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Sure 2 Vers 260
Zweifel an der Auferstehung

An die Auferstehung des Menschen zu glauben, wie es die abrahamitischen Religionen lehren, ist nicht leicht. Die menschliche Vernunft stellt dieser Vorstellung einige Hürden in den Weg. Der Koran berichtet, dass sogar große Propheten Zweifel bekommen hätten.

Von Prof. Dr. Maha El-Kaisy Friemuth, Universität Erlangen-Nürnberg | 17.06.2016
    "Und gedenke, als Abraham sagte: ‚Mein Herr, lass mich sehen, wie du die Toten wieder zum Leben bringst.‘ Er sprach: ‚Glaubst du denn nicht?‘ Er sagte: 'Doch! Aber ich frage, um mein Herz zu beruhigen.'"
    Der Erzähler dieser Verse verweist auf eine interessante Szene. Abraham bittet Gott, ihm zu zeigen, wie er Tote wieder zum Leben erweckt. Gott antwortet ihm darauf mit einer Gegenfrage: "Glaubst du denn nicht?"
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Wir treffen hier auf ein schwieriges Thema im Koran, das nur im Glauben zu erfassen ist. Mit rationalen Argumenten ist leibhaftige Auferstehung kaum zu erklären. An die Auferstehung als Wunsch des Weiterlebens zu glauben, ist möglich, nicht aber der tatsächliche Nachweis.
    Für den Propheten Mohammed zählte die Auferstehung zu den Streitfragen bei seiner Mission in Arabien. Anders als bei den alten Ägyptern, in deren Religion das Weiterleben nach dem Tod eine zentrale Rolle spielte, hatte sich die Idee von einem Leben nach dem Tod im arabischen Kernland nicht entwickelt. Ganz im Gegenteil; hier war man realistisch und fand die Vorstellung unglaubwürdig, dass sich um tote Knochen lebendiges Fleisch legen würde.
    Maha El-Kaisy Friemuth.
    Maha El-Kaisy Friemuth forscht am Interdisziplinären Zentrum für islamische Religionslehre. (priv.)
    Der Koran spiegelt diese Diskussion an mehreren Stellen wider - etwa in Sure 36 Verse 78 bis 79: "'Wer kann die Gebeine beleben, wenn sie morsch geworden sind?' Sprich: 'Er, der sie das erste Mal erschuf - er wird sie beleben; denn er kennt jegliche Schöpfung.'"
    Die Vorstellung von Gott als Neuschöpfer ist ein wichtiges Element im Koran und tritt dort im Zusammenhang mit den häufigen, sehr lebhaft beschriebenen Vorstellungen von Hölle und Paradies auf.
    In den Versen vor Abrahams Frage nach der Auferstehung wird die Geschichte eines Mannes erzählt, der ein Leben nach dem Tod bezweifelt und es für unmöglich hält. Damit er am eigenen Leib erfahren kann, was Auferstehung ist, lässt Gott ihn sterben und erweckt ihn nach einhundert Jahren wieder zum Leben.
    Dieses Beispiel zeigt, dass es an dieser Stelle nicht um Abrahams persönlichen Zweifel an der Auferstehung geht, sondern um die Gläubigen an sich, die mit diesem Thema ihre Schwierigkeiten haben.
    Ein zweites Thema in diesem Vers ist die Auseinandersetzung damit, ob Abraham tatsächlich als Zweifler anzusehen ist, wie es Gottes Gegenfrage: "Glaubst du denn nicht?" nahelegen könnte.
    Der scheinbare Konflikt besteht darin, dass Propheten - also auch Abraham - keine Sünden begehen, und das heißt eben auch, nicht an Gott und seinen Fähigkeiten zweifeln. Den Glauben zu stärken und Gottes Allmacht zu verkünden, ist der Kern prophetischer Weisheit und Vernunft.
    In Wirklichkeit aber sehen wir am Beispiel von Abrahams Frage nach der Auferstehung etwas ganz anderes, nämlich dies, dass der Koran auch Zweifel am Glauben thematisiert.
    Er tut es auch an anderer Stelle, etwa in Sure 7 Vers 143 im Hinblick auf Moses Wunsch, Gott sehen zu wollen: "'Mein Herr, zeige Dich mir, auf dass ich Dich schauen mag.’ Er sprach: ‚Du wirst mich nicht sehen'".
    Anzunehmen, dass jemand vollkommenen Glauben hat und keine Fragen stellt, ist naiv. Das zeigt hier der Koran indem er zweifelnde Fragen nicht nur zulässt, sondern sie vielmehr direkt stellt. Er verlegt sie in die Stimmen großer Propheten wie Abraham und Mose. Nicht um diese als glaubensschwach dastehen zu lassen, sondern umgekehrt: Ihre höchste prophetische Autorität wird in Anspruch genommen, um zu zeigen, dass Fragen und Zweifel durchaus legitim sind.
    Gott setzt sich mit dem was die Gläubigen bewegt auseinander und gibt anschauliche Beispiele. Und so wird klar: Was schon ein Prophet sich fragte, das darf und soll auch ein Gläubiger tun, denn ein Wachsen im Glauben geht nicht ohne Zweifel und Fragen. Die Propheten selbst sind dafür das beste Beispiel.
    Die Audioversion musste aus Sendezeitgründen leicht gekürzt werden.