Freitag, 19. April 2024

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Sure 1 Vers 2
"al-Hamdu li-llâh" - "Lob sei Gott"

Die erste Sure ist vielleicht so etwas wie das Vaterunser bei den Christen. Sie ist Bestandteil jedes einzelnen der fünf täglichen Gebete. Und auch weniger gläubigen Menschen in der islamischen Welt sind Verse daraus sehr vertraut. Das gilt insbesondere für den zweiten Vers.

Von Dr. Mohammed Rustom, Carleton University, Ottawa, Kanada | 11.08.2017
    "Lobpreis sei Gott, dem Herrn der Welten."
    Dieser Vers steht am Anfang des ersten Kapitels im Koran, das als "Fatiha" oder als "Eröffnende" bekannt ist. Damit ist er einer der am meisten zitierten Koranverse überhaupt, denn er ist notwendiger Bestandteil des alltäglichen Gebets der Muslime, das fünf Mal im Tagesverlauf verrichtet wird.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Der Versteil "Lobpreis sei Gott" - arabisch: "al-hamdu li-llâh" - bildet zudem eine Aussage, die Muslime in ihrem Alltag immer wieder benutzen. Gewöhnlich bekunden sie damit Zufriedenheit, Freude und Fröhlichkeit.
    Mohammad Rustom in einem Park unter Bäumen, im Hintergrund ist ein See. 
    Mohammed Rustom lehrt als Associate Professor in Kanada. (priv. )
    "Lobpreis sei Gott" wird auch häufig als Antwort gebraucht auf die Frage: "Wie geht es dir?" Damit wird dann zum Ausdruck gebracht, dass die eigene Zufriedenheit vom Willen Gottes abhängt.
    Der Vers, so sagen es uns die klassischen Korankommentatoren, verweist auf den zu rühmenden Gott; den einen Lobenswerten, dem Dank gebührt für all die Gunst, die er einem im Diesseits erweist, und für die Belohnungen, die einen im Jenseits erwarten. Dabei wird Dank für etwas gezollt, das einem bereits geschenkt wurde. Lobpreis indes wird der Natur des Gelobten entgegengebracht - unabhängig davon, ob er irgendwelche Dinge schenkt oder nicht. Lobpreis ist somit universeller. Er wird im Bestimmten geleistet, nicht im Unbestimmten. Dadurch wird deutlich gemacht, dass alle Formen des Lobpreises und die komplette Dankbarkeit Gott zustehen.
    Ferner erläutern die klassischen Korankommentatoren, Gott habe sich in dieser Eröffnungsnote selbst gepriesen, damit die Menschen ihn in seiner Sprache loben können. Gott wisse nämlich, dass die Menschen allein ihn nicht vollkommen loben könnten.
    Einige muslimische Philosophen verstanden Gottes Eigenlob in diesem Vers als das Mittel, durch das alles Existierende zustande gekommen ist. Indem Gott sein eigenes Wesen lobt, tritt der Kosmos und alles, was dieser umfasst, als Resultat der göttlichen Selbstreflexion hervor. Aus diesem Verständnis heraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass alles im Universum, egal ob klein oder groß, eine Form des Gotteslobs darstellt.
    Durch den Koran zieht sich "Herr" als Bezeichnung für Gott, und mehr als vierzig Mal wird er im Heiligen Buch als "Herr der Welten" benannt. Das Wort "Herr" verweist auf einen Meister, dem gehorcht wird, der Dinge in Ordnung bringt und der Sachen besitzt. Unter Bezugnahme auf Gott verweist der Begriff somit auf ihn als Meister ohne Gleichen, der die Angelegenheiten aller seiner Geschöpfe regelt und dem alles Erschaffene gehört.
    Der Ausdruck "die Welten" besagt, dass es verschiedene Gemeinschaften von Wesen gibt. Einige Korankommentatoren sagen, damit seien die vier Gemeinschaften von Menschen, Engeln, Teufeln und Dschinn gemeint; Dschinn sind nach islamischem Glauben übersinnliche Wesen, die aus Feuer geschaffen wurden.
    Möglicherweise bezieht sich "die Welten" auch auf verschiedene Generationen von Menschen, auf jede Spezies der Schöpfung oder darauf das Gott das Souverän über jegliche Stufe der Schöpfung ist - angefangen von der Erde bis zum siebten Himmel.
    Folglich sagen einige Korankommentatoren, der Ausdruck "die Welten" beziehe sich auf alle existierenden Dinge - außer Gott selbst. Aus dieser Haltung heraus merken sie an, dass es einen unendlichen Raum jenseits dieser Welt gebe und Gott alle Möglichkeiten verwirklichen könne - selbst Welten und Universen, von denen wir keinerlei Kenntnis haben.
    Der Vers bezieht sich folglich auf Gott als Herrn über alles, was sichtbar oder vorstellbar ist und über alles, was nicht sichtbar und nicht vorstellbar ist. In diesem Sinn transportiert der Vers die Botschaft: Gott ist der Herr über jeglichen Raum und über alles Existierende, ganz egal, welcher Natur dieses Existierende sein mag.