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Südafrika vor einem Fußballereignis nur für Reiche?

In Südafrika freuen sich fast alle auf die Weltmeisterschaft. Verdienen wird vor allem die Fifa an dem drei Milliarden Euro teuren Spektakel. Einheimische, die vom großen Kuchen ein Krümel abbekommen möchten, scheitern schnell an den Markenrechten der Fifa.

Von Robert B. Fishman | 24.05.2010
    "Wir heißen die WM willkommen, die umarmen sie und wir sind sehr dankbar, dass Südafrika als Austragungsort ausgewählt wurde, als erstes Land auf afrikanischem Boden. Aber Südafrika hat für die Weltmeisterschaft vier Milliarden US-Dollar ausgegeben und das in einem Meer von Armut, Arbeitslosigkeit und vielen anderen sozialen Problemen, einem Mangel an guter Bildung und so weiter, und so weiter... Und all die Investitionen gehen an der arbeitenden Bevölkerung und an den Armen völlig vorbei."

    beklagt Jukeka Nkoginathi. Der 38-jährige Südafrikaner arbeitet für Street Net International, ein Zusammenschluss von Straßenhändlern in Südafrika. Gerade die vielen armen Familien überleben in Südafrika nur, weil vor allem ihre Mütter alles Mögliche auf Straßen und Bürgersteigen verkaufen: Lebensmittel, Kunsthandwerk, Zigaretten, Kleidung, Sonnenbrillen und vieles mehr. Andere bieten am Straßenrand ihre Dienstleistungen an: Haare Schneiden, Rasieren, Schuhe putzen... .

    Doch die Fifa hat die Straßenhändler nicht nur aus den Stadien verbannen lassen. Jukeka Nkoginathi:

    "Sie durften zum Beispiel in 800 Meter Umkreis um die Stadien nichts verkaufen. Der Hintergrund ist, dass nur die Unternehmen, die die Fifa sponsern, das Geschäft machen sollen. Hier in Deutschland haben wir erfahren, dass es bei der WM 2006 in Deutschland genauso war. Zum Beispiel durfte ein lokales Bier vor dem Stadion nicht verkauft werden. Die Fifa hat darauf bestanden, dass ausländisches Bier, dessen Brauerei die WM gesponsert hat, exklusiv vor und im Stadion verkauft wird. Das ist dieselbe Geschichte. Diese Regelung verhindert, dass die Touristen die südafrikanische Kultur kennen lernen. Ihnen wird die Möglichkeit genommen, Südafrika zu schmecken zu hören und zu fühlen."

    In den Stadien erlaubt die Fifa nach eigenen Angaben nur "akkreditiertes und trainiertes Verkaufspersonal auf Stundenlohnbasis". Vor den Stadien, im sogenannten inneren Sicherheitsring, dürfe niemand "die Fluchtwege und die Zufahrten für Polizei und Rettungswagen blockieren".

    Die WM-Städte haben sich dem Diktat der Fifa gebeugt. Kapstadt hat das Gebiet zwischen Innenstadt und dem neuen Fußballstadion zur "exclusion Zone" erklärt. Sogar ein Bolzplatz für die Kinder der Anwohner wird während der WM geschlossen. Betteln ist in der "exclusion Zone" verboten, verkaufen auch:

    "Ein hochrangiger Vertreter des Verbandes der südafrikanischen Landkreise und Gemeinden hat zum Beispiel zugegeben, dass er die Straßenhändler für einen Störfaktor hält. Diese seien schmutzig, und störten den Eindruck von Südafrika als entwickeltem Land. Sie würden Touristen aus Europa stören."

    Landesweit liegt die Arbeitslosigkeit bei rund 40 Prozent. Vor allem die Armen aus den Townships finden kaum Jobs. Tausende schlagen sich als Straßenhändler durch. So wie die Frau, die ihr Erspartes zusammenkratzte und Schulden machte, um Lebensmittel einzukaufen, die sie vor einem wichtigen Fußballspiel am Stadion verkaufen wollte. Als sie mit ihren Waren nach einer langen Reise am Stadion ankam, war das Spiel abgesagt. Die Händlerin war ruiniert.

    Jukeka Nkoginathi bittet die Fans aus Europa, die für Touristen vorgegebenen Pfade zu verlassen und bei den Straßenhändlern einzukaufen:

    "Südafrika besteht nicht nur aus der Luft, die du dort atmest und den Gebäuden die du siehst. Es sind die Leute, die Kultur und das Essen und die Musik die Südafrika ausmachen. Wenn du Südafrika hören schmecken und fühlen willst, musst du zu den Straßenhändlern gehen Sie sind die Vertreter des südafrikanischen Kultur."

    Gefährlich sei dies nicht, wenn man ein paar Regeln beachtet:

    "Man sollte einen Einheimischen dabei haben, wenn man in Südafrika unterwegs ist. Aber ansonsten ist Südafrika kein besonders gefährliches Land. Man kann dort gut reisen, auch in den Townships. Am sichersten ist es in den Taxis und an den Taxiständen. Und dort findest du auch die Straßenhändler."

    Auf die WM freut sich Jukeka wie die meisten Südafrikaner:

    "Ich schaue mir die Spiele beim Public-Viewing an, in den Parks und draußen. Das Geld, um mir Tickets für die Stadien zu kaufen habe ich nicht. Wenn mir irgendjemand hier in Deutschland ein Ticket für die deutschen Spiele besorgen könnte, das wäre wunderbar."