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Sure 23 Verse 12-14
Die Erschaffung des Menschen aus einem Blutklumpen

Laut Koran hat Gott den Menschen aus einem Blutklumpen erschaffen. Der im Koran relativ genau geschilderte Schöpfungsprozess, bewegt Muslime seit langem. Heute ist es vor allem ein spannendes Forschungsfeld der Islamwissenschaft hinsichtlich medizinethischer Fragen etwa zum vorgeburtlichen Leben, früher brachte man es eher mit dem Glauben an die Auferstehung am Tag des Jüngsten Gerichts zusammen.

Von Prof. Dr. Thomas Eich, Universität Hamburg | 10.06.2016
    "Und wahrlich, wir erschufen den Menschen aus einer Substanz aus Lehm. Alsdann setzten wir ihn als Samentropfen an eine sichere Ruhestätte. Dann bildeten wir den Tropfen zu einem Blutklumpen; dann bildeten wir den Blutklumpen zu einem Fleischklumpen; dann bildeten wir aus dem Fleischklumpen Knochen; dann bekleideten wir die Knochen mit Fleisch; dann entwickelten wir es zu einer anderen Schöpfung."
    Die Koranverse über die Erschaffung des Menschen stehen im Kontext mit einer der zentralen Lehren, die Mohammed an sein soziales Umfeld herantrug. Es war die Idee der körperlichen Wiederauferstehung am Ende der Welt. Hiermit verbunden war die Vorstellung, dass an diesem Tag alle Menschen Rechenschaft ablegen werden über ihre Taten.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Keineswegs handelte es sich hierbei um Ideen, die dem Umfeld Mohammeds völlig neu waren. Immer wieder setzt der Koran die Existenz von Religionsgruppen wie Juden, Christen oder anderen als bekannt voraus, die durchaus vergleichbare Ansichten vertraten.
    Die Kritik an der Vorstellung der körperlichen Wiederauferstehung hatte jedoch nie abgerissen, durchaus auch innerhalb der jeweiligen religiösen Traditionen. Im Kern zielte sie immer wieder auf die gleiche Frage: Wie soll das gehen, wenn der Körper doch nach dem Tode zerfällt?
    Die Antwort, die der Koran in der zitierten Stellen gibt, ist letztendlich der Verweis auf die Allmacht Gottes: "Gott kann das!" Gott vermochte es am Anfang der Welt Adam aus irdener Materie zu schaffen und er lässt jeden Menschen aus einem Tropfen entstehen. Natürlich kann er dann auch am Jüngsten Tag die Körper wieder erstehen lassen! So die Überzeugung.
    Ähnliche Äußerungen wie in den zitierten Versen lassen sich in Sure 22 Vers 5 lesen. Betrachtet man die Passagen unmittelbar vor und nach den beiden Koranstellen, so wird der eschatologische Zusammenhang überdeutlich. Beide Male ist vom Ende der Welt die Rede und beide Male werden die Zuhörer aufgefordert, ihr Verhalten zu ändern. Im Koran finden sich noch weitere Beispiele, in denen dieser Themenkomplex mit dem Motiv der Entstehung menschlichen Lebens im Mutterleib verknüpft wird.
    Nirgendwo sonst jedoch ist das Bild vorgeburtlichen Lebens so vergleichsweise differenziert wie in den Versen 23: 12 bis 14 und 22: 5. Hier ist von einem Prozess in mehreren Stadien die Rede, der vor allem Tropfen, Blutklumpen und Fleischklumpen durchläuft. Sure 22 Vers 5 bezeichnet den Fleischklumpen noch zusätzlich als "teils geformt" und "teils ungeformt".
    Der Koran benutzt hier ein Konzept vorgeburtlicher Entwicklung, das auf griechisch-antike Medizin zurückgeht. Offenkundig wird das wiederum bei der Zuhörerschaft als bekannt vorausgesetzt.
    Auch in dieser Hinsicht kann der Koran klar in den großen theologischen Debatten seiner Zeit verortet werden. In ihnen wurden durchaus öfter Konzepte der griechisch-antiken Medizin sozusagen illustrativ in Bezug zu theologischen Kernaussagen gesetzt.
    Neben den evidenten Gemeinsamkeiten der beiden Passagen gibt es aber auch Unterschiede. Während Sure 22: 5 ganz explizit vom Leben sowohl vor als auch nach der Geburt spricht, ist in den eingangs zitierten Versen explizit nur vom Ungeborenen die Rede. Dann heißt es weiter: "Dann entwickelten wir es zu einer anderen Schöpfung".
    Was war hiermit gemeint? Die Geburt? Die Wiederauferstehung? In den ersten Jahrhunderten der Koranauslegung wurden hier durchaus unterschiedliche Antworten diskutiert. Weitgehend durchgesetzt hat sich schließlich die Interpretation, dass die individuelle Beseelung des Embryos gemeint sei. Diese Idee findet sich auch explizit in den überlieferten Aussprüchen Mohammeds.