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Stuttgart 21: Zweifelhafte Meldung über bestandenen Stresstest im Umlauf

Der im Bau befindliche Bahnhof "Stuttgart 21" musste sich einem Stresstest unterziehen. Offenbar aus dem Umfeld der Deutschen Bahn kamen nun Informationen an die Öffentlichkeit, wonach jener Test erfolgreich beendet worden ist. Wolfgang Drexler, Vizepräsident des Landtags in Baden-Württemberg, wartet jedoch auf Offizielles aus dem Gutachterbüro.

Wolfgang Drexler im Gespräch mit Gerwald Herter | 27.06.2011
    Gerwald Herter: Zum 80. Mal werden sie heute Abend wieder demonstrieren, die Gegner von Stuttgart 21. Nach der Vermittlung durch den CDU-Politiker Geißler hatten sich einige von ihnen mit der Bahn und der Landesregierung auf einen sogenannten Stresstest geeinigt. Es geht darum herauszufinden, ob der milliardenschwere Umbau des Hauptbahnhofs tatsächlich Vorteile bringt. Offenbar aus dem Umfeld der Bahn kamen gestern Informationen an die Öffentlichkeit, wonach der Stresstest erfolgreich beendet worden ist. Vertreter der grün-roten Landesregierung wollen daran nicht glauben, zumindest die Grünen. In Stuttgart bin ich jetzt mit Wolfgang Drexler verbunden. Er gehört der SPD an, ist Mitglied und Vizepräsident des Landtags von Baden-Württemberg. Wolfgang Drexler war Sprecher des Kommunikationsbüros Stuttgart 21 und ist mit diesem Verkehrsprojekt deshalb bestens vertraut. Guten Tag, Herr Drexler.

    Wolfgang Drexler: Guten Tag.

    Herter: Herr Drexler, der Stresstest scheint bestanden. Die SPD will Stuttgart 21. Fühlen Sie sich jetzt bestätigt?

    Drexler: Also wir waren zwar an der Schlichtung nicht beteiligt, wir haben allerdings alles das, was die Schlichtung beschlossen hat, auch akzeptiert, und zu dieser Schlichtungsakzeptanz gehört auch, dass wir uns darauf verständigt haben, die SPD, dass wir abwarten, was SMA, dieses Gutachterbüro aus Zürich, als Gutachter zu diesem, jetzt von der Bahn eingeleiteten Stresstest sagt, und danach werden wir uns richten. Und nachdem SMA bisher uns noch kein Gutachten zugespielt hat, kann ich jetzt diese Nachrichten zwar zur Kenntnis nehmen, aber darauf werde ich mich bisher nicht stützen.

    Herter: Sie warten die offizielle Vorstellung ab. Worauf führen Sie es zurück, dass diese Informationen offenbar aus dem Umfeld der Bahn – so ist es in Nachrichtenagenturen und Zeitungen zu lesen – am Wochenende an die Öffentlichkeit gelangt sind?

    Drexler: Gut, ich muss sagen, das ist bei diesem Projekt ja öfters der Fall. In der Vergangenheit wurden immer wieder aus Kreisen der Bahn Informationen an die Öffentlichkeit gegeben, oft negative, die dann sehr stark von den Gegnern aufgegriffen worden sind. Insofern glaube ich auch nicht, dass es die Bahn selber war, sondern dass da wieder jemand, der sich wichtig machen wollte, Informationen gespielt hat, und deswegen werde ich auf solche Informationen – das habe ich früher schon nicht gemacht – nicht antworten, sondern ich sage, für die SPD-Fraktion gilt, SMA wird abgewartet und was SMA sagt, ist für uns dann auch gültig.

    Herter: Und was bei der Volksabstimmung herauskommt, wird für Sie auch eine große Rolle spielen, oder?

    Drexler: Ja, natürlich! Wir gehen auch davon aus, dass wir jetzt parallel natürlich dieses Ausstiegsgesetz der Regierung vorbereiten müssen, und bisher nach dem Zeitplan soll das dann Ende Juli in den Landtag kommen. Da wird allerdings ja, ich sage mal, nur über die Frage der finanziellen Beteiligung des Landes an dem Projekt Stuttgart 21 abgestimmt, ob das Land sich weiter beteiligen soll, oder ob das Land aussteigen soll, wenn es geht, und dann Schadensersatz zahlen soll. Das ist die Entscheidung, die wir der Bevölkerung vorlegen, nachdem der Landtag, so wie es jetzt aussieht, den Ausstieg natürlich überwiegend ablehnt.

    Herter: Sie sind Juniorpartner in dieser Koalition, das muss man noch mal in Erinnerung rufen. Glauben Sie, dass Ihr politischer Seniorpartner die Glaubwürdigkeit der Grünen stärken wird, wenn die Bahn weiterbaut?

    Drexler: Jetzt muss ich sagen, wir haben einen Koalitionsvertrag, und in dem Koalitionsvertrag ist alles genau festgelegt. Da steht die Volksabstimmung drin, da steht auch die Volksabstimmung nach Artikel 60 der Landesverfassung drin. Die Bahn kann ja auch nach dem Schlichterspruch weiterbauen, Dinge, die sie wieder zurückbauen könnte, also das Grundwasser-Management, was die Bahn zurzeit macht, und generell hat die Bahn Baurecht. Das ist bisher auch nicht eingeschränkt worden. Insofern ist die Bahn im Recht. Die Frage ist, ob die Bahn dann gewisse Zugeständnisse an die Landesregierung macht. Das muss man dann nach dem Stresstest mit der Bahn wiederum verhandeln.

    Herter: Das ist die rechtliche Seite. Aber politisch – das können Sie sicher nachvollziehen – besteht da doch ein Riesenwiderspruch zwischen dem Programm der Grünen, den Ankündigungen der Grünen, der Haltung der Grünen zumindest, und dem, was sie jetzt machen müssen.

    Drexler: Gut, das ist sicherlich so. Aber darauf haben sich auch beide Partner geeinigt. Die SPD hätte, wenn Stuttgart 21 nicht kommt, natürlich auch den Abbruch dieses großen Projekts mitvertreten müssen, auch mit ihren führenden Köpfen, und genau das gleiche, haben wir gesagt, müssen die Grünen in einer Koalition, wenn es anders herum ist. Und jetzt wie gesagt muss man abwarten, was SMA sagt, und dann muss man sich auch danach halten, und ich glaube, dass die Grünen – das hat Winfried Kretschmann oft gesagt – sich dann auch rechtlich an diese Situation, die ich gerade beschrieben habe, halten werden. Dass das schwierig ist für jeden der beiden Partner, war uns auch in den Koalitionsverhandlungen klar.

    Herter: Das konnten Sie bereits absehen, dass Sie Polizeieinsätze anordnen müssen, um den Weiterbau zu garantieren, obwohl die Grünen das gar nicht wollen?

    Drexler: Ja, das ist richtig. Aber ich sage anders herum noch mal: Wenn das Projekt eingestellt werden würde, müsste das die SPD "Ja zu Stuttgart 21" und Volksabstimmung verändern. Von daher gesehen sind beide Partner zu dieser Übereinkunft gekommen und das, auf was man sich dann geeinigt hat, war: Stresstest abwarten und dann Volksabstimmung. Und ich gehe mal davon aus, dass wir das auch einhalten werden, und nach der Volksabstimmung wird man dann sehen, ob sich das Land weiter finanziell beteiligt, oder Schadensersatz zahlt und aussteigt.

    Herter: Der Grünen-Verkehrsminister Hermann hat heute Morgen im Deutschlandfunk nicht ganz so gelassen reagiert wie Sie. Er spricht von einem Faulspiel der Bahn. Was halten Sie von dieser Bewertung?

    Drexler: Ja. Ich kann lediglich das nachvollziehen, was in der Presse steht, und da steht, "aus Kreisen der Bahn". Das sind immer diese Informationen, die seit Monaten oder teilweise schon jahrelang aus der Bahn kommen, die die Bahn teilweise dann richtigstellt. Es war nach meiner Meinung, bisher weiß ich das so, keine offizielle Mitteilung der Bahn, sondern wiederum wird der Öffentlichkeit etwas zugeführt aus Kreisen der Bahn. Das haben wir schon öfters gehabt. Ich würde jetzt nicht von einem Faulspiel reden, wenn man nicht nachweisen kann, dass die Bahn das selber gespielt hat. Wenn das so wäre, hätte die Bahn tatsächlich Faul gespielt. Ich gehe immer noch davon aus, dass das so die Informanten sind, die üblicherweise bei diesem Stuttgart 21-Projekt die Öffentlichkeit informieren. Viele andere Dinge sind so auch in die Öffentlichkeit gekommen. Insofern würde ich auch zur Gelassenheit raten, denn wir müssen alle, ob man nun dafür ist oder nicht, mit der Bahn natürlich weiterhin viele Verkehrsprojekte machen, und da kann man auch gegen ein Projekt sein, aber man muss dann fair miteinander umgehen.

    Herter: Was will jemand erreichen, der auf diese Weise Informationen an die Öffentlichkeit bringt?

    Drexler: Ja gut! Wenn sie negativ sind, will er das Projekt im Grunde genommen in Misskredit bringen. So hatten wir ja viele der Informationen. Jetzt haben wir eine Information, die offensichtlich das Projekt befördern soll, also auch einen Informationsgeber, der der Auffassung ist, er will jetzt sehr schnell sagen, dass das gut läuft mit dem Stresstest. Aber wie gesagt, bei uns, in der SPD-Fraktion, wird er da jetzt nicht sofort auf offene Ohren stoßen, sondern wir nehmen das einfach mal zur Kenntnis, warten ab, was SMA uns sagt. Das wäre das Gutachterbüro, auf das wir uns verlassen haben, denn so ein Stresstest ist ein hoch komplizierter Vorgang und da geht es auch nicht um glauben oder nicht glauben, sondern da geht es um hoch komplexe technische Vorgänge, und das muss dann ein so qualifiziertes Gutachterbüro oder das qualifizierteste Gutachterbüro, das wir in Europa haben, uns erläutern und auch sagen, ob es richtig ist, oder ob irgendwo Fehler in diesem System eingearbeitet sind. Darauf warten wir dann.

    Herter: Das war der Vizepräsident des Landtags von Baden-Württemberg, Wolfgang Drexler (SPD), über Stuttgart 21. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Drexler.

    Drexler: Bitte!

    Link

    Interview mit Winfried Hermann, Baden-Württembergs Verkehrsminister