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Superkamiokande in Japan
Der Neutrino-Jäger im Berg

Die Messdatenwaren des Neutrino-Detektors "Superkamiokande" sorgten 1998 für den entscheidenden Durchbruch: Auf einer Konferenz in Japan berichtete Takaaki Kajita erstmals von Neutrino-Oszillationen und dem Nachweis, dass Neutrinos Masse besitzen. Unser Autor Frank Grotelüschen hat die Konferenz damals besucht.

Von Frank Grotelüschen | 06.10.2015
    Ein Bild des Detektors Superkamiokande und eine Illustration, die das Forschungsgebiet von Nobelpreisträger Takaaki Kajita beschreibt.
    Ein Bild des Detektors Superkamiokande und eine Illustration, die das Forschungsgebiet von Nobelpreisträger Takaaki Kajita beschreibt. (JONATHAN NACKSTRAND/AFP)
    Einen Kilometer fährt der Kleinbus in den Berg hinein, durch einen dunklen, engen Tunnel. Wasser rinnt von den Wänden, dicke Tropfen klatschen gegen die Windschutzscheibe. Am Tunnelende stoppt der Bus,. Wir befinden uns im Herzen einer ehemaligen Zinkmine. Über uns und dem Himmel liegt ein Kilometer Felsgestein. An diesem wenig gastlichen Ort haben die Forscher ihren Neutrinodetektor aufgebaut: Superlamioknade – ein High-Tech-Moloch, der im Grunde auf etwas ganz Banalem basiert, sagt der Physiker Clark McGrew – einem Wassertank.
    "Der Tank hat einen Durchmesser von 40 Metern und ist auch 40 Meter hoch. Der innere Teil, so etwa 30 mal 30 Meter, ist der eigentliche Detektor, gefüllt mit 50 Millionen Liter Wasser. Der äußere Teil dient - ebenso wie das ganze Felsgestein um uns herum - zur Abschirmung, damit keine Störsignale von außen das Ergebnis verfälschen."
    Riesentank für die Neutrinojagd
    Die Höhlenführung beginnt, übrigens in Pantoffeln, schließlich sind wir in Japan. McGrews Kollege Alec Habig stapft durch einen Gang in Richtung Wassertank. Nach ein paar Metern bleibt er an einem Gebilde aus Glas und Metall stehen, es erinnert an eine alte Fernsehbildröhre.
    "Das hier ist das Herz unseres Experiments, eine unserer Photoröhren. Sie hat einen Durchmesser von 50 Zentimetern. Mehr als 11.000 dieser Röhren sind an die Innenwände des Tanks montiert, deutlich mehr als bei allen früheren Experimenten."
    Die Photoröhren sind hochempfindliche elektronische Augen. Sie beobachten schwache Lichtsignale, die im Wasser entstehen, wenn sich ein Neutrino darin verfängt.
    "Wenn ein Neutrino den Detektor durchstreift, reagiert es manchmal mit einem Sauerstoffkern. Dabei entstehen schnelle Partikel, und die erzeugen auf ihrem Weg durchs Wasser einen schwachen Lichtblitz, den wir dann mit unseren Photoröhren auffangen und mit Computern rekonstruieren."
    Weiter geht es den Gang entlang, er endet in einer Kuppel groß wie ein Zirkuszelt. Jetzt liegt er vor uns: Superkamiokande, der Riesentank für die Neutrinojagd.
    "Nun stehen wir genau auf dem Tank. Wenn Sie mal etwas hüpfen, dann spüren Sie: Das ist wirklich ein Tank, der Boden gibt ein wenig nach!"
    Spuren von etwa 5.000 Neutrinos gemessen
    Dann geht Habic dorthin, wo sämtliche Informationen zusammenlaufen - in den Kontrollraum. Ein Bildschirm zeigt Wand, Deckel und Boden des Detektors. In jedem Moment flackert ein anderes Muster auf, eine Art elektronisches Feuerwerk. Die meisten der bunt flackernden Einschläge sind uninteressant. Sie stammen von Störteilchen, die es trotz des Schutzschilds aus Felsgestein bis in die Höhle geschafft haben. Interessant wird's, wenn sich auf dem Bildschirm ein bestimmtes Muster abzeichnet, eine ringartige Figur. Muster, die Takaaki Kajita, dem ehemaligen Sprecher des Suoperkamiokande-Experimets, nun den Physik-Nobelpreis eingebracht haben.
    "Wir haben die Spuren von etwa 5.000 Neutrinos gemessen. Diese Neutrinos entstehen in den oberen Schichten der Erdatmosphäre durch den Beschuss mit kosmischer Strahlung. Als wir die Neutrinospuren analysierten, stießen wir auf das entscheidende Indiz: Von einer bestimmten Neutrinosorte kam deutlich weniger an, als wir ursprünglich erwartet hatten. Die einzige Erklärung: Diese Neutrinos müssen sich in eine andere Sorte verwandelt haben. Und das klappt nur, wenn sie eine Masse besitzen."