Mittwoch, 24. April 2024

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Sure 2 Vers 282
Der längste Vers im Koran

Die Länge der Koranverse unterscheidet sich mitunter deutlich. Einige bestehen nur aus einzelnen Buchstaben, andere aus ganzen Abschnitten. Professor Ousmane Kane von der renommierten Havard University in den USA erläutert im DLF den längsten Vers in der Heiligen Schrift der Muslime. Es geht um das wirtschafliche Konzept von Terminkäufen und darum, was das mit den verschiedenen Stufen des Glaubens im Islam zu tun hat.

Von Prof. Dr. Ousmane Oumar Kane, Harvard University, Cambridge, Massachusetts, USA | 22.04.2016
    "O ihr, die ihr glaubt! Wenn ihr euch untereinander verschuldet für eine festgelegte Frist, dann schreibt es auf! Ein Schreiber schreibe es in eurem Beisein auf, wie es recht ist! Und kein Schreiber darf sich weigern zu schreiben, so wie ihn Gott gelehrt hat. Er soll schreiben, und der Schuldner soll diktieren und dabei Gott fürchten, seinen Herrn: Er soll nichts von ihr abziehen! Wenn der Schuldner schwachsinnig oder minderjährig ist oder nicht selbst diktieren kann, dann soll sein Beistand diktieren, wie es recht ist. Nehmt zwei eurer Männer euch zu Zeugen! Wenn zwei Männer nicht vorhanden sind, dann einen Mann und zwei Frauen, von solchen, die euch als Zeugen tauglich dünken: Irrt eine von den beiden, dass sie die andere erinnern kann. Die Zeugen dürfen sich nicht weigern, wenn sie gerufen werden. Lasst es euch nicht verdrießen, es aufzuschreiben, ob Kleines oder Großes, bis zur Frist dafür! Vor Gott entspricht das dem Recht eher und ist geeigneter für die Bezeugung und naheliegender, damit ihr keine Zweifel hegt. Doch wenn es sich um Ware handelt, mit der ihr gerade unter euch ein Geschäft abwickelt, dann sündigt ihr nicht, wenn ihr sie nicht aufschreibt. Doch nehmt Zeugen, wenn ihr miteinander Handel treibt! Und kein Schreiber oder Zeuge soll zu Schaden kommen. Wenn ihr es dennoch tut, dann ist das eine Schandtat von euch. Fürchtet Gott! Gott wird euch lehren! Gott weiß um alle Dinge."
    Es handelt sich bei diesem Vers um den längsten im gesamten Koran.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Viele Koranverse wurden offenbart, um der muslimischen Gemeinschaft im Hinblick auf spezifische Themen und Herausforderungen eine Rechtleitung zu geben. Der gesamte Vers 282 aus Sure 2 wurde im Zusammenhang mit Terminkäufen in der Landwirtschaft offenbart.
    Zu Lebzeiten des Propheten Mohammed waren solche Handelsgeschäfte üblich. Bei einem Terminkauf erhielt der Verkäufer Geld für Waren, die erst ein oder mehrere Jahre später ausgeliefert wurden. Solche Terminkäufe waren sinnvoll bei landwirtschaftlichen Gütern, wenn der Verkäufer Geldmittel für Saatgut und für die Aufwendungen während der Kultivierung benötigte.
    Professor Ousmane Oumar Kane.
    Professor Ousmane Oumar Kane lehrt an der renommierten Havard University in Cambridge, USA. (priv. )
    Zweimal drängt der Vers die Gläubigen dazu, Gott zu fürchten. Am Ende stellt er fest, dass Gott jene, die ihn fürchten, Wissen lehrt. Diese Verbindung von Gottesfurcht und Wissen ist von zentraler Bedeutung für die islamische Erkenntnistheorie.
    Das wirft die Frage auf: Was ist Gottesfurcht - arabisch: taqwâ? Muslimische Theologen stimmen darin überein, dass sich Gottesfurcht beziehungsweise Frömmigkeit an religiöse Pflichten und an das Unterlassen von Übertretungen anschließt. Ein frommer Muslim ist also einer, der Gott so sehr fürchtet, dass er alle Pflichten erfüllt und alle Übertretungen unterlässt. Sure 49 Vers 13 hält hierzu fest, der frömmste Gläubige habe den höchsten Status vor Gott.
    Das führt uns zur Besprechung der verschiedenen Glaubensstufen im Islam. Muslime sind sich einig, dass es drei Stufen des Glaubens gibt, die sie erreichen können.
    Die erste ist die Unterwerfung – arabisch: "islâm". Man akzeptiert, dass es keinen Gott außer Gott gibt und Mohammed sein Prophet ist, dass man fünfmal am Tag betet, im Monat Ramadan fastet, jedes Jahr den islamischen Zehnt entrichtet und wenn möglich mindestens einmal im Leben die Pilgerfahrt nach Mekka macht.
    Die zweite Stufe ist der Glaube – arabisch: "imân". Man glaubt an Gott, seine Engel, seine Bücher, seine Propheten, den Tag des Jüngsten Gerichts und an Gottes gerechte Bestimmung aller Dinge.
    Die dritte und höchste Stufe des Glaubens im Islam heißt auf Arabisch "ihsân". Das bedeutet, der Gläubige verehrt Gott so, als würde er ihn immer sehen. Denn selbst wenn er ihn nicht sieht, Gott sieht ihn. Erreicht ein Muslim die Stufe des "ihsân", wird er Gott sehr nahe kommen. Eine solche Nähe ermöglicht es ihm dann, unmittelbar von Gott Wissen zu erlangen.
    Es handelt sich hierbei um eine aus sendetechnischen Gründen leicht veränderte Version.