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Süditalien
Dauerbaustelle Autobahn - seit über 50 Jahren

Die Autobahn von Salerno nach Reggio Calabria ist einer der wichtigsten Verkehrsadern in Süditalien. Aber für viele Italiener ist sie auch ein Symbol für das, was in ihrem Land alles nicht funktioniert: Seit über 50 Jahren wird an der Autobahn gebaut und sie ist immer noch nicht fertig.

Von Jan-Christoph Kitzler | 30.12.2015
    Ein Schild auf der italienischen Autostrada gibt die Richtung nach Salerno, Reggio Calabria, Roma (Rom), Casoria, Avellino und Bari an
    Die unvollendete Autobahn A3 von Salerno nach Reggio Calabria. (picture-alliance/ dpa - Lars Halbauer)
    Francesco Borelli, Regionalabgeordneter in Kampanien, der Region um Neapel, wird zynisch, wenn er an diese Autobahn denkt, die sie "Die Unendliche" nennen. Schon vor mehr als drei Jahren, 2012, hatte er eine ironische Feier organisiert. 50 Jahre Bau der A3. Manche waren mit Autos aus den 60er-Jahren gekommen, es gab eine Jubiläumstorte, auf der stand "50 anni di vergogna" – "50 Jahre der Schande".
    "Die Autobahn Salerno - Reggio Calabria ist sicherlich eines der wichtigsten unvollendeten Bauwerke der Menschheit. Wir haben weniger gebraucht, um auf dem Mond zu landen, weniger, um die Pyramiden in Ägypten zu bauen oder die Chinesische Mauer. Und wir wissen noch nicht einmal, ob und wann sie fertig wird. Es könnte sein, dass wir schon nicht mehr auf dieser Welt sind und an dieser Autobahn immer noch gebaut wird."
    Die A3 von Salerno nach Reggio Calabria ist die wichtigste Verkehrsader nach Süditalien. Und jeder, der auf der 443 Kilometer langen Strecke unterwegs war, kann Geschichten erzählen von einer Autobahn, die einfach nicht fertig wird. Von Staus, ewigen Baustellen, Umleitungen. In Italien ist diese Straße zum Sinnbild für vieles geworden, was nicht funktioniert.
    Das weiß man auch in Rom, in der Zentrale der ANAS. Die staatliche Straßengesellschaft ist für über 25.000 Kilometer Straßen verantwortlich. Gerade vor wenigen Wochen hat es wieder einen großen Korruptionsskandal gegeben. Es ging um Bestechungsgelder gegen Aufträge. Aber Gianni Vittorio Armani, der Präsident der ANAS, der erst seit ein paar Monaten im Amt ist, begreift diese Autobahn in den Süden als Chance und sagt: Ende 2016 ist die A3 fertig.
    "Allen Italienern kommt die Autobahn Salerno - Reggio Calabria in den Sinn, wenn sie an etwas denken sollen, was nicht funktioniert. Wir haben die Gelegenheit zu beweisen, dass die A3 mit allen Problemen zu Ende gebracht werden kann, um dann etwas Neues zu beginnen. Klar, wir haben sehr lange gebraucht, das kann man besser machen, doch wir bringen das jetzt zu Ende, und es funktioniert dann auch. Das ist eine sehr wichtige Botschaft."
    Das Problem beim Bau der Autobahn
    Ganz in den Süden, nach Reggio Calabria muss man fahren, um zu begreifen, dass nicht etwa der komplizierte Bau der Strecke das Problem ist, sondern die Mafia, genauer gesagt, die ´Ndrangheta, die Spielart der Mafia in Kalabrien. Dutzende Mafiosi hat Staatsanwalt Roberto di Palma schon hinter Gitter gebracht. Hier im Justizpalast von Reggio, einen schwer bewachten Bunker, hat er ermittelt, dass sich die Clans die Strecke regelrecht aufgeteilt haben. Und dass sie viel Geld verdienen, indem sie zum Beispiel weniger Beton liefern, als bezahlt wird, oder schlechteren. Auch deshalb ist die Straße immer wieder kaputt. Das Beste an dieser unendlichen Baugeschichte, ist aber für die Clans, dass sie ihre Leute in Arbeit bringen können:
    "Es gibt sicher Leute, die damit rechnen und die froh darüber sind: Wenn die Bauarbeiten zehn Jahre dauern, kann der Mafioso der Gegend zehn oder 100 jungen Männern in zehn Jahren Arbeit geben, wenn die Arbeiten 20 Jahre dauern, übt er 20 Jahre seine Macht aus und kann 200 junge Männer unterbringen. Das sind dann 200 Leute, die ihm gegenüber verpflichtet sind. Klar, dass der, der mit dem Geld und der Macht hantiert, ein Interesse daran hat, dass die Arbeiten so lange wie möglich dauern."
    Die Regierung in Rom hat jetzt die Parole ausgegeben, 2016 wird die Straße fertig. Dafür werden noch einmal hunderte Millionen investiert, zusätzlich zu den über 25 Milliarden, die die A3 schon gekostet hat. So könnte die A3 von der "Straße der Schande" zur Straße der Hoffnung werden. Kein Symbol mehr für alles, was in Italien nicht funktioniert, sondern dafür, dass Italien die Wende zum Guten schaffen kann. Viele Menschen in Süditalien warten darauf. Und das nun schon ziemlich lange.