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Süßer Markt
Wie Rübenbauern mit dem Ende der Zuckerquote umgehen

Die Preise standen fest, die Mengen waren vorgegeben: Der Zuckermarkt erinnerte lange Zeit an die Planwirtschaft. Doch damit ist nun Schluss. Nach fast 50 Jahren fällt in der EU am Wochenende die Zuckerquote. Die Rübenbauern müssen sich nun auf dem Weltmarkt behaupten.

Von Sebastian Moritz | 29.09.2017
    Auf einem Acker bei Goslar in Niedersachsen werden Zuckerrüben verladen.
    Auf einem Acker bei Goslar in Niedersachsen werden Zuckerrüben verladen. (imago/Martin Wagner)
    Michael Frenger blickt auf das dichte Grün seines Rübenfeldes im Kölner Norden. Hier neben einer viel befahrenen Landstraße baut der 51-Jährige seit fast 30 Jahren Zuckerrüben an.
    "Die Rüben könnten jetzt geerntet werden, die können aber auch dementsprechend mit zehn, fünfzehn Prozent mehr Menge bis Ende November noch stehen bleiben."
    Die Menge ist bei dieser Kampagne – so heißt die Zuckerrübenernte – wichtiger als bisher. In Zeiten der Quote konnten die deutschlandweit knapp 30.000 Rübenbauern ihre Früchte unabhängig von den üblichen Marktmechanismen verkaufen. Menge und Preis waren von der EU vorgegeben. Diese Zeit ist vorbei. Statt der Quote regiert bald der Weltmarkt.
    "Wir sind deutlich näher am Markt. Wir bauen Zuckerrüben an, ohne zu wissen, welchen Preis wir nach der Ernte bekommen. Es wird schwierig."
    Zusätzlichen Druck bringt das Ende der Isoglucose-Quote, sie läuft am Wochenende ebenfalls aus. Isoglucose ist ein aus Mais- und Weizenstärke hergestelltes Süßungsmittel. Das gilt zwar als Dickmacher, ist aber günstiger als Zucker. Ihr Marktanteil liegt bisher bei fünf Prozent. Das könnte mehr werden.
    Schutzzölle halten brasilianischen Rohrzucker von der EU fern
    Komplett schutzlos sind die Landwirte der neuen Konkurrenz aber auch ohne Quote nicht ausgeliefert. Hohe Schutzzölle halten beispielsweise brasilianischen Rohrzucker von der EU fern, außerdem sorgen die Zuckerfabriken für Planungssicherheit, sagt Günter Tissen, Geschäftsführer der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker:
    "Man kann sich das nicht so vorstellen, das man einfach seine Rüben anbaut und dann im Herbst einfach vor den Toren der Fabrik steht und das dort abgeben will – so läuft das nicht. Es werden langfristig Verträge geschlossen."
    Michael Frenger hat einen Dreijahresvertrag. Bisher bekam er gut 26 Euro für die Tonne Quotenrüben. Künftig ist der Rübenpreis an den Zuckerpreis gekoppelt und der ist zurzeit im Keller. So könnten aus den 26 Euro durchaus 25 Euro oder weniger werden. Die Landwirte versuchen daher zu sparen – etwa bei der Ernte.
    "Der Lohnunternehmer schafft circa einen Hektar pro Stunde. Früher war die Technik, da war man circa sechs Stunden unterwegs mit dem Einreiher. Da kann ich mich an meine Jugend gut erinnern. Da wurden dann halt Nachtschichten gefahren, um das zu bewerkstelligen."
    Zuckerexporte für den chinesischen Markt?
    Die Felder werden größer, die Betriebe weniger. Die neue Marktstruktur kann auch eine Chance sein. Eine Chance für mehr Absatz. Bisher galt: Maximal 85 Prozent des Zuckers durften in der EU produziert werden, der Rest musste aus strukturschwachen Ländern quasi als Entwicklungshilfe importiert werden. Diese Grenze fällt nun weg. Außerdem werden Exporte interessanter. Auch hier fällt die Beschränkung. Bei hohen Weltmarktpreisen könnte Deutschland vom Importeur zum Exporteur werden, etwa auf den wachsenden chinesischen Markt. Viele Landwirte haben deshalb ihre Anbauflächen erweitert. Verbraucherschützer erwarten sinkende Lebensmittelpreise – der Branchenverband der Zuckerwirtschaft ist zurückhaltender.
    "Bei verarbeiteten Lebensmitteln muss man eben mal sehen, wie hoch der Rohstoffpreis an einem Endprodukt ist und der ist eben in der Regel im Wenige-Cent-Bereich. Und wenn da der Preis um 10 oder 20 Prozent beim Zucker hoch oder runter geht, das ist in der Regel für den Endverbraucher kaum wahrnehmbar."
    Fest steht: In den Zuckermarkt kommt Bewegung. Wem diese Bewegung nützt oder schadet, weiß jetzt noch niemand so genau. Für Michael Frenger ist jedoch klar: Er bleibt der Zuckerrübe treu.
    "Der rheinische Landwirt möchte Zuckerrüben anbauen – da ist er sowohl emotional als auch wirtschaftlich. Bisher war die Zuckerrübe immer die Königsfrucht, die Rübe hat einen dann im Prinzip gerettet, wenn der Getreideertrag bescheiden war und wir hoffen, dass das so bleibt."