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Südsudan
Keine Friedenslösung in Aussicht

Bis zum Sonntag sollen die Konfliktparteien im Südsudan eine Regierung der nationalen Einheit gebildet haben. An den Gesprächen in Addis Abeba nehmen auch religiöse Organisationen teil. Doch noch setzen die Kontrahenten auf Gewalt, um ihre Macht zu erhalten.

Von Jutta Schwengsbier | 08.08.2014
    Vertriebene Südsudanesen vom Stamme der Dinka (2. März 2014).
    Eine erneute Gewaltwelle schwappt durch den Süden des Sudan. Eine schnelle Lösung für den Frieden scheint derzeit ausgeschlossen. (dpa / picture-alliance / Jm Lopez)
    Am 15. Dezember vergangenen Jahres, begannen Soldaten in Juba, Haus für Haus zu durchsuchen und alle umzubringen, die zur Volksgruppe der Nuer gehörten. Ethnische Säuberungen mitten in Südsudans Hauptstadt. Viele hatten gehofft, durch den Friedensvertrag zwischen Sudan und Südsudan würde der Konflikt zwischen Muslimen und Christen und damit das Morden enden.
    Neue Gewaltwelle im Südsudan
    Nun schwappt erneut eine unvorstellbare Gewaltwelle durch den Südsudan. Selbst die Armee hat sich entlang ethnischer Linien gespalten: In Dinka, die den amtierenden Präsidenten Salva Kiir, einen Dinka, unterstützten. Und in Nuer, die den abgesetzten ehemaligen Vizepräsidenten Riek Machar, einen Nuer, unterstützten. Im Friedensvertrag zwischen Sudan und Südsudan waren umfangreiche Konsultationen vorgesehen, in denen die Bevölkerung über die neue Verfassung und die Organisation des Landes hätte mitentscheiden sollen, erläutert Gladis Mananju. Die energische Vierzigjährige wurde von den südsudanesischen Kirchen zu den derzeit laufenden IGAD-Verhandlungen entsandt.
    "Niemand war von der Krise im Dezember überrascht. Der Machtkampf war schon vorher deutlich zu sehen. Viele offene Fragen des Friedensvertrages zwischen Sudan und Südsudan wurden nie beantwortet. Die Verfassung sollte von einem Expertengremium vorbereitet und dann von der Bevölkerung diskutiert werden. Das fand nie statt. Deshalb nahmen die ethnischen Gegensätze und der Kampf um Ressourcen überhand. Die Regierung versäumte es, die regionale Vertretung von verschiedenen Bevölkerungsgruppen klar zu regeln. All das hat zu dieser Krise geführt."
    Fehlende Bevölkerungsbeteiligung im Sudan
    Zudem war der im Friedensvertrag zwischen Sudan und Südsudan vorgesehene Prozess der nationalen Versöhnung nie eingeleitet worden, erläutert Gladis Mananju. Ähnlich wie mithilfe von Wahrheitsfindungskommissionen in Südafrika, hätte so das Trauma des jahrzehntelangen Bürgerkrieges durch öffentliche Debatten verarbeitet werden sollen. Sind das die eigentlichen Ursachen der Krise? Jedenfalls Peter Tibi ist fest überzeugt, dass fehlende Bevölkerungsbeteiligung und nicht verarbeitete Traumata die Gewaltspirale im Südsudan erneut in Gang gesetzt haben. Als Direktor des kirchlichen Friedensinstitutes Reconcile leitet der Geistliche die achtköpfige Kirchendelegation bei den laufenden IGAD-Gesprächen in Addis Abeba.
    "Trauma, das nicht behandelt wird, überträgt sich von Generation zu Generation. Durch immer wieder erzählte Geschichten, durch eine Spirale aus Gewalt und Rache. Wir müssen diese Kultur der Gewalt zu einer Kultur des Friedens formen."
    Bedarf an Institutionen westlichen Vorbilds
    Um aus einer multikulturellen, multireligiösen und multiethnischen Stammesgesellschaft wie dem Südsudan einen Staat zu formen, bedarf es mehr als einiger Institutionen nach westlichem Vorbild. Loyalitäten werden noch ganz traditionell über die Familienverbände organisiert. Gut bezahlte Jobs und Positionen in Ministerien und Verwaltung waren deshalb schnell mit Vertretern der größten, mächtigsten Ethnien besetzt, - unabhängig von deren fachlicher Qualifikation.
    Freiheit, Demokratie, Entwicklung: Ihre ursprünglichen Ziele hatten die einstigen Revolutionäre schnell vergessen. Konsultationen? Beteiligung der Bevölkerung? Davon war schnell keine Rede mehr, sagt Jok Madud Jok. Der Gründer des SUDD Instituts als wichtigster politischer Denkfabrik in Juba hat lange selbst für die südsudanesische Regierung gearbeitet, gehört inzwischen aber zu ihren schärfsten Kritikern.
    "Das Friedensabkommen 2005 wurde nur von den bewaffneten Gruppen ausgehandelt, den zwei führenden Parteien. Es war kein Frieden für alle. Die Bevölkerung wurde gezwungen mit dem Ergebnis zu leben. Jetzt haben wir statt einer - einfach zwei Kleptokratien, die den Ölreichtum stehlen. Die internen Probleme wurden in keinem der beiden Staaten gelöst."
    Gier Einzelner wird Allgemeinheit zum Verhängnis
    Zwei Staaten, das gleiche System. Die Elite im Südsudan habe innerhalb kürzester Zeit die gleiche Krankheit entwickelt, die auch Ursache des Bürgerkriegs im Sudan sei: Die unersättliche Gier einiger Weniger zulasten der Allgemeinheit, urteilt Jok Madud Jok. Bei der sich explosionsartig ausbreitenden Gewalt im Südsudan geht es weder um Religion noch um Ethnien. Früher kämpften Muslime gegen Christen im Sudan. Nun bekriegen sich die zwei größten Volksgruppen im Südsudan. Um diese Kultur der Gewalt in eine Kultur der friedlichen Auseinandersetzung zu transformieren, müsste ein Versöhnungsprozess am Anfang stehen, ist Peter Tibi überzeugt.
    "Der gegenwärtige Konflikt im Südsudan ist die Folge eines Traumas, das weder politisch noch sozial verarbeitet wurde. Doch Versöhnung kann nicht stattfinden, solange die Gewalt nicht beendet wurde. Im Moment können wir im Südsudan nicht über Versöhnung reden. Wir müssen erst Frieden schaffen, zwischen den verschiedenen Gemeinschaften, die Konflikte miteinander haben. Erst dann kann Versöhnung und Heilung kommen. Es ist ein Prozess, der Jahre dauern kann. Politische und soziale Versöhnung wird kommen. Doch zuerst muss der Krieg beendet sein."
    Schnelle Lösung wohl ausgeschlossen
    Noch scheint aber keine der Kriegsparteien bereit, der Zivilbevölkerung oder den Kirchen ein Mitspracherecht zu gewähren, - trotz aller Bemühungen der IGAD-Vermittler. Beide Seiten setzen auf Krieg, um die Macht, und damit den Zugriff auf die reichen Ressourcen des Südsudan, durch Gewalt zu erhalten. Bei den eigentlich für 2015 vorgesehenen Wahlen hätte nach den von beiden Seiten begangenen Massenmorden weder Staatspräsident Salva Kiir noch sein Rivale Riek Machar etwas zu gewinnen. Eine schnelle Lösung der Krise scheint deshalb ausgeschlossen.