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Sure 19 Verse 22-30
Die Weihnachtsbotschaft im Koran

Jesus kommt auch im Koran vor. In der Heiligen Schrift des Islams heißt er Isa. Allerdings ist Isa nicht der Sohn Gottes, sondern ein Prophet. In der vergangenen Ausgabe von "Koran erklärt" ging es darum, wie Maria die Geburt Jesu angekündigt wurde. Dieses Mal geht es um ihre Schwangerschaft und um die Niederkunft. Dabei überrascht der Koran mit einer aus der Bibel gänzlich unbekannten Wundertat Jesu.

Von Prof. i.R. Dr. Hartmut Bobzin, Universität Erlangen-Nürnberg | 18.12.2015
    "Sie wurde mit ihm schwanger und zog sich zurück mit ihm an einen weit entfernten Ort.
    Da überkamen sie am Stamm der Palme Wehen. Sie sprach: "Weh mir! Ach wäre ich doch vorher schon gestorben und ganz und gar vergessen!"
    Da rief es ihr von unterhalb der Palme zu: ‚Bekümmere dich nicht! Dein Herr hat unter dir ein Bächlein fließen lassen. Rüttle den Stamm der Palme – hin zu dir, damit sie frische Früchte auf dich fallen lasse! Dann iss und trink, und sei guten Mutes! Wenn du dann irgendeinen Menschen siehst, so sprich: ‚Siehe, ich habe dem Erbarmer ein Fasten gelobt; daher kann ich heute zu keinem Menschen sprechen'.'
    Dann kam sie, mit ihm, ihn tragend, zu den Ihren.
    Sie sprachen: ‚Maria, da hast du etwas Unerhörtes getan! Schwester Aarons, dein Vater war doch kein unzüchtiger Mann und deine Mutter keine Dirne.'
    Da deutete sie auf ihn.
    Sie sprachen: ‚Wie sollen wir zu einem sprechen, der noch ein Kind ist in der Wiege?'
    Er sprach: ‚Ich bin der Knecht Gottes! Er gab mir das Buch und machte mich zum Propheten.'"
    Die Koranpassage beschreibt, was geschah, nachdem Maria die Geburt ihres Sohns Jesu angekündigt worden war.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Als ich zu Weihnachten 1977 von einem palästinensischen Freund, einem Muslim, eine Weihnachtskarte bekam, auf der eine Palme mit Maria und dem Jesuskind zu sehen war, wunderte ich mich – hatte ich mich bis dahin doch kaum mit dem Koran beschäftigt.
    Später wurde es mir klar: Die Weihnachtskarte zeigte die muslimische Version, nach der sich Maria – auf arabisch heißt sie: Maryam – vor den Ihren - also ihrer Sippe - weit nach Osten zurückgezogen hatte. Am Stamm einer Palme überkommen sie Wehen. Verzweifelt wünscht sie sich den Tod, so verlassen fühlt sie sich.
    Hartmut Bobzin
    Hartmut Bobzin hat den Koran übersetzt und war Professor für Islamwissenschaft an der Uni Erlangen-Nürnberg (Bobzin)
    Da hört sie eine Stimme. Und hier ist der Korantext nicht eindeutig. Die heute oft vertretene Deutung meint, dass es die Stimme des Jesuskindes ist. Das erscheint mir aber nicht zwingend. Denn die daraufhin folgende Aufforderung kann eigentlich nur von Gott kommen: Maria soll nämlich an diesem Tag, wenn sie einen Menschen sieht, sagen, sie faste und könne daher nicht sprechen.
    Als sie schließlich mit dem neugeborenen Kind zu den Ihren zurückkehrt, muss sie sich Vorwürfe anhören. Sie schweigt und deutet nur auf das neugeborene Jesuskind. Die Angehörigen sind erstaunt. Und nun geschieht das Wunder: Das Kind in der Wiege spricht.
    So enthält die muslimische Weihnachtsbotschaft bereits einerseits die Ankündigung des "Buches", also einer "Heiligen Schrift", und anderseits die Berufung des Kindes Jesus zum Propheten, wie der Satz: "Ich bin der Knecht Gottes" erkennen lässt.
    Das Wunderbare dieses Geschehens wird durch die geradezu feierlichen Schlussverse 31 bis 33 der Sure 19 unterstrichen: "Er verlieh mir Segen, wo immer ich auch war, und trug mir das Gebet auf und die Armensteuer, solange ich am Leben bin. Und Ehrerbietung gegen meine Mutter. Er machte mich zu keinem elenden Gewaltmensch. Und Friede über mir am Tag, da ich geboren wurde, am Tag, an dem ich sterben werde, und an dem Tag, da ich erweckt zum Leben werde."
    So ist die muslimische Weihnachtsbotschaft ein klares Wort über die menschliche Natur Jesu, über seine wundersame Empfängnis durch den "Geist Gottes" und die nicht minder wundersame Gabe des Kindes, schon in der Wiege reden zu können.