelschützer trotzdem sehr wichtig finden, denn das sind die Vögel, die wir tagtäglich um uns herum haben, die Vögel, die wir jeden Tag erleben und die wir am meisten mögen meistens.
    Ehring: Lars Lachmann, beim Naturschutzbund für Vogelschutz zuständig, war das zum Thema Stunde der Gartenvögel. Herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.