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Superlaser gegen Krebszellen

Im Forschungszentrum Rossendorf bei Dresden ist es einer Forschergruppe gelungen, Protonenstrahlen für die Bestrahlung von Krebszellen mit einem kompakten superschnellen Laser zu beschleunigen. Bislang waren für die Protonenbestrahlung riesige Anlagen von Fußballfeldgröße nötig.

Von Viola Simank | 16.11.2011
    Im Forschungszentrum Rossendorf suchen die Forscher nach neuen Wegen, wie sie Strahlung, die schon heute zur Krebsbehandlung eingesetzt wird, einfacher und billiger erzeugen können als bisher. Und zwar mit Hilfe von Laserstrahlen. In ihrem Hochleistungs-Laserlabor wird jeder Staubeintrag penibel vermieden, um die Optiken im Laser nicht zu verschmutzen. Nur so kann er seine volle Kraft entwickeln. Jeder der hier arbeitet, trägt eine Schutzhaube und lange Kittel - Besuchern bleibt nur der Blick durch die Glasscheibe:

    "Wir können mal reinschauen hier, wir haben extra die Fenster mal aufgemacht. Den eigentlichen Laser, den sehen sie hier unter diesen Kistchen. Im Wesentlichen ist das ein sehr modular aufgebautes System, sie haben einen kleinen Laser, quasi den Laserpointer, der den Laserstrahl erzeugt und dann wird er Schritt für Schritt in verschiedenen Verstärkerstufen immer weiter verstärkt. Und deshalb fängt der Strahl winzig klein an, Bruchteile von Millimetern Durchmesser und hat am Ende über zehn Zentimeter Durchmesser","

    erklärt Ulrich Schramm, der den Laser mitentwickelt hat. Dessen für das menschliche Auge unsichtbarer Strahl wird durch mehrere graue Metallkästen geführt. Am Ende seines Weges erreicht der Laser eine gigantische Leistung von 150 Terawatt - das ist ein Mehrfaches dessen, was auf der gesamten Erde an Strom benötigt würde. Allerdings wird diese Leistung immer nur für Millionstel Bruchteile einer Sekunde erzeugt. Doch diese kurzen Lichtpulse reichen, um Protonen zu produzieren und richtig in Fahrt zu bringen. Dies geschieht in einer Vakuumkammer des Labors, in der der Laserstrahl eine hauchdünne Metallfolie beschießt.

    ""Da fragt man sich natürlich, wie kommt ein Proton, also der Kern eines Wasserstoffatoms jetzt aus einer Metallfolie raus. Dazu muss man wissen, dass jede Folie, wenn man sie nicht sehr spezifisch reinigt, auf ihrer Oberfläche Wasser oder Kohlenwasserstoffverunreinigungen enthält, sodass das, was wir eigentlich beschleunigen, wenn wir die Metallfolie beschießen, ich sag's mal salopp, der Dreck von der Rückseite ist, der nachher den Protonenstrahl ausmacht."

    Die Protonen werden also durch den Beschuss aus der Folie herausgeschleudert und durch die enorme Energie innerhalb weniger Mikrometer stark beschleunigt.

    "Die Kräfte, die auf die Teilchen wirken direkt hinter der Folie, die können leicht um den Faktor 1000 bis 10.000 größer sein als in jeder konventionellen Beschleunigeranlage, sodass sie entsprechend schneller die Teilchen auf hohe Energien beschleunigen können, und das ist gerade der Charme des Konzepts. Wir wollen wirklich versuchen, einen Beschleuniger vielleicht um den Faktor 1000 kleiner zu bauen."

    Bisher sind die Teilchenbeschleuniger so groß wie ein Fußballfeld. Das Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum beispielsweise erstreckt sich über drei Stockwerke: Das Gerät arbeitet mit starken Magnetfeldern und braucht meterlange Beschleunigungsstrecken, um die Teilchen in Fahrt bringen. Damit die Protonen- und Ionenstrahlung auf ihrem Weg keinen Schaden anrichtet, muss sie außerdem mit meterdicken Betonwänden abgeschirmt werde. All das ist bei einem Laser-Teilchenbeschleuniger nicht nötig. Bis er allerdings in der Krebstherapie tatsächlich eingesetzt werden kann, wird es sicher noch 15 Jahre dauern, schätzt der Physiker Christian Richter. Immerhin gelang es der Dresdner Forschergruppe jetzt das erste Mal, die Strahlungsdosis exakt zu bestimmen, die in die Krebszellen gelangen sollte:

    "Nur so kann man die Wirkung dieser Strahlung untersuchen. Und das muss gemacht werden, bevor man diese hochgepulste Strahlung, also diese Pulse mit dieser sehr hohen Dosis am Patienten anwenden kann."

    Die Biologen der interdisziplinären Forschergruppe konnten so tatsächlich auch nachweisen, dass die Krebszellen je nach Dosis mehr oder weniger stark vernichtet wurden. Die Protonenteilchen sind auch deshalb so wirksam, weil sie ihre ganze zerstörerische Energie erst am Ende ihres Weges abgeben, wenn sie also in der Tumorzelle angekommen sind. Das schont auch das gesunde Gewebe im Körper. Aber es gibt noch einen Haken: Zwar reicht die Dosis für die Zerstörung der Zellen aus, erklärt Biologin Doreen Naumburger. Aber der Strahl hat noch zu wenig Energie, um weit genug in das Gewebe einzudringen:

    "Bei einem innenliegenden Tumor kann man sich das ganz gut vorstellen. Wenn man jetzt zum Beispiel einen Tumor im Bauchbereich hätte, dann muss der Strahl durch den halben Menschen durch, bis er seine komplette Ladung abgeben kann, so tief muss der Strahl in die biologische Materie eindringen können. Und im Moment sind es eben wenige Mikrometer, die er schafft."

    Damit es bald mehrere Zentimeter werden, arbeiten die Physiker im Rossendorfer Forschungszentrum daran, ihren Laser noch leistungsstärker zu machen.