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Subventionen gegen die Kreditklemme?

Der Wirtschafts-Experte Christoph Schalast rät im Falle einer Kreditklemme seitens der Banken zu staatlichen Beihilfen. Der Staat könne den Unternehmen Kredite gewähren, die nach normalen Kriterien nicht kreditfähig seien. Änderungen der Eigenkapitalregeln bei den Banken erteilte Schalast eine Absage.

Christoph Schalast im Gespräch mit Gerd Breker | 07.07.2009
    Gerd Breker: Wir erinnern uns: Es begann mit der Immobilienkrise. Um diese dann zu vertuschen, jonglierten die Stars der Finanzmärkte uns in die Finanzkrise, aus der dann irgendwie zwangsläufig die Krise der realen Wirtschaft wurde. Der Kapitalismus hat sich selbst an den Rand des Abgrunds geführt und brauchte und braucht weiterhin die Hilfe des Staates. Unter dem Schock des Zusammenbruchs von Lehman Brothers wurden die Banken gerettet, nun gilt die Aufmerksamkeit vor allem der realen Wirtschaft. Aber um zu verhindern, dass sich wiederholt, was die Investmentbanker angerichtet haben, wurde der Ruf nach Regeln für die Finanzmärkte immer lauter. Inzwischen sind die Rufe zwar nicht mehr ganz so laut und ganz so einhellig, doch Regeln gibt es immer noch nicht. Dagegen gibt es eine Kreditklemme. Die Finanzminister in Brüssel, sie arbeiten daran und beraten. Am Telefon bin ich nun verbunden mit Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management. Guten Tag, Herr Schalast.

    Christoph Schalast: Guten Tag.

    Breker: Herr Schalast, man kann den Beitrag des Kollegen Finthammer in Brüssel zusammenfassen: Über Regeln für die Finanzmärkte wird viel geredet, aber geschehen tut nix.

    Schalast: Na ja, so schnell geht das ja auch nicht. Sie haben hier drei verschiedene Regelungsebenen: auf der einen Seite die Europäische Union, die sich ja eigentlich gegen eine Regulierung entschieden hat, aber jetzt doch damit angefangen hat, wir haben die G20, die internationale Gemeinschaft, die eigentlich gar kein Recht setzen kann, und wir haben die nationale Gesetzgebung und das muss koordiniert werden. Ich glaube, da ist eine ganze Menge in Gang gekommen, vor allem auch nach dem Treffen in London und jetzt dem EU-Finanzministertreffen; wir müssen aber noch etwas warten.

    Breker: Brauchen wir denn wirklich diese Regeln, denn sie müssten ja - das kommt ja immer mehr heraus und ist deutlich - weltweit gelten?

    Schalast: Ja, das ist die echte Herausforderung, aber auf der einen Seite haben wir eben jetzt gesehen, dass man weltweit reagieren kann, ohne dass es einen entsprechenden Rahmen dafür gibt. Das heißt, das ist auch der entscheidende Unterschied zur großen Finanzkrise 1929/30, dass die Staaten nicht koordiniert reagiert haben, dass sie eben nicht sich abgeschottet haben, und jetzt müssen wir schauen, ob wir diese Reaktion weiter institutionalisieren können und dafür auch einen verbindlichen Rahmen schaffen können.

    Breker: Ist das die sogenannte Finanzarchitektur, dieses schöne Wort? Ist es das, was man sich darunter vorstellen muss?

    Schalast: Na ja, es muss darum gehen, dass man wirklich sich hier auf verbindliche Regeln letztendlich einigt, und was das bedeutet, wenn man es nicht tut, sieht man ja an Basel II. Hier haben die USA mitverhandelt, haben es aber nicht umgesetzt, und deswegen wird jetzt wieder Wettbewerbsverzerrung gerufen.

    Breker: Ist denn das, was Finanzminister Peer Steinbrück angesprochen hat, die Eigenkapitalabsicherung, das eigentliche Problem, die eigentliche Ursache für die Kreditklemme?

    Schalast: Na ja, erst mal setzt Ihre Frage voraus, dass es eine Kreditklemme gibt. Das ist ja im Augenblick eine gefühlte Kreditklemme, die wir haben; sie ist in keiner Form nachweisbar. Alle haben Angst, dass sie dann vielleicht im zweiten Halbjahr 2009 kommt, und so ein bisschen ist das ja auch die sich selbst erfüllende Prophezeiung. Ich denke nicht, dass man bei den Eigenkapitalregeln jetzt reagieren sollte, weil genau das wurde ja geschaffen, um eine solche Krise zu verhindern, und im Grunde versuchen im Augenblick alle, eine Krise mit Mitteln zu beseitigen, die zu ihr geführt haben, und das halte ich für sehr problematisch.

    Breker: Wie sollten sie vorgehen?

    Schalast: Man müsste sich, glaube ich, hier überlegen, gibt es überhaupt eine Kreditklemme, und wenn es sie gibt, dann muss sie eben durch Staatliche Maßnahmen, die dann klassische Beihilfen sind, bekämpft warden. Das ist ein weiteres Konjunkturprogramm, da soll man nicht die Banken dafür in Haftung nehmen, sondern man sollte sagen okay, das ist Staatliche Konjunkturpolitik, das ist Keynes in Reinkultur, und dann sollte der Staat selbst diese Kredite vergeben.

    Breker: Und diese Beihilfen, das sind auf Deutsch gesagt Subventionen?

    Schalast: Ja, Beihilfen oder es sind Subventionen. Die müssten von der EU genehmigt warden. Ich glaube aber, angesichts der einmaligen Krise zurzeit dürfte die Genehmigung nicht das große Problem sein.

    Breker: Aber, Herr Schalast, erklären Sie uns das mal. Wie muss man sich das vorstellen? Die Zentralbanken eigentlich überall auf der Welt, in Europa, in Amerika, sie überschwemmen die Banken mit Geld. Die Geldmenge ist riesig, die es gibt. Was machen die Banken mit dem Geld?

    Schalast: Zum einen haben wir das Problem, dass dieses Geld ja nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. Das Geld, gerade diese 400 und noch was Milliarden, die gerade, wie Sie gesagt haben, hereingeschwemmt wurden von der EZB, die stehen ein Jahr zur Verfügung. Genau das aber war eine Ursachen der Krise, dass sich Banken für langfristige Verbindlichkeiten - Unternehmenskredite sind üblicherweise langfristigere Kredite, fünf Jahre, zehn Jahre und so weiter - kurzfristig refinanziert haben. Daran ist die Depfa und damit auch die Hypo Real Estate zugrunde gegangen. Ich denke, man sollte da auch den Bankern nicht zu sehr ins Handwerk reden. Die überschauen das schon und wenn man hier mit Beihilfen operieren will, dann muss der Staat eben auch die Verantwortung übernehmen.

    Breker: Und derweil spekulieren die Banken mit dem Geld, was man ihnen für ein Jahr zur Verfügung gestellt hat.

    Schalast: Dieses Geld wird ja bewusst Banken für die Liquiditätssteuerung zur Verfügung gestellt. Wenn es eben nur ein Jahr zur Verfügung gestellt wird, dann müssen die Banken schauen, dass sie Geschäfte tätigen, die maximal ein Jahr letztendlich an Laufzeit haben, ansonsten würden sie unverantwortlich handeln. Also man muss sich einfach überlegen, ob auch dann dieses Zur-Verfügung-Stellen der Liquidität das richtige Mittel ist, um eine ich sage jetzt mal Kreditklemme, wenn sie dann kommt, zu beseitigen. Ich glaube, das ist das falsche Mittel, mit dem man das angeht.

    Breker: Sondern was sollte man tun?

    Schalast: Man sollte, wenn man diese Befürchtung hat, Staatliche Kreditprogramme auflegen - das Konzept gab es ja immer schon mal - und dann hat man eine klare Antwort.

    Breker: Diese staatlichen Kredite, Herr Schalast, von denen Sie da sprechen, ist das die Drohung, die dahinter steckt, wenn Peer Steinbrück den Banken sagt, entweder ihr gebt Kredite, oder wir greifen ein?

    Schalast: Das ist zumindest ein denkbares Instrument, nur ich kann den Begriff Drohung nicht wirklich verstehen. Was ist daran eine Bedrohung? Der Staat wird solchen Unternehmen Kredite geben, die von den Banken keine bekommen, das ist für ihn ein ganz erhebliches Risiko, er wird das dann auch entsprechend einpreisen müssen, aber er versorgt diese Unternehmen, die nach normalen Kriterien nicht kreditfähig sind, mit Liquidität und das macht er eben aus gemeinwohlorientierten Gründen und nicht aus wirtschaftlichen.

    Breker: Allerdings ist der Staat dann Konkurrent der Banken.

    Schalast: Ist er nicht, weil er gibt ja denjenigen Geld, die sonst keines bekommen hätten. Wo ist die Konkurrenz?

    Breker: Wenn die Banken, wenn es denn stimmt, so zögerlich Kredite vergeben, kann man daraus schließen, Herr Schalast, dass die Banken davon ausgehen, diese Krise, die wir jetzt haben, die dauert länger?

    Schalast: Nein, das kann man sicherlich nicht sagen. Wir haben auch erste Anzeichen, dass sich die Konjunktur wieder erholt. Die Banken haben einfach nur etwas aus der Krise gelernt, und das haben wir ihnen auch alle die ganze Zeit erklärt: Sie können nicht mehr und dürfen nicht mehr so leichtfertig wie in der Vergangenheit Kredite vergeben. Eines der Kriterien, die dafür geschaffen wurden, um das zu verhindern, ist eben auch Basel II.

    Breker: Nun sind ja die Bad Banks eingeführt worden, gerade eben von der Bundesregierung. Die sollen ja dafür sorgen, dass die Bereitschaft der Banken wächst, den Unternehmen Kredite zu geben, die die wiederum für ihre Geschäfte brauchen. Warum funktionieren diese Bad Banks nicht?

    Schalast: Die Verbindung in der Diskussion von Bad Banks und Kreditklemme ist eine ganz neue. Ursprünglich wurden Bad Banks aus anderen Gründen geschaffen. Man hat die Gefahr gesehen, dass die strukturierten sogenannten toxischen Wertpapiere zu weiteren Abschreibungspotenzialen führt, insgesamt die Banken mehr belastet, wir dort auch Insolvenzgefahren bekommen, dass der Staat auch dort weiter unterstützen müsste. Um all das, diese Spirale nach unten zu verhindern, hat man Bad Banks vorgeschlagen, um den Banken die Möglichkeit zu geben, diese Papiere auszulagern und diesen laufenden Abschreibungszyklus zu beenden, einmal einen Schnitt vorzunehmen, allerdings mit einer Ausgleichsbelastung für 20 Jahre. Ich persönlich glaube, dass die Bad Banks, so wie sie jetzt vorgeschlagen sind, zumindest im Bereich der Genossenschaftsbanken, der Volks- und Raiffeisenbanken und der Privatbanken nicht angenommen werden, und von daher muss man abwarten, ob dieses gesetzlich nachgebessert werden muss.

    Breker: Das heißt, in der jetzigen Form funktioniert das gar nicht?

    Schalast: Ich vermute, es wird nicht funktionieren, weil es einfach zu unattraktiv ist und weil auch diejenigen Banken, die dieses Bad-Bank-Modell wählen, letztendlich als "Versager" in der Branche dastehen werden, weil jede Bank hat ja selbst die Möglichkeit, eine eigene Bad Bank zu schaffen - das ist in der Vergangenheit schon geschehen; die Dresdner Bank hat das sehr erfolgreich gemacht, 2003 nachfolgend ihrer "Internal Restructuring Unit" - und sie müssen eben nicht das Konzept der Bundesregierung annehmen.

    Breker: Deutschland als Exportnation, Herr Schalast. Deutschland hat den Nachteil: Wir müssen warten, bis dass es den anderen gut geht, damit die bei uns Produkte kaufen können. Wie lange müssen wir noch warten? Wie geduldig müssen wir sein?

    Schalast: Das ist sicherlich eine Frage für einen Volkswirt. Ich glaube, dazu kann ich leider nicht spekulieren.

    Breker: Diese Eine-Millionen-Dollar-Frage wollen Sie nicht beantworten?

    Schalast: Nein, die kann und will ich nicht beantworten.

    Breker: Zu den Regeln auf den Finanzmärkten war das im Deutschlandfunk Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management. Herr Schalast, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.