Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Vor dem Autogipfel
VDA fordert Milliarden Investitionen für Elektromobilität

Etwa 10 bis 20 Milliarden Euro brauche die Autoindustrie vom Staat, um den Strukturwandel zur Elektromobilität zu schaffen, sagte Stefan Wolf vom Verband der Automobilindustrie im Dlf. Zudem müssten die Menschen bereit sein, ihren Anteil beizutragen, damit Deutschland Nummer eins im Bereich Automobil bleiben könne.

Stefan Wolf im Gespräch mit Christine Heuer | 15.01.2020
Zwei Elektroautos werden an einer Ladesäule geladen.
Die Autoindustrie fordert mehr Ladestationen für E-Autos. Aber sind E-Autos wirklich die Fahrzeuge der Zukunft? (dpa / ZB / Monika Skolimowska)
Christine Heuer: Die deutsche Automobilindustrie ist das Rückgrat unserer Wirtschaft und wären die Konzerne beim Strukturwandel hin zu alternativen Antrieben genauso forsch und konsequent gewesen wie beim Tricksen mit Diesel-Messdaten, dann müssten sich die Deutschen über ihren wichtigsten Industriezweig wohl keine Sorgen machen. Aber die Dinge liegen nun einmal anders. Beim Strukturwandel in der Automobilindustrie soll jetzt der Staat helfen, und das ist dann der zweite Gipfel heute im Kanzleramt zur Automobilindustrie.
Beim Strukturwandel zu klimafreundlichen Fahrzeugen drohen der Branche, den Herstellern, aber vor allem auch ihren Zulieferern nach einer neuen Studie bis zu 410.000 Arbeitsplätze verloren zu gehen. Wie kann man das verhindern? – Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut hat da eine Idee:
"Ich kann nur mahnen, jetzt Geld für den Strukturwandel zur Verfügung zu stellen, dass unsere Unternehmen dazu befähigt werden, auch diese Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Das heißt, wir bräuchten 40 oder 50 Milliarden* für Baden-Württemberg, für die Automobilbranche, auch für die anderen Automobilländer, damit wir insgesamt als Wirtschaft diese vierte industrielle Revolution auch erfolgreich gestalten können für unsere Region."
Heuer: Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin fordert so etwas wie Subventionen für den Umstieg auf die E-Mobilität. Auch das ein Thema heute beim Autogipfel im Kanzleramt und jetzt bei uns im Interview mit Stefan Wolf. Er ist Vorstandsvorsitzender beim Automobilzulieferer ElringKlinger in Baden-Württemberg, Chef von Südwest-Metall und Vorstandsmitglied im VDA, dem Verband der Deutschen Automobilindustrie. Guten Morgen, Herr Wolf.
Stefan Wolf: Guten Morgen.
Heuer: Brauchen Sie, braucht Ihr Unternehmen Geld vom Staat, damit Ihr Konzern überlebt?
Wolf: Wir haben uns schon sehr gut aufgestellt im Bereich Brennstoffzelle und Batterietechnologie. Aber da müssen wir natürlich weiter forschen und wenn da staatliche Gelder zur Verfügung gestellt werden und nicht nur in unserem Unternehmen, sondern in vielen anderen Zulieferunternehmen, ich glaube, dann schaffen wir den Strukturwandel.
Heuer: Und über welche Summen reden wir dann?
Wolf: Die Wirtschaftsministerin hier bei uns in Baden-Württemberg hat ja von 40 bis 50 Millionen gesprochen. Ich glaube, dass das bei weitem nicht ausreichend ist. Wir reden hier über Milliarden-Beträge. Ich glaube, die Bundesregierung muss sich darüber im Klaren werden, ob sie zu diesem wichtigen Industriezweig steht und ob sie den weiter unterstützen möchte und ob sie weiterhin auch will, dass wir Nummer eins bleiben in der Automobilindustrie.
Hunderte geparkte Autos stehen auf einem Autoterminal in Bremerhaven
Strukturwandel in der Automobilindustrie
Autohersteller wie Daimler, VW und Audi wollen hin zum Elektromotor. Dieser Wandel ist den Herstellern zufolge nur mit Sparprogrammen und weniger Personal finanzierbar. Die IG Metall stellt sich quer.
Heuer: Wie viele Milliarden hätten Sie gerne vom Bund?
Wolf: Ich denke, wir reden da schon über einen zweistelligen Milliarden-Betrag, den wir brauchen in der Summe in der Zuliefer- und in der Automobilindustrie.
Heuer: 99 Milliarden?
Wolf: Ich glaube nicht, dass es so viel ist, aber wir reden schon über, ich denke, 10 bis 20 Milliarden.
Heuer: Für die gesamte Automobilindustrie, nicht nur für die in Baden-Württemberg?
Wolf: Und die Zulieferindustrie, genau.
"Hauptgegner in diesem Punkt ist natürlich China"
Heuer: Und die Zulieferer. Okay! – Herr Wolf, warum soll der Steuerzahler eigentlich bezahlen, dass die Automobilindustrie den Strukturwandel zum E-Auto hin verschlafen hat?
Wolf: Wir haben den Wandel nicht verschlafen. Es gibt viele gute technische Lösungen bei uns, nicht nur in Baden-Württemberg, in ganz Deutschland in der Fahrzeug- und Zulieferindustrie. Aber wir müssen jetzt schnell diese Themen ausbauen, diese technischen Lösungen, die wir haben, weiter voranbringen, denn unser Hauptgegner in diesem Punkt ist natürlich China. Die haben auch eine sehr gute Automobil- und Zulieferindustrie und der chinesische Staat, der investiert kräftig, um China zur Nummer eins zu machen in der Automobilindustrie, und dagegen müssen wir ankämpfen.
Heuer: Ja! Und in China machen die das auch schon ein bisschen länger und nachhaltiger als in Deutschland. Also noch einmal: Die deutsche Autoindustrie hat zumindest sehr, sehr lange abgewartet, bevor sie den Strukturwandel ernsthaft ins Auge gefasst hat.
Wolf: Gut. Selbst wenn es so wäre, wir müssen doch nach vorne schauen, und wenn wir nach vorne schauen, bedeutet das, dass wir jetzt so schnell wie möglich neue technische Lösungen, die wir haben, weiterentwickeln müssen, dass sie auch serienreif werden. Dazu gehört aber natürlich auch ein ganzheitliches Konzept. Wenn Sie nur gute Elektrofahrzeuge haben, reicht das nicht aus. Wir brauchen eine Ladeinfrastruktur. Wir brauchen entsprechend regenerative Energien, die ausgebaut werden, die wir dann auch nutzen können für Elektrofahrzeuge. Dieses ganzheitliche Konzept, das gilt es jetzt auszubauen, das gilt es jetzt in Deutschland voranzubringen, und ich glaube, das ist der wichtigste Punkt auf der Agenda der Bundesregierung.
"Es gibt noch keine Ladeinfrastruktur"
Heuer: Bei der Ladeinfrastruktur würde der Bund wahrscheinlich auch sagen, da müssen wir uns mit engagieren, das ist keine Frage. Aber ansonsten regelt doch in der Marktwirtschaft Angebot und Nachfrage, wie die Wirtschaft funktioniert, wie erfolgreich Ihre Branche ist. Warum muss der Steuerzahler da immer eingreifen?
Wolf: Na ja, wir haben da ein bisschen das Realproblem, ehrlich gesagt. Es gute Elektrofahrzeuge bei uns in Deutschland, aber noch keine Ladeinfrastruktur, und wenn es eine Ladeinfrastruktur gäbe, dann würden die Fahrzeuge gekauft. Sie werden aber gerade nicht gekauft, weil es keine Ladeinfrastruktur gibt, und da muss ich dann als Bundesregierung mir schon überlegen, möchte ich diese Technologien voranbringen, und dann muss ich die Voraussetzungen schaffen, dass die Fahrzeuge auch gekauft werden.
Heuer: Dafür alleine sollen diese vielen Milliarden Euro vom Steuerzahler ausgegeben werden?
Wolf: Das ist sicherlich ein Teil, der darauf entfällt, aber nicht alles.
"Da müssen die Menschen auch bereit sein, ihren Anteil zu bringen"
Heuer: Wofür noch?
Wolf: Wir brauchen natürlich eine Förderung unserer technischen Konzepte, die wir haben. Dazu gehört zum Beispiel vor allem auch der Wasserstoffbereich. Brennstoffzellenfahrzeuge sind sicherlich langfristig die besseren als batterieelektrische. Da müssen wir noch was tun, auch für die Infrastruktur, dass wir Tankstellen entsprechend ausrüsten mit Zapfsäulen für Wasserstoff. Da gibt es eine Vielzahl von Themen, die angepackt werden müssen. Die Konzepte gibt es und da müssen wir jetzt investieren als Wirtschaft, da muss der Bund investieren, aber da müssen die Menschen in Deutschland auch bereit sein, ihren Anteil zu bringen, um diesen wichtigen Wirtschaftszweig weiterhin als Nummer eins bei uns betreiben zu können.
"Wir als Deutschland wollen Nummer eins bleiben"
Heuer: Die Menschen in Deutschland, die sehen, dass die deutsche Automobilindustrie nicht in der Lage ist, ausreichend und halbwegs bezahlbare E-Autos zu liefern. Die sehen, dass die Hersteller sich im Dieselskandal verstrickt haben und immer wieder neue Lügen offenbar werden. Und jetzt sagen Sie denen, aber jetzt müsst ihr euch bei uns am Strukturwandel finanziell beteiligen. Finden Sie nicht, sie muten Ihren Kunden ziemlich viel zu, Herr Wolf?
Wolf: Das finde ich nicht. Ich glaube, dass wir jetzt ganzheitliche Konzepte anpacken müssen, und da ist jeder hier bei uns im Boot. Da gehört auch dazu, dass sich jeder entsprechend beteiligt und wir diesen Strukturwandel schaffen, weil die Folge ist ja sonst, dass wir Arbeitsplätze verlieren, dass wir Schwierigkeiten bekommen in diesem wichtigen Bereich, der ja auch trägt durch Steuerzahlungen, der einfach volkswirtschaftlich auch wichtig ist. Und ich glaube, da gehört es jetzt dazu, zusammenzustehen und einfach mal zu sagen, wir schauen nach vorne und wir als Deutschland wollen Nummer eins bleiben im Bereich Automobil.
Heuer: Nun haben aber viele Kunden den Eindruck, sie müssen immer zur Autoindustrie stehen und umgekehrt steht die Autoindustrie nicht so richtig zu ihnen und betrügt sie auch mitunter ziemlich schamlos.
Wolf: Dass Fehler in der Vergangenheit gemacht worden sind, das ist keine Frage. Da muss man auch dazu stehen. Aber es bringt nichts, immer in die Vergangenheit zu schauen, sondern wichtig ist, dass wir nach vorne schauen und dass wir den Automobilstandort Deutschland als Nummer eins erhalten und unsere technischen Lösungen, die wir haben, gute technische Lösungen, jetzt so verfeinern und so weiterentwickeln, dass wir dann auch in großen Stückzahlen Elektrofahrzeuge anbieten können zu vernünftigen Preisen. Und ich sage es noch mal: Ganz wichtig ist hier die Infrastruktur. Das ist für mich die Nummer eins auf der Agenda. Denn wenn wir eine vernünftige Ladeinfrastruktur haben, natürlich mit regenerativen Energien, weil sonst haben wir nichts erreicht, dann werden die Fahrzeuge auch gekauft werden.
[*] Die Ministerin hat sich nach eigener Aussage versprochen in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk vom 19.12.19, indem sie Millionen gesagt habe. Es gehe um Milliarden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.