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Super-Bläschen im Visier

Die drei neuen Medizin-Nobelpreisträger haben alle Grundlagenforschung zu sogenannten Vesikeln betrieben - kleinen Bläschen, in denen verschiedene Stoffe von Zelle zu Zelle transportiert werden. Medizin-Journalist Martin Winkelheide erläutert im Gespräch die unterschiedlichen Ansätze von James Rothman und Randy Schekman.

07.10.2013
    Monika Seynsche: Wir wollen klären, was es mit diesem Geheimnis der magischen Bläschen, der sogenannten Vesikel, auf sich hat. Dazu ist mein medizinversierter Kollege Martin Winkelheide hier bei mir im Studio. Guten Tag.

    Martin Winkelheide: Hallo.

    Seynsche: Warum sind diese Bläschen, diese Vesikel, so wichtig?

    Winkelheide: Die Zellen arbeiten ja zusammen in unserem Körper, hoffentlich. Und dazu tauschen sie eben auch Botschaften aus, Hormone - auch über weite Distanz. Und alles, was unser Körper macht, dafür sind diese Botschaften eben entscheidend, zum Beispiel, dass unser Immunsystem richtig funktioniert und Angreifer von außen eben eliminiert. Oder dass der Stoffwechsel richtig reguliert ist. Und das Problem ist: Diese Nachrichtenstoffe können eben auch etwas größer sein. Und das heißt, sie gehen da nicht von alleine irgendwie in eine Zelle rein und werden da weitertransportiert - sie bauchen sozusagen einen Transportbehälter. Diese Transportbehälter, das sind die Vesikel. Und die Nobelpreisträger haben eben herausgekriegt, wie die sozusagen richtig adressiert werden und dann auch dahin kommen, wo sie hin sollen.

    Seynsche:Die frühesten Arbeiten, die ja heute ausgezeichnet wurden, sind die von Randy Schekman. Was hat der gemacht?

    Winkelheide: Der hat in den 70er-Jahren schon angefangen, über die Vesikel zu forschen. Und er hat einen ganz einfachen Modellorganismus genommen - Hefen. Und er hat dann geguckt: Wie werden diese Bläschen eigentlich gebaut und wie werden sie durch die Zellen weitergeleitet und was sind die Bestandteile von dem Transportsystem? Dazu hat er dann einzelne Gene bei den Hefen ausgeschaltet und geguckt: Was passiert denn eigentlich? Und er hat dann gesehen, dieses Transportsystem ist schon sehr aufwendig. Es sind gut zwei Dutzend Gene daran beteiligt. Und wenn es Fehler gibt, wenn das nicht mehr richtig funktioniert, kommt es eben zu sehr empfindlichen Störungen. Normalerweise, wenn das Transportsystem richtig gestört ist, sterben die Hefen einfach ab. Wenn es leichtere Fehler gibt, passieren trotzdem gravierende Unfälle. Denn dann werden entweder keine Bläschen gebildet, oder die Bläschen werden nicht richtig weitertransportiert. Oder sie werden auch nicht aus den Hefen ausgeschleust, obwohl sie das eigentlich machen sollten. Und dann sammeln sie sich in der Zelle an und verstopfen sozusagen den Transport. Und das bekommt der Zelle gar nicht gut.

    Seynsche: Der zweite im Bunde ist James Rothman. Was waren dessen Erkenntnisse?

    Winkelheide: James Rothman hat in den 80er-Jahren geforscht. Er hat nicht mit Hefen gearbeitet, sondern mit Säugetierzellen. Und er hat sich dafür interessiert: Wie sieht das eigentlich aus, warum kommen diese Bläschen dann eigentlich genau an die richtige Stelle? Also, warum werden sie dahin geliefert, wo man sie tatsächlich braucht? Das hat er sich genauer angeguckt und hat mit einem Trick gearbeitet: Er hat die Zellen mit einem Virus infiziert. Und Viren sind ja Zellpiraten. Das heißt, sie zwingen die Zelle dann, immer neues Material zu bauen. Und eines der Proteine, eines der Eiweiße, die diese Viren die Zellen gezwungen haben zu bauen, war sehr praktisch. Wenn es gebildet wurde und dann seine Wanderung durch die Zelle antrat in dem kleinen Bläschen ... kurz bevor es dann sein Ziel dort erreicht hat, hat es eine kleine Markierung gekriegt.

    Seynsche: Also eine Art Adressaufkleber?

    Winkelheide: Ja, oder man konnte immer genau sehen: An welcher Stufe der Wanderung ist denn dieses kleine Bläschen jetzt tatsächlich? Das heißt, man konnte den Weg ganz genau nachvollziehen. Und er hat dann gesehen: Das dockt nicht irgendwo an der Membran an, sondern an einem genau definierten Ort. Und diesen Ort hat er sich dann genauer angeguckt und hat dann gesehen: Auf dem Bläschen müssen spezielle Strukturen sein. Und auf der Membran, wo das Bläschen andockt, müssen spezielle Strukturen sein, die dann genau zusammenpassen, wie ein Klettverschluss. Nur, wenn der Klettverschluss richtig fest hält, dann dockt das Bläschen an die Membran an, öffnet sich und der Inhalt wird ausgeschüttet. Und damit war dann klar: Dieses Bläschentransportsystem weiß immer ganz genau, wo es landen muss. Und wenn es nicht an der richtigen Stelle landet, dann wandert es einfach weiter und wird nicht ausgeleert.

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