Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Sturmprognose
Unwettermodell für Europa soll Rückversicherer helfen

Meteorologie. - Stürme und Orkane können sehr kostspielig werden. So hat der Orkan Kyrill im Januar 2007 über drei Milliarden Euro an Schäden verursacht. Versicherungsunternehmen versuchen deshalb, das eigentlich Unberechenbare mithilfe eines hochaufgelösten Klimamodells zu berechnen und die Schadenswahrscheinlichkeit künftiger Stürme zu modellieren.

Von Franziska Konitzer | 24.04.2014
    Das Frachtschiff ukrainische "Vera Voloshyna" in Seenot.
    Ein Frachtschiff ist nach einem Sturm in Seenot geraten. (picture-alliance/ dpa / Ukrainian Ministry Emerge)
    Sturmschäden könnten teuer kommen. Um abzuschätzen wie teuer, verwenden Versicherungsunternehmen Katastrophenmodelle, die den Ernstfall simulieren. Klimamodelle sind ein Teil davon – deshalb hat die Universität Köln für die Rückversicherungsgesellschaft Aon Benfield ein Klimamodell erstellt, das Stürme am Computer nachstellt.
    "Man ist da natürlich relativ frei in der Wahl der Parameter, die ausgegeben werden sollen. Was uns natürlich hauptsächlich interessiert hat, war wiederum der Druck, Temperatur, Windgeschwindigkeiten, hauptsächlich am Erdboden aber auch eben in der Atmosphäre, um dann Prozessverständnis von einzelnen Stürmen zu erlangen."
    Patrick Ludwig arbeitet am Institut für Geophysik und Meteorologie der Universität Köln. Existierende globale Klimamodelle haben eine Ortsauflösung von mehreren hundert Kilometern. Ihr Raster ist zu grob, um Stürme in Europa genau berechnen zu können. Deshalb haben die Kölner Meteorologen den Kontinent in sieben Quadratkilometer große Stückchen unterteilt und die Daten aus den globalen Klimamodellen in ein viel feinmaschigeres regionales Klimamodell umgerechnet. Anhand von 250 historischen Stürmen konnte Patrick Ludwig anschließend testen, ob sein Computerprogramm diese korrekt wiedergibt. Das tat es. Doch um die Wahrscheinlichkeit für zukünftige Stürme zu berechnen, reichen 250 Stürme bei Weitem nicht aus.
    "Wenn Sie sich vorstellen, dass wir die 250 extremen Stürme simuliert haben für die letzten vierzig Jahre, kann man daraus sehen, dass man keine großen Wiederkehrperioden berechnen kann, weil einfach die Datengrundlage zu gering ist."
    Starke Orkane wie Kyrill aus dem Jahr 2007 sollten eigentlich nur alle 100 bis 200 Jahre über Europa hinwegfegen. Diese Zeitspanne decken die historischen Aufzeichnungen aber nicht ab. Um dennoch ausreichend Daten für ihre Analysen zu haben, griffen die Forscher zu einem Trick. Sie erzeugten 10.000 zusätzliche Stürme – im Rechner.
    "Wenn ich jetzt allerdings 10 000 synthetisch generierte Stürme habe, ist die Datengrundlage natürlich deutlich höher, und so kann ich natürlich auch viel höhere Wiederkehrperioden daraus bestimmen. Diese 10:000 Stürme setzen sich aus verschiedenen globalen Klimasimulationen für die Jetztzeit zusammen. Man hat verschiedene Klimaläufe genommen, sodass wir insgesamt auf eine Anzahl von 4000 simulierten Jahren kamen, was aber alles dem jetzigen Klima entspricht."
    Dank dieser zehntausend Was-wäre-wenn-Szenarien soll das feinmaschige Klimamodell auch berechnen können, wie häufig die seltenen Fälle, also besonders schwere Stürme, auftreten – denn die sind auch besonders teuer. Alexandros Georgiadis vom Rückversicherer Aon Benfield sagt, man habe das Klimamodell aus Köln inzwischen ins firmeneigene Katastrophenmodell für Windstürme eingebaut.
    "Ein Katastrophenmodell beruht normalerweise auf drei wichtigen Größen: der Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Ereignisses sowie einer Bestandsaufnahme der Bevölkerung, Ressourcen oder Gebäude, die von dem Ereignis prinzipiell betroffen wären. Und dann ist da noch der geschätzte Schaden, den die Bevölkerung, Ressourcen oder Gebäude durch das Ereignis erleiden könnten. Wir haben mit der Universität Köln zusammengearbeitet, um die erste Größe, also die Gefährdung durch heftige Stürme in Europa, genauer zu quantifizieren."
    Während die Rückversicherung genaue Informationen über die Kosten vergangener Stürme hat, verrät das Kölner Klimamodell, wie wahrscheinlich heftige Stürme in Zukunft sein werden.
    Georgiadis: "Das Katastrophenmodell berechnet die geschätzten Verluste historischer Ereignisse. Darüber hinaus kann es auch geschätzte Verluste hypothetischer zukünftiger Unwetter berechnen: Dafür benutzen wir diese simulierten, synthetischen Stürme, die Tausende von Jahren abdecken. Damit können die Versicherungsgesellschaften herausfinden, wie hoch das Schadenspotenzial verschieden starker Stürme ist und wie wahrscheinlich diese sind."
    Letztendlich möchte Aon Benfield mithilfe seines europäischen Windsturmmodells zukünftigen Stürmen ein Preisschild verpassen. Ob das gelingt und das Kölner Klimamodell richtig liegt, wird sich aber wohl erst zeigen, sobald im nächsten Winter die Sturmsaison beginnt.