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Suche nach Higgs und Neutralino

Physik. - In Heidelberg treffen sich in dieser Woche die Teilchenphysiker und die Experten für Relativitätstheorie und Kosmologie zu ihrer traditionellen Frühjahrstagung - und sie müssen sich eingestehen: Bei den ganz großen Fragen der Physik haben sie in den vergangenen Jahren keine Fortschritte erzielt. Das aber soll sich ändern und zwar ziemlich bald. Die Physiker haben einige große Experimente in Vorbereitung - mit denen sie neue Bausteine der Materie entdecken wollen.

Von Jan Lublinski | 07.03.2007
    Die Teilchenphysiker der Universität Heidelberg arbeiten derzeit unter großem Zeitdruck. In ihren Labors treffen sie die letzten Vorbereitungen für den "Large Hadron Collider", kurz LHC, einen gewaltigen Teilchenbeschleuniger, der sich in einem Tunnel unter der Stadt Genf befindet. Hier sollen bald Wasserstoffatomkerne im Kreis herum jagen, miteinander zusammenstoßen und dabei neuartige Teilchen erzeugen.

    " Die Datenaufnahme wird dieses Jahr beginnen. Dadurch ist ziemlich viel Betrieb, dass die Kabel auch liegen und dass alles richtig angeschlossen ist. Man kann sich vorstellen, dass das ein Riesenaufwand ist, die ganzen Kabel da zu legen. Das sind 7200 Kabel, wo vor Ort die Stecker angelötet werden. "

    Und geprüft werden müssen all diese Verbindungen auch noch. Florian Föhlisch gehört zu den insgesamt 2000 Physikern aus der ganzen Welt, die am ATLAS-Detektor arbeiten - einem der vier großen Experimente am LHC. Föhlisch bereitet Spezialelektronik für die schnelle Signalverarbeitung vor. Diese befindet sich auf Platinen, die so groß sind wie Pizzableche. Ein Chip sitzt hier neben dem anderen.
    " Dann ist hier in der Mitte das Wesentliche: der Pre-Prozessor, das ist ein Chip, der speziell für die Aufgabe entwickelt wurde und der nimmt die von den Analog-Digital-Konvertern digitalisierten Daten und macht da eine Signalanalyse drauf. "

    Die Analyse der Messsignale, die von den Partikel-Kollisionen herrühren, ist eine gewaltige technische Herausforderung. Es gilt, innerhalb von Mikrosekunden interessante von weniger interessanten Daten zu trennen, damit die Datenspeicher nicht überlaufen und keine wichtige Informationen verloren gehen. Karlheinz Meier von der Universität Heidelberg.

    " Das LHC produziert wahnsinnig viele Daten, unglaublich viele Daten. Es finden pro Sekunde 40 Millionen Kollisionen statt. Und diese 40 Millionen Kollisionen - ich zähle "einundzwanzig" und es sind 40 Millionen Kollisionen - die müssen wir alle anschauen. Sie dürfen nicht eine einzige übersehen, denn es könnte ja die Higgs-Produktion dabei gewesen sein. "

    Das Higgs-Teilchen ist eines der Teilchen, nach denen die Physiker schon seit vielen Jahren fahnden. Darüber hinaus wollen sie auch so genannte supersymmetrische Teilchen erstmals erzeugen. Zunächst haben sie es dabei auf Neutralinos abgesehen, Partikel, die in unvorstellbar großer Zahl im Universum herumschwirren sollen. Diese könnten die Erklärung für die rätselhafte Dunklen Materie sein, eine unsichtbare Masse im All, die mit ihrer Anziehungskraft die Galaxien zusammen hält.

    Aber nicht nur an dem großen und teuren Teilchenbeschleuniger LHC fahnden die Physiker nach der Dunklen Materie. Drei kleine Forscherteams aus den USA, Frankreich und Deutschland haben sich ebenfalls auf die Suche gemacht, mit Experimenten in Bergwerken und in Autobahntunnels. Sie wollen die Dunkle Materie nicht künstlich herstellen, sondern sie suchen in tiefgekühlten Metall und Gesteinsblöcken nach Spuren von Teilen, die aus dem Weltall vorbei geflogen kommen. Rafael Lang vom Max Planck Institut für Physik in München.

    " Die Experimente - alle drei sind ähnlich. Sie haben in Prototypen gezeigt, dass sie funktionieren, dass es im Prinzip möglich ist, das Signal der Dunklen Materie von dem Untergrund zu trennen. Es wurde im Prinzip demonstriert, dass die Methode funktioniert. "

    Nun sind die Teilchenjäger dabei, ihre Experimente zu vergrößern. Je mehr Material sie in ihren Messapparaturen überwachen können, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie die gesuchten Gruppen zu fassen kriegen. Hier hat sich ein Wettlauf unter den drei Experimenten entwickelt. Es geht darum, welches Team die Teilchen als erstes zu fassen kriegt. Die Position des deutschen Experimentes mit Namen CRESST verbessert sich dabei von Monat zu Monat.

    " Wir hatten ein Jahr Verzögerung aufgrund von Umbauarbeiten in unserem Untergrundlabor. Wir sind jetzt aber auf bestem Wege nicht nur aufzuholen, sondern auch zu überholen. "

    Und auch bei den Teilchenbeschleuniger-Experimenten ist ein Wettlauf im Gange: Es gut möglich, dass das Higgs-Teilchen in diesem Jahr am US-amerikanischen Beschleuniger Tevatron entdeckt werden wird, noch bevor die neue europäische Maschine LHC fertig ist. In der vergangenen Woche kursierten diesbezüglich einige Gerüchte, robuste Daten gibt es aber noch keine.