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Südafrika vor Parlamentswahlen
"Zwei Schritte vor – ein Schritt zurück"

Bereits vor der Auszählung der Stimmen zur Parlamentswahl in Südafrika am Mittwoch gilt der "African National Congress" (ANC) mit Präsident Jacob Zuma an der Spitze als wahrscheinlicher Sieger. Bei den vergangenen Wahlen verlor der ANC allerdings stetig Wähler an die Oppositionsparteien. Jetzt könnte der Umgang des ANC mit der Erschießung von 34 streikenden Minenarbeitern Stimmen kosten.

von Jan-Philippe Schlüter | 06.05.2014
    Anhänger von Südafrikas amtierenden Präsidenten Jacob Zuma
    Anhänger von Südafrikas amtierenden Präsidenten Jacob Zuma (picture alliance / dpa)
    Nkosi sikelel’ iAfrika – Herr segne Afrika. Die Nationalhymne des demokratischen Südafrika. Ein Symbol für das Zusammenwachsen der ehemals gewaltsam getrennten schwarzen und weißen Bevölkerung. Zusammengesetzt aus der alten Burenhymne "Stern van Suid-Afrika" und dem Anti-Apartheid-Lied "Nkosi sikelel‘ i Afrika“. Vier Strophen in fünf Sprachen: Xhosa, Zulu, Sesotho, Afrikaans und Englisch. Eine Hymne so bunt und emotional, so schön und vielschichtig wie das ganze Land.
    Freedom Park. Eine Neubausiedlung zwischen Johannesburg und Soweto. Nokubonga Kumenga sitzt in ihrem Wohnzimmer vor dem Fernseher und schaut ihre Lieblings-Soap, IsiBaya.
    Das Haus haben Nokubonga und ihre fünf Kinder von der Regierung bekommen. Im Rahmen des RDP – des Wiederaufbau- und Entwicklungsprogramms, welches 1994 von der Regierung Nelson Mandelas gestartet wurde.
    "Wir haben uns wahnsinnig gefreut, weil wir davor mehrere Jahre in einer Blechhütte gewohnt hatten. Da ist überall Wasser reingelaufen, wir hatten Probleme mit Ratten. In einer Hütte könnten wir keinen Fernseher haben, auch kein Sofa, das würde alles geklaut. Im Haus ist es deutlich angenehmer. Wir haben jetzt ein viel besseres Leben."
    "Ich finde, wir müssen eine solche Partei immer an die Macht wählen"
    Vor zehn Jahren stand hier nur eine Ansammlung schäbiger Blechhütten. Heute ist Freedom Park ein kleiner Vorort mit allen Annehmlichkeiten für rund 10.000 Bewohner. Zwei Schulen, reihenweise schmucke Häuschen. Alle mit Stromanschluss, Kanalisation und fließend Wasser. Für Nokubonga ist es keine Frage, wem sie das alles zu verdanken hat. Und wem sie deshalb bei den Wahlen am 7. Mai ihre Stimme gibt.
    "Natürlich gehe ich wählen. Und natürlich werde ich den ANC wählen. Eine Partei, die sich um uns kümmert. Die Regierung hat viel für uns getan. Wir haben Häuser und Strom bekommen. Unsere Kinder können kostenlos zur Schule gehen. Die Krankenhäuser kosten uns nichts. Alles dank des ANC. Ich finde, wir müssen eine solche Partei immer an die Macht wählen."
    "Die Menschen hier sind sehr enttäuscht von den Politikern"
    30 km westlich von Freedom Park, im Township Bekkersdal, sehen viele Menschen das ganz anders. Thabang Wesi stapft über einen Müllberg mitten im Township. Beißender Rauch von brennenden Müllsäcken liegt in der Luft. Ein paar Ziegen lassen sich davon nicht abhalten und suchen in den Überresten nach Essbarem.
    "Wir leben wie Schweine im Schweinestall! Das hier ist eine von mehreren illegalen Müllkippen. Zwischen der Kirche und der Grundschule!!! Die Gemeinde lässt den Müll nicht mehr abholen. Also werfen die Einwohner hier alles weg. Und hier: die stinkende Brühe in den Straßen. Das ist Abwasser! Seit mehr als 20 Jahren funktioniert die Kanalisation nicht. Die Menschen hier bekommen schon Durchfall von dem Dreckwasser. Seit 20 Jahren schicken wir Bittbriefe und politische Vorschläge an die Gemeinde. Aber es ist nichts passiert. In diesem Township hat sich nichts zum Besseren gewandelt."
    Viele Bewohner leben in Blechhütten. Bis zu sechs Familien teilen sich ein Plumpsklo. Wasser gibt es nur von einem Gemeinschaftshahn. Und Strom haben sie nur, wenn sie ihn irgendwo illegal anzapfen.
    Dabei müsste Bekkersdal eigentlich bestens da stehen: Vor zehn Jahren ist das Township zum "präsidialen Projekt“ erklärt worden. Mit 100 Millionen Euro Steuergeld sollte die Gegend aufgemöbelt werden. Passiert ist praktisch nichts. Aber das Geld ist weg, sagt Thabang, versickert in den Taschen von ein paar ANC-Provinzpolitikern. Bekkersdal ist zum nationalen Symbol für Missmanagement und Korruption geworden.
    "Die Menschen hier sind sehr enttäuscht von den Politikern. Ich glaube, wir hatten schon so ziemlich jeden hochrangigen ANC-Politiker hier. Sie kommen her und sind wahnsinnig arrogant. Aber keiner hatte Lösungsvorschläge. Sie wollen nur unseren Kampf für ihren Wahlkampf missbrauchen."
    Nokubonga in Freedom Park und Thabang in Bekkersdal. Sie stehen stellvertretend für viele Millionen Südafrikaner. Ihre Geschichten beschreiben Fortschritt und Stillstand, die das Land in den letzten 20 Jahren erlebt hat.
    In Südafrika gibt es keine simplen Erklärungen. Keine einfachen Antworten. Jeder seriöse Politikanalyst wird bestätigen: Hier ist alles nochmal eine Ecke vertrackter. Ursache ist die komplizierte Geschichte. 300 Jahre Unterdrückung, Kolonisierung und Apartheid lassen sich eben nicht in 20 Jahren einfach so abstreifen.
    Hat Präsident Zuma also Recht, wenn er immer und immer wieder behauptet, Südafrika habe eine gute Geschichte zu erzählen? Frans Cronje sitzt in seinem Eckbüro in Johannesburg. An der Wand hängen dutzende von Publikationen des „Instituts für Rassenbeziehungen“, dessen Chef Cronje ist. Das Institut ist die älteste Denkfabrik Südafrikas, fast 100 Jahre alt.
    "Zuma hat absolut Recht: Es ist eine gute Geschichte! Wie könnte es auch anders sein? Wir waren ein weißer Unrechtsstaat. Mit gewalttätigen Unruhen in den Townships, weißen Armeerekruten, die durch schwarze Wohnviertel patrouilliert sind. Verschiedenen Kriegen an den Landesgrenzen mit Befreiungsorganisationen anderer Länder. Wie könnte es da nicht besser sein. Es könnte doch gar nicht schlechter sein als Mitte der 80er Jahre. Der Lebensstandard aller Südafrikaner ist deutlich höher als vorher. Der Schuldenberg, den der ANC von der Apartheidregierung geerbt hat, wurde abgebaut. Der Staat hat mehr als 3 Millionen Häuser für arme Menschen gebaut. Wir haben heute Sozialhilfe für 15 Millionen Südafrikaner. Die Mordrate hat sich halbiert – ist aber immer noch viel höher als z. B. in Deutschland. Auch unser demokratisches System ist ein großer Erfolg. Wir sind eine sehr freie und offene Gesellschaft. Die Medien sind aggressiv und der Regierung gegenüber fast schon feindlich, was ein gutes Zeichen ist."
    Wandel des gesellschaftlichen Alltags in Südafrika
    Und noch eine gute Nachricht: Südafrika hat endlich eine vernünftige Aidspolitik. Unter Zumas Vorgänger Thabo Mbeki war sie noch ein Desaster, das viele zehnttausend Menschenleben gekostet hat. Jetzt bekommen mehr als zwei Millionen HIV-Infizierte kostenlos lebensverlängernde Medikamente vom Staat.
    Und von diesen messbaren Faktoren einmal abgesehen: Der gesellschaftliche Alltag in Südafrika hat sich fundamental gewandelt. Eine schwarze Mittelschicht ist praktisch aus dem Nichts entstanden. Bevölkert die Einkaufszentren in Soweto oder Durban, kauft sich in Südafrika gebaute Premiumautos von Mercedes oder BMW. Schwarze und weiße Studenten gehen an die gleichen Universitäten. Schwarze und weiße Patienten werden im gleichen Krankenhaus behandelt.
    Wenn man heute in Johannesburg in ein Restaurant geht, ist man als Weißer nicht mehr nur unter seinesgleichen. Der vielzitierte Schmelztiegel ist hier Realität.
    Zumindest mehr oder weniger, meint Professor Steven Friedman, Leiter des Zentrums für Demokratiestudien an der Universität Johannesburg.
    "Wenn Sie in einem hübschen Vorort leben, der noch immer vornehmlich weiß ist, dann können Sie sich frei politisch ausdrücken. Es geht Ihnen wirtschaftlich wahrscheinlich ziemlich gut und Sie bekommen eine halbwegs vernünftige Grundversorgung durch die Stadtwerke. Wenn Sie aber in einem Township oder einer Barackensiedlung leben, können Sie sich nicht frei ausdrücken, weil irgendein lokaler Politiker sicherstellt, dass er alles kontrolliert. Die Grundversorgung ist miserabel und Sie sind immer noch arm. Das unterscheidet sich nicht so sehr von der Situation vor 20 Jahren. Wirtschaftlich gesehen gibt es zwei große Gewinner in den letzten 20 Jahren: Die wohlhabenden Weißen, die noch reicher geworden sind. Und eine relativ kleine Gruppe von Schwarzen, die häufig politisch sehr gut vernetzt sind.
    Professor Friedman spricht vom „Cosy Club“, dem behaglichen Klub, wenn er über die wohlhabenden Südafrikaner redet. Diese würden etwa 30 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Ein großer Teil der restlichen Bevölkerung leidet allerdings laut Frans Cronje unter erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Problemen.
    "Wir sind noch weit von dem entfernt, wo wir sein müssten"
    "Die Arbeitslosigkeit ist sicher das größte Problem. Rund 40 Prozent der Südafrikaner haben keinen Job. Bei jungen schwarzen Südafrikanern sind es sogar mehr als 50 Prozent. Unser Bildungssystem ist nicht annähernd so gut wie es sein sollte. Es gehört zu den schlechtesten der Welt. Unsere Wirtschaft wächst zu langsam, um die Arbeitslosigkeit effektiv zu bekämpfen. Kurzum: Vieles ist besser geworden. Aber wir sind noch weit von dem entfernt, wo wir sein müssten."
    All diese Probleme kulminieren in einer der ungerechtesten Gesellschaften der Welt. In Kapstadt fahren die Wohlhabenden in der Luxuslimousine in die edlen Restaurants herrlicher Weingüter. Und auf dem Weg dorthin werden sie an fast jeder Ampel von zerlumpten Gestalten um ein paar Rand oder Essensreste angebettelt.
    Professor Friedman sieht die Ursache für die Ungerechtigkeit im Wirtschaftssystem, welches sich nach der Apartheid nicht wirklich verändert habe.
    "1994 hatten wir neben der politischen Frage ein zentrales Problem: Wie verändern wir das ungerechte Wirtschaftsmodell, die Ungleichverteilung zwischen den Rassen, ohne der Wirtschaft zu schaden? Es gibt nur einen Weg: Man muss diese Verteilung neu verhandeln. Und das haben wir nie getan."
    Die Sehnsucht nach der Regenbogennation
    Aber nicht nur wirtschaftlich - auch in der Gesellschaft muss sich noch einiges tun, meint die Schriftstellerin Lebogang Mashile. Nelson Mandelas Vision der Regenbogennation sei noch längst nicht Realität.
    In Augenblicken großer Trauer oder großer Hoffnung erwacht die Regenbogennation zum Leben. So wie 1994, so wie während der Fußball-WM 2010, so wie beim Tod Nelson Mandelas. Dann sieht man diesen Traum aufflackern. Tief im Herzen der Südafrikaner gibt es diese Sehnsucht. Aber im Alltag? Nein, da ist es noch immer mehr ein Ideal. Ich denke es dauert Generationen, bis die Psyche einer Nation sich verändert.
    Aber Lebogang Mashile ist sich sicher: Südafrika ist auf einem guten Weg. Allein die Tatsache, dass all die Probleme auf dem Tisch lägen. Dass sie diskutiert würden. Das zeige: das Land sei noch eine Baustelle. Aber es arbeite an einer besseren Zukunft.
    Hauptverantwortlich für die Verbesserungen und die mangelnden Fortschritte ist der Afrikanische Nationalkongress ANC. Eine der bekanntesten und erfolgreichsten Befreiungsbewegungen weltweit. 102 Jahre alt. Ikonen wie Nelson Mandela, Oliver Tambo und Albert Luthuli haben sich unter ihren schwarz-grün-goldenen Bannern versammelt.
    Der ANC war schon immer mehr als nur eine Partei. Er ist Identifikationsvehikel, Lebensgefühl, quasi Religion. Parteisprecher Jackson Mthembu wird darum auch nicht müde, die glorreiche Vergangenheit zu beschwören.
    "Die Erfolgsgeschichte der letzten 20 Jahre zeigt, dass der ANC sich immer noch verpflichtet sieht, das Leben der Menschen in unserem Land zu verbessern. Deshalb sind wir die einzige Option für die, die diskriminiert wurden. Für die, die in ihrem eigenen Land Menschen zweiter Klasse waren. Für die, die von ihrem Land vertrieben wurden. Für die, die als Christen nicht mit ihren weißen Glaubensbrüdern beten durften. Heute dürfen sie das! Dank dieser wunderbaren Bewegung, dem ANC."
    Aber 20 Jahre unumstrittene Macht haben dem ANC nicht gut getan. Er hat seinen moralischen Kompass verloren. Die aktuelle Parteiführung unter Präsident Jacob Zuma ist meilenweit von der Integrität früherer Führer entfernt, meint der Politikanalyst Prince Mashele, der ein sehr kritisches Buch über den ANC geschrieben hat.
    "Den ANC der selbstlosen Anführer, denen es um den Fortschritt für die Bevölkerung ging, diesen ANC gibt es nicht mehr. Heute haben wir einen ANC mit durchschnittlichen Typen, die ihr Amt vor allem dazu nutzen, sich zu bereichern."
    Zwei Skandale könnten den ANC bei den Wahlen Stimmen kosten: Jeder hier kennt sie unter den Namen Marikana und Nkandla.
    Beim blutigen Massaker von Marikana hat die Polizei vor gut anderthalb Jahren 34 streikende Minenarbeiter erschossen. Ein Staat, der seine Bürger tötet, statt sie zu schützen. Bis heute ist niemand dafür zur Verantwortung gezogen worden. Die Untersuchungskommission schleppt sich von Vertagung zu Vertagung.
    Und Nkandla steht symptomatisch für die ungehemmte Selbstbedienungsmentalität im ANC und in Teilen der Regierung.
    Swimming-Pool, Amphitheater und ein neuer Kuhstall
    In der Nähe des ländlichen Dorfes Nkandla, mitten in den saftig grünen, rollenden Hügeln der Provinz KwaZulu-Natal steht das Privatanwesen von Präsident Zuma. Es ist für 240 Millionen Rand Staatsgeld umgebaut worden. Fast 20 Millionen Euro. Angeblich aus Sicherheitsgründen. Gebaut wurden u.a. ein Swimming-Pool, ein Amphitheater, und ein neuer Kuhstall. In einer Gegend, in der mehr als die Hälfte der Menschen keinen Job hat. Wo die Schüler der Grundschule freitags die Klassenzimmer und Toiletten putzen müssen, weil zu wenig Geld da ist. Njabulo arbeitet im Krankenhaus von Nkandla als AIDS-Berater. Er ist stolzes ANC-Mitglied – aber das völlig überteuerte vermeintliche Sicherheitsupgrade kann er überhaupt nicht nachvollziehen.
    "Die Menschen hier müssen sich abrackern. Viele leben in heruntergekommen Hütten. Manche haben weder Strom noch Wasser. Einige haben auch zu wenig zu essen. Wir können hier den Nachbarn von Zuma in die Töpfe schauen – manche davon werden leer sein. Mit dem Geld hätte man hier viel machen können. Man hätte tausenden von Menschen helfen können. Stattdessen ist das Geld missbraucht worden. Aus Sicherheitsgründen?! Naja… 240 Millionen! Das ist ungeheuerlich!"
    Ein paar Meter vom mächtigen Sicherheitszaun entfernt wohnt S’Thandine Hlongwane. Sie wäscht gerade die Kleider ihrer zwei kleinen Kinder. Den Korruptionsskandal nimmt sie erstaunlich gleichmütig hin. Nach dem Motto: Was sollen wir einfachen Leute schon ändern. Gleichzeitig scheint sie den Menschen Jacob Zuma sehr zu schätzen.
    "Der Präsident ist ein genügsamer Mann, er lässt sein Amt nicht heraushängen. Im Januar hat er einen Empfang für die Gemeinde gegeben. Mit Zulu-Tänzern. Da waren wir auch. Er wirkte überhaupt nicht abgehoben. Er war ganz ruhig, hat mit uns gesprochen. Wenn man ihn so sieht, wirkt er gar nicht wie der Präsident. Sondern sehr bescheiden. Er ist wirklich nett."
    Zumas Volksnähe ist seine große Stärke. Die Südafrikaner verzeihen ihm vieles. So sitzt er den Nkandla-Skandal einfach aus. Und der ANC schließt mal wieder die Reihen. Wie immer, wenn Kritik von außen kommt. Parteisprecher Jackson Mthembu:
    "Sie können nur überleben, weil sie unseren Präsidenten beleidigen und mit Schlamm bewerfen. Aber sie werden damit keinen Erfolg haben! Unsere Leute sind nicht blöd. Tatsächlich ist es doch so: Je mehr Du den ANC angreifst, desto mehr treibst Du unsere Basis an. Alle Umfragen zeigen: Der ANC wird einen überwältigenden Sieg einfahren."
    Das stimmt. Und doch tut sich etwas in der Partei. Verdiente Freiheitskämpfer trauen sich aus der Deckung und machen deutlich: Nicht mit uns! Der wohl bekannteste von ihnen ist Ronnie Kasrils. Der 75jährige hat mehr als 30 Jahre an der Seite Nelson Mandelas gegen die Apartheid gekämpft. Nach der Apartheid war er Minister und Geheimdienstchef. Jetzt hat er die Südafrikaner aufgefordert, nicht den ANC zu wählen.
    Ein Sakrileg! Öffentliche Kritik aus den eigenen Reihen ist im ANC noch immer so verpönt wie Verrat in der Mafia. Prompt sind Ronnie Kasrils und seine Unterstützer als Verräter und Huren beschimpft worden. Wohlgemerkt: Ein Mann, der praktisch sein gesamtes Leben dem Freiheitskampf in Südafrika geopfert hat. Denn der ANC pflegt noch immer ein einfaches Feindbild: Wer nicht für uns ist, ist unser Gegner.
    Südafrikas Problem ist aber: Die Opposition kann dem ANC momentan noch nicht gefährlich werden. Die größte Oppositionspartei Democratic Alliance wächst zwar bei jeder Wahl. Aber mit geschätzt gut 20 Prozent der Stimmen ist sie noch weit entfernt von einer Machtübernahme. Das Hauptproblem der DA ist: sie wird häufig noch immer als die Partei der Weißen und Wohlhabenden angesehen. Diese Wahrnehmung ändert sich langsam. Aber eben nur langsam.
    Auch die Pseudo-Revoluzzer-Partei Economic-Freedom-Fighters von Südafrikas wohl begnadetstem Populisten Julius Malema wird die Parteienlandschaft dieses Jahr kaum ins Wanken bringen. Ihre radikale Rhetorik und ihre Vorschläge zur Landenteignung weißer Farmer und Verstaatlichung von Minen kommen zwar bei vielen frustrierten und wütenden jungen Schwarzen gut an. Aber: Malema hat in seinem Leben schon viel versprochen - und kaum etwas gehalten. Darüber hinaus ist er fast so skandalumtost und selbstsüchtig wie Jacob Zuma. Aber immerhin: jeder Prozent, den die EFF bei den Wahlen holt, wird auf Kosten des ANC gehen.
    Überhaupt sei diese Wahl ein wichtiger Hinweis auf Südafrikas mögliche politische Zukunft, sagt Politikanalyst Prince Mashele.
    "Eine Zukunft, in der die Wähler nicht mehr darauf schauen, ob eine Partei Teil des Befreiungskampfes war. Die Wähler stellen eine andere Frage: Vertrauen wir dieser Partei auf der Basis dessen, was sie leistet?"
    Jetzt, kurz vor der Wahl, stellen sich viele die Frage: Welchen Weg wird Südafrika gehen? Welche Haltung ist angebracht? Schwarzmalerei? Grenzenloser Optimismus? Oder eben doch die Mitte, nach dem Motto: zwei Schritte nach vorne, einer zurück?
    Häufig sind es die kleinen, scheinbar nebensächlichen Sätze, die den Unterschied machen. Diese Sätze sind es, die einen hoffen lassen, dass Südafrika ein noch besserer Ort wird. Und für noch mehr seiner Menschen ein besserer Ort wird.
    Sätze, die für uns selbstverständlich erscheinen. Die aber nach mehr als 300 Jahren Unterdrückung alles andere als das sind. Es sind Sätze wie dieser - von einer älteren Einwohnerin des Townships Soweto.
    "Die Dinge haben sich geändert. Mein Leben, das Leben meiner Kinder, das Leben meiner Nachbarn – alles hat sich verändert. Heute kann ich mit weißen Menschen reden. Heute kann ich mit weißen Menschen lachen.“