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Sure 17 Verse 1-2
Der Anspruch der Muslime auf Jerusalem

Im Nahostkonflikt begründen Muslime den Anspruch auf Jerusalem auch damit, dass die Stadt für sie nach Mekka und Medina die drittheiligste des Islams sei. Einer der großen deutschen Islamwissenschaftler und Koranübersetzer, Prof. Dr. Hartmut Bobzin, erklärt den zentralen Koranvers für diese Haltung.

Von Prof. i.R. Dr. Hartmut Bobzin, Universität Erlangen-Nürnberg | 31.07.2015
    "Gepriesen sei, der seinen Knecht nachts reisen ließ
    vom heiligen Gebetsplatz bis zum fernsten,
    um den herum wir Segen spendeten,
    um ihm von unseren Zeichen einige zu zeigen.
    Siehe, er ist der Hörende, der Sehende."
    Das ist der 1. Vers von Sure 17. Sie wurde in Mekka offenbart und heißt auf arabisch "al-'isrâ'", zu deutsch: "Die Nachtreise".
    Die muslimischen Korangelehrten sind sich einig, dass mit dem hier genannten "Knecht" kein anderer gemeint ist als Mohammed, und dass in diesem Vers auf ein besonderes Ereignis in seinem Leben Bezug genommen wird, nämlich auf seine nächtliche Reise von Mekka aus zum – wie es heißt – "fernsten Gebetsplatz".
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Nach Auffassung der meisten muslimischen Koranauslegungen ist mit dem „fernsten Gebetsplatz" der Tempel in Jerusalem gemeint. Denn die danach folgende Beschreibung: "um den herum wir Segen spendeten" wird in anderen Koranversen stets auf das Heilige Land, also Palästina, bezogen.
    Heute betrachtet man die al-Aksa-Moschee und den Felsendom auf dem Tempelberg in Jerusalem als den Ort, an dem Mohammed bei seiner Nachtreise ankam. In den Auseinandersetzungen des Nahostkonflikts wird dies von vielen dazu benutzt, um Israel gegenüber Ansprüche auf den Tempelbezirk zu erheben. Auch wegen dieser nächtlichen Reise des Propheten gilt Jerusalem - nach Mekka und Medina - als drittwichtigste Heilige Stadt des Islams. Jerusalem markierte zunächst sogar die Gebetsrichtung für die Muslime, bevor diese gen Mekka gedreht wurde.
    Hartmut Bobzin
    Hartmut Bobzin hat den Koran übersetzt und war Professor für Islamwissenschaft an der Uni Erlangen-Nürnberg (Bobzin)
    Sure 17 beginnt – wie wir gehört haben – mit den Worten „Gepriesen sei, der seinen Knecht nachts reisen ließ". Das arabische Zeitwort asrâ, zu deutsch
: "er ließ nachts reisen", wird umgeformt zu dem Substantiv "al-'isrâ'", zu deutsch: "Die Nachtreise". Und dieses wird nun auch als Name für die gesamte Sure benutzt.Die näheren Umstände dieser sagenumwobenen Nachtreise sind unter den muslimischen Koranauslegern außerordentlich umstritten. Dem verbreiteten Glauben nach reiste Mohammed auf einem pferdeähnlichen Wesen namens al-Burâq. Begleitet wurde er vom Erzengel Gabriel, der ihm ansonsten die Koranverse übermittelt. Zunächst ging die Reise also von Mekka nach Jerusalem und von dort in einer sogenannten Himmelsreise - auf arabisch "al-mi'râdsch" - hinauf zu Gott. Aus Zeitgründen kann das hier nicht näher ausgeführt werden.Einem ganz anderen Thema wendet sich der zweite Vers von Sure 17 zu:"Wir gaben Mose das Buch
    und machten es für die Kinder Israel zur Weisung."Die Rede ist nun also nicht mehr von der Nachtreise, sondern von den
 "Kindern Israel", also den vorchristlichen Israeliten, und von Mose, dem – wie es heißt – "das Buch" verliehen wurde. Dieses Buch wird an anderen Stellen im Koran "Torâ" genannt. Es sollte den „Kindern Israels" als Weisung dienen – beziehungsweise als "Rechtleitung" – arabisch „hudâ".Das heißt, einzig nach dem, was in diesem Buch steht, sollten sich die Israeliten richten. Damit wird darauf hingewiesen, dass auch für Muslime die Geschichte der „Kinder Israel" von großer Bedeutung ist, dass sie „Zeichen" für die Gläubigen darstellen. Diese Tatsache kann man angesichts der gegenwärtigen Situation im Nahen Osten nicht oft genug betonen!Vers 1 von Sure 17 weist also auf die „Nachtreise" Mohammeds hin, während sich Vers 2 bereits auf die Bedeutung der „Israeliten" für die islamische Heilsgeschichte beschäftigt. Deshalb trägt Sure 17 mitunter auch den Namen 
"Die Kinder Israel" – auf arabisch "Banû Isrâ'îl".Bei der Audioversion handelt es sich um eine aus sendetechnischen Gründen gekürzte Fassung dieses Textes.