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Stuttgart-21-Gegner erwarten Kostenexplosion

Die Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 halten wegen der möglichen Kostenexplosion ein schnelles Ende des Baus für deutlich günstiger als einen Weiterbau. Die Ausstiegskosten würden bei 300 bis 400 Millionen Euro liegen, sagte der Sprecher des Aktionsbündnisses, Eisenhart von Loeper.

Von André Zantow | 10.12.2012
    Matthias von Hermann ist einer der Parkschützer in Stuttgart. Sie haben sich gegen den Tiefbahnhof eingesetzt, damit Bäume stehen bleiben. Ihr Kampf schien vorbei - nachdem sich im Volks-Entscheid vor einem Jahr eine Mehrheit für Stuttgart21 ausgesprochen hatte.

    Nun geht es wieder los.

    "Der Kostendeckel von Stuttgart21 ist inzwischen gesprengt. Das ist klar geworden und jetzt auch offiziell auf dem Tisch. Das bedeutet, dass sowohl die Bundesregierung als auch die Bahn jetzt endlich zugeben müssen, dass sie Stuttgart 21 nicht bauen können. Dass es sowohl finanziell, wie auch technisch nicht machbar ist."

    Der Kostendeckel für den unterirdischen Bahnhof liegt bei 4,5 Milliarden Euro. Seit vergangener Woche zitieren verschiedene Medien Bahn-Kreise und beziffern die Gesamtkosten auf 5,3 bis 6 Milliarden Euro.

    Diese Mehrkosten könnten zu Lasten des Schienen-Ausbaus gehen, befürchtet Michael Ziesak - Vorsitzender des ökologischen Verkehrsclubs – VCD.

    "Überall fehlt das Geld. Überall werden Projekte gestreckt. Selbst bei dem zentralsten europäischen Güterverkehrskorridor Karlsruhe-Basel. Da ist die Schweiz vorangehend, 2016 wird der Gotthard-Basistunnel fertig gestellt. Es gibt einen Staatsvertrag mit Deutschland, dass diese Strecke dann auch fertig ist. Bisher sind gerade mal 30 Prozent fertig gestellt. Die Mittel für Karlsruhe-Basel wurden massiv zurück gefahren, während man sie gleichzeitig für Stuttgart21 erhöht hat."

    Weitere überlastete Strecken, die ausgebaut werden müssten, sind für Michael Ziesak: Frankfurt–Mannheim, Frankfurt-Fulda und die Verkehrsknotenpunkte Köln und Hamburg. Und ganz wichtig seien auch die deutschen Seehäfen an der Nordsee.

    Wenn hier nicht neue Bahn-Anbindungen gebaut würden, bleibe zuviel Güterverkehr auf der Straße. Und das gefährde die Klimaschutz-Ziele, meint Werner Reh – vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Schließlich wolle die Bundesregierung den Energieverbrauch im Verkehr von 2005 bis 2020 um zehn Prozent senken.

    "Derzeit tragen die Schieneninvestitionen praktisch nichts zum Klimaschutz bei. Das muss geändert werden. Durch Projekte wie Verlagerung von Containerverkehr vom LKW auf die Schiene könnte man fünf Millionen Tonnen CO2 zum Beispiel einsparen. Das wird dringend gebraucht. Sonst ist man außerhalb jeglicher Erreichbarkeit des zwei Grad Ziels durch verkehrspolitische Maßnahmen."

    Werner Reh fordert eine Verdoppelung des Güterverkehrs auf der Schiene. Das gehe aber nur, wenn der Tiefbahnhof in Stuttgart nicht gebaut werde. Der sei zu teuer. Gerade jetzt. Der Verkehrsexperte des BUND verweist auf den Bundesverkehrswegeplan. Der soll 2015 verabschiedet werden und bestimmt für die nächsten zehn Jahre den Ausbau von Schiene und Straße. Bis Ende März können Projekte eingebracht werden.

    "Hier muss alles auf den Prüfstand, auch im Bau befindliche Projekte. Und es müssen neue und andere, viel kosteneffizientere Projekte nach vorne gezogen werden und durchfinanziert werden."

    Etwa 1,2 Milliarden Euro investieren Bund und Bahn jedes Jahr in den Ausbau des deutschen Schienennetzes.

    Allein der Tiefbahnhof in Stuttgart könnte nun 1,5 Milliarden Euro mehr kosten. Dadurch hätte die Bahn weniger Geld für andere Vorhaben. Denn die Mehrkosten muss sie wohl allein tragen.

    Die Bundesregierung, das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart haben jeweils erklärt, keine weiteren Gelder zur Verfügung zu stellen.

    Deshalb könnte dem Tiefbahnhof nun doch das Aus drohen. Wobei die Bahn bisher erklärt hat, ein Ausstieg wäre noch teurer als die Mehrkosten. Wie hoch die genau sind, erklärt der Bahnvorstand am Mittwoch.