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Sure 19 Verse 16-21
Die Weihnachtsbotschaft im Koran

Muslime feiern keine Weihnachten. Die Botschaft von Jesu Geburt findet dennoch ihren Niederschlag im Koran. Jesus ist im Islam nicht der Sohn Gottes, aber ein wichtiger Prophet - der letzte vor dem Auftreten Mohammeds. In der Darstellung der Weihnachtsgeschichte gibt es somit einige Unterschiede, die bereits bei seiner Mutter Maria anfangen.

Von Prof. i.R. Dr. Hartmut Bobzin, Universität Erlangen-Nürnberg | 11.12.2015
    "Und gedenke im Buch der Maria:
    Da sie vor ihren Leuten sich an einen Ort im Osten zurückzog und sich vor ihnen abschirmte.
    Da sandten wir unseren Geist zu ihr. Der trat als Mensch, wohlgestaltet, vor sie hin.
    Sie sprach: ‚Siehe, ich suche meine Zuflucht vor dir bei dem Erbarmer,
    sofern du gottesfürchtig bist.'
    Er sprach: ‚Ich bin der Gesandte deines Herrn, um dir einen lauteren Knaben zu schenken!'
    Sie sprach: ‚Wie soll ich einen Knaben bekommen,
    da mich noch kein Mann berührt hat und ich auch keine Dirne bin?'
    Er sprach: ‚So spricht dein Herr: Das ist für mich ein Leichtes.'"
    So wie im gesamten Koran nur relativ wenige Personen namentlich erwähnt werden, nehmen Frauen darunter einen besonders geringen Anteil ein. Von insgesamt zehn Frauen wird nur eine einzige bei ihrem Namen genannt - und das ist Maria.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Die Mutter Jesu genießt nicht nur in vielen christlichen Ländern eine besondere Verehrung sondern auch in Ländern, in denen der Islam die dominierende Religion ist. Dort bringen auch muslimische Mütter ihre kleinen Kinder zu Marien-Heiligtümern, um sie dort segnen zu lassen: eine eindrucksvolle Demonstration eines friedlichen Miteinanders zwischen – wie ich es selber in Ägypten erlebt habe - koptischen Christen und Muslimen.
    Anders gesagt: Marienverehrung – das ist ganz und gar nicht allein eine Angelegenheit der Christen. Und ein Blick in den Koran bringt da Erstaunliches zutage. Denn Jesus, der im Islam als der letzte Prophet vor dem Auftreten von Mohammed gilt, wird mehrfach als "der Sohn der Maria" bezeichnet – insgesamt 22 mal. Das ist insofern ungewöhnlich und in besonderer Weise bemerkenswert, als Männern üblicherweise der Vatersnamen hinzugefügt wird. Also zum Beispiel: "Mohámmed ibn Abdâllah", das heißt, "Mohámmed, der Sohn des Abdállah".
    Hartmut Bobzin
    Hartmut Bobzin hat den Koran übersetzt und war Professor für Islamwissenschaft an der Uni Erlangen-Nürnberg (Bobzin)
    Dementsprechend müsste Jesus, der von Muslimen gemäß dem Koran Îsâ genannt wird, folgendermaßen tituliert werden: "Jesus, der Sohn des Joseph", auf arabisch also: "Îsâ – ibn Jûsuf".
    In unserer Koranpassage heißt es nun, Maria habe sich "an einen Ort im Osten" zurückgezogen. Wo man sich diesen Ort geographisch genau vorzustellen hat, wird nicht gesagt. Für die Erzählung ist von Bedeutung, dass es die Himmelsrichtung des Tagesanbruchs ist – also dass etwas Neues anbricht.
    Und es wird gesagt, dass Maria allein sein will, dass sie jedenfalls vor allem nichts mit ihrer Verwandtschaft zu tun haben will – oder noch drastischer ausgedrückt: nichts mit ihrem Klüngel.
    Dann geschieht etwas Überraschendes. Ein Mensch, wohlgestaltet, tritt vor sie hin. Von einem "Engel" – wie im neuen Testament – ist interessanterweise nicht die Rede. Maria ist so erschrocken, dass sie Gott als ihren Beschützer anruft.
    Ohne Umschweife gibt sich daraufhin der "Geist", wie es im Koran wörtlich heißt, als "Gesandter Gottes" zu erkennen und verkündet Maria die Geburt eines "lauteren" beziehungsweise eines "reinen Knaben".
    Worin diese "Reinheit" besteht, wird nicht gesagt. Der Auslegung ist hier Tür und Tor geöffnet. Jedenfalls ist explizit nicht, wie in bestimmten christlichen Konfessionen, von der "unbefleckten Empfängnis" die Rede.
    Die Antwort Marias auf die Ankündigung dieses Gottesboten könnte nüchterner nicht sein: "Wie soll das möglich sein, da ich doch gar nicht mit einem Mann in Berührung gekommen bin"? Umso überraschender ist auch die Antwort des Boten. Er sagt: "Nichts leichter als das!"
    Die Geburt Jesu ist also, so muss man die knappe Ausdrucksweise deuten, kein "Wunder", sondern ein ganz normaler Vorgang, Jesus, der "Sohn der Maria", ist Mensch – nicht mehr und nicht weniger.
    Bei der Audioversion handelt es sich um eine aus Gründen der Sendezeit leicht gekürzte Fassung dieses Textes.