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Sure 17 Verse 23-24
Hohe Wertschätzung für die eigenen Eltern

Die eigenen Eltern genießen in den meisten Kulturen und Religionen hohen Respekt. Im Islam wird der Wertschätzung noch einmal besonders hervorgehoben. Und zwar mit einer der schönsten Wendungen, die dem Koran eigen sind, wie Milad Karimi von der Uni Münster ausführt.

Von Dr. Milad Karimi, Universität Münster | 04.03.2016
    "Und entschieden hat dein Herr: 'Ihr sollt Ihm dienen nur, und behandelt die Eltern gut! Wenn einer oder beide bei dir alt geworden, so sag nicht zu ihnen 'Oh!' und fahre sie nicht an, sondern sprich zu ihnen Worte, edle! Und senke für sie den Flügel der Demut in Barmherzigkeit und sag: 'Mein Herr, erbarme Dich ihrer, wie sie mich aufgezogen, als ich klein war!'."
    Diese Verse beginnen mit einer Entscheidung, einem Entschluss, den der Ewige nahelegt. Bemerkenswert wirken die Worte, die im gleichen Atemzug den Gottesdienst und den guten Umgang mit den Eltern ansprechen. Beides wird nicht voneinander getrennt. Seine Eltern nicht gut zu behandeln und zugleich einen guten Gottesdienst zu feiern, erscheint unmöglich. Was heißt aber: "Behandelt die Eltern gut!"? Dieser Imperativ wird hier näher erläutert, indem grundsätzlich die Haltung zu den Eltern umrissen wird.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Wenn die Eltern alt werden, verlieren sie im eigentlichen Sinne des Wortes ihr Elterndasein. Ihre Stärke entschwindet, ihre Beherrschung lässt nach; sie werden bedürftig und gebrechlich. All dies wird in diesem Vers mit dem Wort "alt" zusammengefasst. Das Alter hat einen vorzüglichen Wert, der im Koran besonders hervorgehoben wird. Die Eltern stehen für die Würde des Altwerdens. Ihre Schwäche wird zur Stärke. Sie mögen zuweilen lästig wirken, an Kleinigkeiten scheitern und nichts Gelingendes hervorbringen können, aber der Koran fährt mit dem Imperativ weiter: "so sag nicht zu ihnen "Oh!" und fahre sie nicht an"! Denn gerade dann, wenn die Eltern am schwächsten und bedürftigsten sind, "sprich zu ihnen Worte, edle!", ohne ihnen auch mit einem Seufzer zu begegnen.
    Die Stimme des Korans schützt die Schwachen und Bedürftigen; der Blick ist nicht auf den Gewinn und auf die Produktivität gerichtet, sondern gewürdigt werden hier Menschen als Menschen – gerade in ihrer Eigenschaft als alte Menschen.
    Der Islamwissenschaftler und Philosoph Milad Karimi
    Der Islamwissenschaftler und Philosoph Milad Karimi (Peter Grewer)
    Die Güte und anmutige Haltung, die der Koran einem im Umgang mit den Eltern nahelegt, ist nicht direkt mit einem Lohnversprechen verbunden. Damit werden die Eltern nicht als Mittel zur eigenen Belohnung begriffen. Gut zu sein ist hier der Befehl Gottes - ohne dafür einen Lohn zu erwarten. Die zitternden Hände der Eltern mit Achtung zu halten ist selbst Belohnung. Bedürftigen Gutes zu tun, bereichert einen selbst unmittelbar. [Unzählige Überlieferungen dokumentieren, wie ernst und konsequent der Prophet Mohammad diese Worte in seinem Leben in die Tat umgesetzt hat.]
    Mit einer der schönsten Wendungen, die dem Koran eigen sind, wird sodann das Verhältnis zu den Eltern präzise gefasst: "Und senke für sie den Flügel der Demut in Barmherzigkeit". Demut bestimmt also dieses Verhältnis. In einem Verhältnis, das aus dem Bewusstsein der Demut gewachsen ist, erwartet man nämlich keine Dankbarkeit. Der Koran beschreibt diese Beziehung zu den Eltern so:Weil sie auf Demut ruht, ist sie selbst ein Akt der Dankbarkeit. So lässt sich auch erklären, warum das Verhältnis zu Gott und das Verhältnis zu den Eltern am Anfang des Verses im gleichen Atemzug Erwähnung finden, basieren sie doch beide auf Dankbarkeit; obgleich das uneinholbar einzigartige Verhältnis des Menschen zu Gott keinen Vergleich duldet: "Ihr sollt Ihm dienen nur, und behandelt die Eltern gut!"
    So dürfte nicht überraschen, dass die Verse in ein Gebet münden, das dem Menschen ans Herz gelegt wird: "Mein Herr, erbarme Dich ihrer, wie sie mich aufgezogen, als ich klein war!" Die Erinnerung an die eigene Bedürftigkeit und Schwäche, die einst im Schoße der Eltern Geborgenheit fanden, dienen hier als ein Gleichnis, in jeder Unzulänglichkeit zunächst die eigene Unzulänglichkeit zu erblicken.
    Bei der Audioversion handelt es sich um eine aus Gründen der Sendezeit leicht gekürzte Fassung dieses Textes.