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Südsudanesen in Uganda
Feind, Flüchtling, Nachbar

Seit fast vier Jahren herrscht im Südsudan ein Bürgerkrieg entlang ethnischer Linien. Eine Million Südsudanesen sind nach Uganda geflohen. Doch die Feindschaften lassen sich an der Grenze nicht einfach abstreifen.

Von Bartholomäus von Laffert | 22.10.2017
    Südsudanesische Nuer beim Gottesdienst in einem Flüchtlingslager in Uganda, September 2017
    Südsudanesische Bürgerkriegsflüchtlinge beim Gottesdienst in einem Flüchtlingscamp in Uganda. Es sind Nuer. Ein paar Hütten weiter beten ihre ebenfalls geflohenen "Erzfeinde", die Dinka, um Frieden und Versöhnung (Moritz Richter)
    Ein Sonntagmorgen, Mitte September, in Obodu, einer südsudanesischen Flüchtlingssiedlung tief im ugandischen Busch. Drei Stunden Autofahrt sind es von hier bis zur nächsten größeren Stadt.
    Marca Akobo kniet auf dem rissigen Lehmboden. Sie hat die Hände gefaltet, und die Augen geschlossen. Sie trägt ihr Sonntagskleid und hat eine lila Gebetshaube mit einem weißen Kreuz darauf aufgesetzt. Die 26-Jährige kommt aus dem Südsudan und ist vor vier Jahr vor dem Bürgerkrieg nach Uganda geflohen. Sie gehört zum Stamm der Nuer, dem zweitgrößten im Südsudan, was man an den kleinen punktförmigen Narben, die ihr Gesicht zieren, erkennt.
    20 Meter weiter: Ein weiterer Lehmbau, in dem zeitgleich ein anderer Gottesdienst stattfindet. Hier beten etwa 50 Frauen. Wie in der Kirche nebenan sprechen auch sie das Vaterunser, singen von Frieden und von Versöhnung. Genau wie Marca Akobo und die anderen Nuer sind auch sie vor dem Bürgerkrieg im Südsudan geflohen. Zusammen beten können die Gläubigen aber trotzdem nicht – denn in diesem Gebetshaus sind nur Dinka. Angehörige von Südsudans größtem Stamm. Die Erzfeinde der Nuer.
    Im Flüchtlingslager leben Erzfeinde nebeneinander
    Seit vier Jahren führen die Dinka und die Nuer im Südsudan Bürgerkrieg. Zwei Millionen Menschen sind vor dem Konflikt ins Ausland geflohen. Es ist die größte grenzüberschreitende Fluchtbewegung in Zentralafrika seit dem Völkermord in Ruanda 1994. Allein in Uganda leben heute mehr als eine Million Flüchtlinge. In den Flüchtlingssiedlungen müssen die verfeindeten Stämme nebeneinander leben. Dass das schwer ist, wird in Obodu sichtbar. Marca Akobos Nachbar, ein alter Nuer, erzählt:
    "Du kannst den Dinka nicht vertrauen. Jemandem, der deine Liebsten getötet hast, kannst du nicht vertrauen. Du weißt nicht was sie mit Dir tun werden, deshalb musst Du weglaufen. Was im Südsudan passiert, ist schlimmer als der Genozid in Ruanda!"
    Etwa 1.000 Flüchtlinge leben in der Flüchtlingssiedlung Obodu, Dinka und Nuer. Die meisten von ihnen sind Alte, Frauen und Kinder. Ihre Ehemänner und Väter kämpfen entweder noch immer im Südsudan gegen die Ehemänner der Nachbarinnen oder sie sind tot. Marca Akobos Mann starb in den ersten Stunden des Bürgerkrieges. Am 15. September 2013, getötet von den Dinka-Soldaten in der Hauptstadt Juba, wie Marca Akobo erzählt:
    "Erst dachten wir, der Kampf ist nur zwischen den Männern. Wir waren überrascht als plötzlich auch Frauen und Kinder angegriffen wurden. Die Soldaten haben in ihrer Muttersprache gegrüßt und jeden getötet, der ihnen nicht richtig geantwortet hat. Wir haben versucht uns zur UNMISS-Camp zu retten. Das hat zwei Tage gedauert. Jeden, den sie auf dem Weg gefunden haben, haben sie getötet."
    Akobo verließ nach sieben Tagen das Camp der Vereinten Nationen und floh weiter nach Uganda. Sie war damals im achten Monat schwanger und hatte ihre drei kleinen Kinder und die Brüder ihres Mannes dabei. 200 Kilometer gingen sie zu Fuß Richtung Süden. Sechs Tage brauchten sie, bis sie die ugandische Grenze erreichten.
    Marca Akobo, Nuer aus Südsudan, im Flüchtlingslager in Uganda, September 2017
    Die mehrfache Mutter Marca Akobo verlor ihren Mann, weil er bei einer ethnischen Säuberung durch eine Dinka-Miliz nicht in der richtigen Sprache antwortete (Moritz Richter)
    Als der Bürgerkrieg ausbrach, war die Republik Südsudan gerade einmal 17 Monate alt - der jüngste Staat der Welt.
    Die Bilder von der Unabhängigkeitsfeier am 9. Juli 2011 sind noch nicht vergessen: Junge Menschen tanzten und sangen auf den Straßen der neuen Hauptstadt Juba. Noch ein halbes Jahr zuvor hatten 98 Prozent der Südsudanesen in einem Referendum für die Unabhängigkeit vom Sudan gestimmt.
    Mit der Unabhängigkeit, so hofften viele Südsudanesen, sollte auch endlich Frieden einkehren. 50 Jahre hatten die Sezessionskriege mit dem Sudan gedauert. 1,5 Millionen Menschen verloren in diesen Kriegen ihr Leben.
    Frieden hatte der Bevölkerung auch Salva Kiir in seiner Rede am Tag der Unabhängigkeit versprochen. Der General hatte als Anführer der sudanesischen Volksbefreiungsfront SPLM für die Unabhängigkeit des Landes gekämpft und wurde Südsudans erster Präsident:
    "Unsere Kritiker haben uns schon abgeschrieben, bevor wir überhaupt die Unabhängigkeit erklärt haben. Sie sagen, wir werden in einen neuen Bürgerkrieg hineinschlittern, sobald unsere Fahnen gehisst sind. Nun ist es an uns, ihnen zu beweisen, dass sie Unrecht haben!"
    Aber Salva Kiirs Kritiker hatten recht behalten. Fünfeinhalb Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung versinkt Südsudan wieder in einem blutigen Bürgerkrieg. Ein Krieg, der so unüberschaubar ist, dass im Jahr 2017 die Anzahl der Todesopfer kaum zu schätzen ist. Etwa 50.000 waren es laut UN-Beobachtern allein bis Frühjahr 2016. Laut Angaben der internationalen Hilfsorganisation World Vision sind derzeit 7,5 Millionen, der zwölf Millionen Einwohner auf humanitäre Hilfe angewiesen. Sechs Millionen Menschen haben nicht genug zu essen.
    Der UN- Sondergesandte Adama Dieng warnte bei seinem Besuch in Juba im November 2016 vor einer "eskalierenden Gewalt entlang ethnischer Linien mit Potential für einen Genozid".
    Jonathan Pedneault ist Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Menschenrechtssituation im Südsudan und war zuletzt im Mai 2017 im Land:
    "Südsudan hat eine lange Geschichte interner Konflikte zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen und verschiedenen politischen Führern. Einigen Beobachtern war klar, dass der Weg hin zu Demokratie und Freiheit kein einfacher werden würde. Aber ich denke, keiner hätte erwartet, dass es so schlimm werden würde".
    Politischer Konflikt wird Stammeskonflikt
    Ausgerechnet Präsident Salva Kiir, ein Dinka, und sein Vizepräsident Riek Machar, vom Stamm der Nuer, haben 2013 den Bürgerkrieg entfacht. Die beiden hatten ab 2002 als Generäle gemeinsam für die Unabhängigkeit Südsudans gekämpft. Jetzt kämpfen sie um den Vorsitz der sudanesischen Volksbefreiungsfront SPLM, die mit der Unabhängigkeit zur Staatspartei wurde. Beide wollten nach den ersten unabhängigen Wahlen 2015 Präsident werden. Dieses Amt sollte derjenige erhalten, der für die SPLM antreten würde.
    Es ist nicht der erste Bruch in der SPLM: Bereits 1991 hatte sich Riek Machar mit seinen Nuer-Kämpfern von den Einheiten des SPLM-Gründers John Garang, der ein Dinka war, abgespalten. Anschließend haben Riek Machars Soldaten Garangs Heimatstadt Bor angegriffen und 2000 Dinka-Zivilisten ermordet. 2012 hatte sich Riek Machar öffentlich für dieses Massaker entschuldigt, doch verziehen haben es ihm die Dinka nie. Jonathan Pedneault von Human Rights Watch:
    "2013, als die Anspannung zwischen Riek Machar und Salva Kiir auf dem Höhepunkt war, hat der Präsident bei seiner Rede auf das Massaker in den 90ern verwiesen. Das war das Startsignal für ethnische Mobilisierung. Direkt nach der Rede sind tausende Dinka-Soldaten in Juba losgezogen, um Nuer-Zivilisten und Nuer-Soldaten zu jagen", sagt Jonathan Pedneault von Human Rights Watch.
    Allein in den ersten drei Tagen des Bürgerkriegs wurden in der Hauptstadt mehrere hundert Nuer getötet, unter ihnen ist auch Marca Akobos Ehemann. Zehntausende Menschen retteten sich in die Stellungen der UN.
    Außenminister Sigmar Gabriel und der Präsident Südsudans Salva Kiir.
    Südsudans Präsident Salva Kiir (rechts), Angehöriger des Dinka-Stammes, beim Besuch des deutschen Außenministers Sigmar Gabriel im Sommer 2017 (pa/dpa/Nietfeld)
    Das Massaker in Juba gilt heute als Beginn des Bürgerkrieges. Ein Großteil der Nuer-Soldaten lief danach zur von Riek Machar ausgerufenen SPLM-IO, der sudanesischen Volksbefreiungsfront in Opposition, über. Es dauerte nur wenige Tage, bis auf die Morde der Dinka die Rache der Nuer folgte. Bonifacio Taban, damals Journalist bei der unabhängigen Zeitung "Sudan Tribune", war einer der ersten, die im Dezember 2013 über die Kämpfe im Norden des Landes berichteten. Als ihm der südsudanesische Geheimdienst mit dem Tod drohte, floh er wenig später nach Uganda:
    "Als die Nuer gehört haben, dass ihre Stammesbrüder in Juba getötet wurden, begannen sie sich zu mobilisieren. Sie wollten Rache, weil ihre Söhne und Töchter in Juba getötet wurden. Das hat aus einem politischen Konflikt ein Stammeskonflikt gemacht."
    Die Feindschaft zwischen den zwei größten Stämmen des Südsudans ist nicht neu. Nur neu aktiviert und ausgenutzt von Salva Kiir und Riek Machar, sagt Bonifacio Taban. Als Viehhirten und Bauern lieferten sich die Clans der Dinka und der Nuer seit Generationen blutige Fehden um Vieh und Weideland. Laut Jonathan Pedneault von Human Rights Watch gibt es im Südsudan keine Gesetze, die diese Fehden unterbinden.
    Fast vier Jahre nach dem Massaker hat der Krieg eine neue Stufe der Gewalt erreicht. Gekämpft wird inzwischen auch im Westen und im Süden des Landes, wo es lange Zeit ruhig geblieben war. Der Friedensvertrag, den Salva Kiir und Riek Machar auf Druck der Nachbarstaaten im Sommer 2015 unterzeichnet hatten, wurde nie in die Praxis umgesetzt.
    "Warum dieser Krieg weitergeht, weiß niemand!"
    Riek Machar ist inzwischen nach Südafrika geflohen, wo er unter Hausarrest steht. Seine Opposition gegen das Regime in Juba wächst weiter. Es ist nicht länger nur ein Kampf Dinka gegen Nuer. Inzwischen gibt es kaum einen der über 60 südsudanesischen Stämme, deren Angehörige nicht in den Krieg involviert sind. Jonathan Pedneault von Human Rights Watch:
    "In der Wahrnehmung vieler Südsudanesen ist die Regierung eine Dinka-Regierung, die im Interesse der Dinka-Zivilisten kämpft. Mit der Ausweitung des Konflikts haben sich immer mehr Politiker und lokale Anführer und Jugendliche anderer Stämme Riek Machars Opposition angeschlossen, weil mehr und mehr Verbrechen und Gräueltaten von Dinka-Regierungstruppen an der Nicht-Dinka-Bevölkerung begangen wurden."
    Die eigentlichen Ursachen für den Krieg kenne dabei kaum jemand mehr. Viele Südsudanesen sprechen deshalb nur noch vom "sinnlosen Krieg", erzählt Victor Ochen, Direktor des African Youth Initiative Network.
    "Warum dieser Krieg immer weitergeht, weiß niemand! Die Jugendlichen sagen: Ja, wir sehen, hier wird gekämpft, aber wir wissen nicht, warum dieser Stammeskrieg stattfindet. Die jungen Generationen entlang der ethnischen Linien sind zu Werkzeugen geworden. Dinka-Werkzeuge, Nuer-Werkzeuge oder irgendwelche anderen Werkzeuge, um die Interessen des jeweiligen Stammes zu verfolgen."
    Inzwischen werden die Flüchtlinge nach Ethnie getrennt
    Eine Million Menschen sind bisher aus dem Südsudan nach Uganda geflohen. Noch immer kommen jeden Tag mehrere Hundert Flüchtlinge über die Grenze. Kein Land hat im vergangenen Jahr mehr Flüchtlinge aufgenommen als der zentralafrikanische Staat, der eine Politik der offenen Grenzen betreibt.
    Dabei ist eine Herausforderung für die Ugander: Menschen aufnehmen und Menschen schützen, deren Angehörige sich auf der anderen Seite der Grenze gegenseitig töten. Musa Ecweru ist ungandischer Staatsminister für Krisenmanagement und Flüchtlinge. Er will verhindern, dass der Konflikt aus dem Südsudan in die Flüchtlingscamps in Uganda hineingetragen wird.
    "Die Wahrheit ist, es gibt immer noch Spannungen hier. Die Feindschaft ist tief. Als sie am Anfang gekommen sind, haben sie deshalb gefordert, dass wir sie trennen. Wir haben das abgelehnt, weil wir damit die Differenzen nur verstärkt hätten."
    Für Musa Ecweru galt lange Zeit das Prinzip: Was im Südsudan passiert, bleibt im Südsudan. Krieg und Hass sollten keinen Platz haben im ugandischen Rechtsstaat. Das hat nicht funktioniert. Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu schweren Ausschreitungen in den Flüchtlingssiedlungen. Zu Hetzjagtdn, zu Vertreibungen.
    Eine Konsequenz daraus: Inzwischen wird bei der Registrierung der Flüchtlinge an der ugandischen Grenze neben Name, Herkunft und Alter auch die Stammeszugehörigkeit abgefragt. Vor allem um die Familienzusammenführung zu erleichtern, sagt Charlie Yaxley, Sprecher des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen, UNHCR, das eng mit Ecwerus Ministerium zusammenarbeitet.
    Forscherin: Uganda fehlt das Geld für Versöhnungsarbeit
    Tigranna Zakaryan glaubt, dass hinter diesem Procedere neben dem guten Willen noch andere Absichten stehen. Seit zwei Jahren erforscht die US-Amerikanerin das Zusammenleben der Flüchtlinge in den ugandischen Camps. Siedlungen wie Obodu, in denen Dinka und Nuer als Nachbarn zusammenleben, seien inzwischen die Ausnahme:
    "Wenn es um Dinka und Nuer geht, dann baut die ugandische Politik auf den Sicherheitsaspekt. Deshalb hat die ugandische Regierung in letzter Zeit angefangen, die Flüchtlinge zu trennen. Dinka in die einen, Nuer in die anderen Camps. Dabei geht es vor allem um den Schutz der Dinka."
    Es sei der Versuch den Südsudan-Krieg in Uganda wenigstens einzufrieren – wenn man schon nicht in der Lage ist ihn zu lösen, sagt Tigranna Zakaryan. Dem ugandischen Staat fehle das Geld, neben der humanitären Nothilfe auch noch Versöhnungsarbeit zu leisten, glaubt die US-Amerikanerin. Die Forscherin Tigranna Zakaryan warnt vor Versäumnissen und langfristigen Folgen:
    "Jetzt hat man die jungen Generationen des Südsudan, die in Flüchtlingssiedlungen leben. Die meisten von ihnen haben keinen Zugang zu weiterführenden Schulen, es gibt keine Arbeitsmöglichkeiten, die größte Angst in den Gemeinschaften ist deshalb, dass sie rekrutiert werden und sich Milizen anschließen, weil sie nicht eingebunden sind."
    Diese Kinder und Jugendlichen nicht auszubilden und zu versöhnen, sei eine verpasste Chance gewesen, schließlich würden sie einmal eine Nation Südsudan bilden, sagt Zakaryan.
    "Unser neuer Stamm heißt: Flüchtling"
    Einer dieser Jugendlichen ist John Jal, den seine Freunde nur JJ rufen. Er ist 23 Jahre alt, groß, hat eingefallene Wangen. Er hatte gerade seinen Highschool-Abschluss gemacht, als er vor fast vier Jahren nach Uganda flüchtete. An diesem Nachmittag steht er mit einer Trillerpfeife im Mund in der Mitte eines sandigen Fußballplatzes in Obodu.
    John Jal ist Schiedsrichter. Er hat sich extra ein weißes T-Shirt angezogen, auf dem in großen blauen Lettern "Youth Building Peace" geschrieben steht, die Jugend schafft Frieden:
    "Wir hören jeden Tag die Nachrichten von Zuhause. Meine Eltern wurden von einem Nuer getötet, meine Eltern wurden von einem Dinka getötet. Wir vergessen, dass wir im Rhino Camp sind und nicht Teil des Konflikts, dass die Leute, die töten, zu Hause sind. Es gibt die Tendenzden ganzen Konflikt von dort hierher zu übertragen. Deshalb gibt es so viel Hass."
    John Jal erzählt von Freunden aus dem Camp, die zurück in den Südsudan gegangen sind, um weiterzukämpfen. Er ist geblieben und hat mit Freunden einen Verein der "Friedensbotschafter" gegründet. Sie sind Dinka, sie sind Nuer, Schilluk, Kagwa. Alle eint die Sehnsucht nach Frieden.
    John Jal, Südsudanese von der Youth for Peace, im Flüchtlingslager in Uganda, September 2017
    "Wir vergessen, dass wir im Flüchtlingscamp sind und nicht Teil des Konflikts", sagt John Jal. Er ist Mitglied der Gruppe Youth Building Peace, für die ethnische Gräben keine Rolle spielt (Moritz Richter)
    "Unser neuer Stamm heißt: Flüchtling. Faktisch sind wir Südsudanesen, aber heute sind wir Flüchtlinge, und wir müssen alle zusammen helfen, um das zu ändern. Denn eines Tages werden wir zurückkehren. Wir wollen sein wie Ruanda, dass wir vielleicht eines Tages eine Frau an der Macht haben. Heute klingt das unmöglich, aber eines Tages wird das möglich sein."
    John Jals Visionen haben wenig gemein mit der Lebensrealität in den ugandischen Camps. Noch weniger mit dem Krieg im Südsudan, der sich im Dezember zum vierten Mal jährt. Für die meisten Südsudanesen gäbe es nur eine Hoffnung auf Frieden: dass sich Salva Kiir und Riek Machar die Hände reichen, sagt der geflohene Journalist Bonifacio Taban:
    "Frieden wird kommen, wenn die Internationale Gemeinschaft aufsteht und mit einer Stimme sagt: ihr zwei, wenn ihr keinen Frieden schließt, dann sperren wir euch ein. Wenn du ihnen damit drohst, dann werden sie den Friedensvertrag umsetzen".
    Die Internationale Gemeinschaft ringt um eine klare Haltung im Südsudankonflikt. Regionale Mächte wie Ägypten und auch Uganda unterstützen das Regime von Salva Kiir. Der Vorschlag der USA, ein Waffenembargo gegen den Südsudan zu verhängen, scheiterte bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat im Dezember 2016. Nur acht von 15 Staaten hatten den USA zugestimmt.
    Witwe: Ohne Rechenschaft keine Vergebung
    "Ich kann nicht vergeben, solange meine Feinde nicht für ihre Fehler einstehen und geradestehen für die Verbrechen, die sie begangen haben. Wenn sie das eines Tages tun, dann kann ich verzeihen."
    Marca Akobo steht vor dem offenen Feuer vor ihrer Lehmhütte. In einem Blechtopf rührt sie die klebrige Maispampe zusammen, die sie ihren Kindern als einzige Mahlzeit am Tag servieren wird. Die zwei jüngeren, vier und fünf Jahre alt, würden oft nach dem Vater fragen. Wann er denn endlich nachkomme nach Uganda, erzählt Marca Akobo. Die Älteren, acht und zehn, würden dann immer erklären, dass die Dinka ihn ermordet hätten. "Natürlich hassen sie die Dinka", sagt Marca Akobo.
    Diesen Hass versuchen der Friedensbotschafter John Jal und seine Freunde zu bekämpfen. Jeden Tag trifft er Menschen wie Marca Akobo und versucht sie aufzuklären und ihnen Mut zu machen:
    "Es ist die aktuelle Führungsriege, die die Dinka-Gemeinde im Moment beeinflusst. Ich bin mir sicher, wenn die alte Führungsriege erst ausgetauscht wurde gegen eine neue, dann werden wir alle zurückkehren in den Südsudan und feiern wie wir es 2011 getan haben!"
    Bartholomäus von Laffert und Fotograf Moritz Richter waren drei Wochen in Uganda unterwegs, um über die südsudanesischen Flüchtlinge im Land zu recherchieren. Die Recherche wurde unterstützt und gefördert vom netzwerk recherche und vom Förderverein der katholischen Journalistenschule ifp.