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Supermarkt-Radio
Für ein gutes Gefühl

Radio P.O.S. ist das vielleicht unbekannteste Radio-Programm Deutschlands. P.O.S. – das steht für Point of Sale; und damit ist auch schon klar, wo das Programm zu hören ist: Da, wo wir alle einkaufen, im Supermarkt zum Beispiel. Dort läuft dann Musik, die nicht stört, zusammen mit Servicethemen und kurzen Nachrichten. Aber nicht zu allen Themen.

Von Christoph Sterz | 05.09.2015
    Kundin in einem Supermarkt
    Einkaufen im Supermarkt: Musik gibt's auch dazu. (dpa / picture alliance / Uwe Anspach)
    "Idealerweise läuft es so, dass der Endkunde sagt: Mensch, hier habe ich mich wohlgefühlt, ist aber 'ne angenehme Atmosphäre. Und ihm ist gar nicht bewusst, dass er tatsächlich die ganze Zeit Radio wirklich so wahrgenommen hat. Wir haben ja keine Hitfunktion, sondern wir haben eine Begleitfunktion", sagt Nicolas Plaßmann, Vertriebschef bei Radio P.O.S. Und das, was er da sagt, klingt dann in der Praxis zum Beispiel so: "Booklet. Musikgeschichten. Wenn der Eurovision-Song-Contest erst einmal wieder vorbei ist, hört man normalerweise wenig von den verschiedenen Teilnehmern. Doch in diesem Jahr ist das anders. Die armenische Sängerin Tamar Kaprelian hat den Song 'The Other Side' veröffentlicht, zusammen mit vier weiteren Sängern vom, richtig, Song Contest (Musik)."
    Die Redaktion von Radio P.O.S. bietet ihren Kunden Musik- und Servicethemen, aber auch Nachrichtensendungen, Sport und ganze Morningshows. Die laufen zum Beispiel bei Edeka und haben eine wichtige Funktion, meint Nicolas Plaßmann. "Sie haben ja bei vielen Handelsunternehmen das Problem, dass nicht alle Mitarbeiter zentral an einem Ort gruppiert sind, sondern in vielen Filialen, über ganz Deutschland beispielsweise. Das ist ein tolles Medium quasi, wenn man sagt, wir können unser Instore-Radio nutzen, um vor Öffnungszeit Mitarbeiter zu informieren oder Grüße zu versenden. Hey, Frau Müller ist seit 30 Jahren im Betrieb, herzlichen Glückwunsch. Es wird geschult auf bestimmte neue Verkaufsaktionen. Da kann man tatsächlich die klassischen Medien, wenn ich Radio mal als solches begreife, ganz gut noch nutzen."
    Wobei das Einkaufsradio natürlich auch für eine andere Sache genutzt wird: Um denjenigen, die gerade einkaufen, ein gutes Gefühl zu geben – das geht zum Beispiel mit Musik, die jeder kennt, und mit Inhalten, die keinem weh tun. Ganz klassisches Radio, meint Redaktionsleiter Torsten Stender. "Es fing an, ihr macht ja nur Ladenfunk, ne? Dieses alte Klischee. Wir kämpfen halt dafür zu sagen: Nein, es ist Instore-Radio. Das ist ganz modernes Radio, was den Hörgewohnheiten entspricht, die der Hörer auch aus dem Autoradio, aus dem terrestrischen Radio kennt."
    Lebensmittelskandale besser rauslassen
    Einen Unterschied gibt es aber doch: Auch wenn Radio P.O.S. nach ganz normalem Radio klingen mag: Dahinter steht jemand, der dafür bezahlt – und der dann letztlich auch entscheidet, was bei ihm im Laden läuft. Deswegen kommt es auch schon mal vor, dass die Service-Themen mehr oder weniger offensichtlich zum Einkaufen ermuntern. "Saisonal ist Grillen jetzt ein großes Thema, so wie auch die Spargelzeit. Natürlich sprechen wir dann über Sauce Hollandaise und wie man Spargel am besten zubereitet. Und dass es den dann bei Edeka gibt, ist dann kein Geheimnis mehr."
    So bekommen die Millionen Hörer, die Radio P.O.S. nach eigenen Angaben jeden Tag hat, auch mal Themen serviert, die einen eindeutig kommerziellen Hintergrund haben. Weil die Redaktion von Radio P.O.S. nun mal im Auftrag von Unternehmen arbeitet. Und das kann sich sogar auf die Nachrichten auswirken - weil im Edeka-Radio zum Beispiel kein Lebensmittelskandal vorkommen würde. "So was würden wir dann einfach mal rauslassen." – "Das würden Sie rauslassen?" – "Das würden wir rauslassen. In der Beziehung sind wir klassischer Dienstleister."
    Seine Redaktion arbeite trotzdem nach journalistischen Kriterien, meint Torsten Stender – und glaubwürdig sei sie auch. Letzten Endes entscheiden aber wie gesagt die Kunden von Radio P.O.S; die Händler. Und die mischen dann auch bei Fragen mit, die sonst eine Redaktion vollkommen autonom beantworten würde: "Was wollen wir machen? Wollt ihr Griechenland beispielsweise in den Nachrichten haben? Dann haben wir den Effekt, dass man abends in der ARD diesen Wiedererkennungswert hat. Und wir sind glaubwürdig. Oder wollen wir’s so machen, dass sich Britney Spears die Haare abgeschnitten hat? Das ist ja auch ein Format. Man kann auch das tun. Allerdings würden wir das eben nicht empfehlen. Und in der Regel ist das dann eben so, oder zu 100 Prozent, dass die Handelspartner sagen: Nee, macht das mal so. Wir wollen auch glaubwürdig sein."