Donnerstag, 18. April 2024

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Sure 24 Vers 31
Von Frauen, Sklaven, Eunuchen und Transsexuellen

Ein großes (Streit-)-Thema unter Muslimen und Nicht-Muslimen sind die religiösen Bekleidungsvorschriften für Frauen. Einer der zentralen Verse dazu ist Sure 24 Vers 31. In dem Vers steckt aber noch mehr. So verweisen zum Beispiel auch Verfechter von Trans-Rechten im Islam auf diese Worte.

Von Dr. Shaun E. Marmon, Princeton University, USA | 13.04.2018
    "Und sag den gläubigen Frauen, sie sollen ihre Augen niederschlagen, und ihre Keuschheit bewahren, ihren Schmuck nicht offen zeigen, soweit er nicht normalerweise sichtbar ist, ihre Tücher über ihre Busen ziehen und ihren Schmuck niemandem offen zeigen außer ihrem Mann, ihrem Vater, ihrem Schwiegervater, ihren Söhnen, ihren Stiefsöhnen, ihren Brüdern, den Söhnen ihrer Brüder und ihrer Schwestern, ihren Frauen, die sie von Rechts wegen besitzen, der männlichen Gefolgschaft, die keinen Geschlechtstrieb (mehr) hat, oder Kindern, die die weibliche Intimsphäre nicht beachten. Und sie sollen nicht feste auftreten, um auf den Schmuck aufmerksam zu machen, den sie verborgen tragen. Und wendet euch allesamt reumütig wieder Gott zu, ihr Gläubigen. Vielleicht wird es euch wohl ergehen."
    Dieser Vers ist an Frauen gerichtet und enthält Anweisungen für bescheidenes Verhalten und sexuelle Schicklichkeit. Nur der letzte Satzteil wechselt grammatikalisch zur männlichen Imperativform der zweiten Person Plural und schließt somit alle Geschlechter ein.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Die Anweisung am Anfang spiegelt den ersten Teil des vorangegangenen Verses (24:30), nur dass es dort um Männer geht: "Und sag den gläubigen Männern, sie sollen ihre Augen niederschlagen, und ihre Keuschheit bewahren." Folglich wird sowohl Männern als auch Frauen Bescheidenheit und Sexualmoral vorgeschrieben. Beide sollen ihr sexuelles Verlangen kontrollieren. Frauen haben dann zusätzlich Verantwortung dafür, dass ihr "Schmuck" (zîna) vor den Blicken anderer zumindest teilweise verborgen ist.
    Unter "Schmuck" verstanden Koranexegeten damals verschiedene Schichten der weiblichen Bekleidung, den weiblichen Köper selbst und - weitergefasst - dessen erotisches Potenzial. Die Mehrheitsmeinung der islamischen Rechtsgelehrten besagte, das äußerste Kleidungsstück einer Frau solle ihren gesamten Körper mit Ausnahme von Gesicht und Händen verdecken.
    Shaun Marmon vor eine Eingangstür.
    Shaun Marmon lehrt an der renommierten amerikanischen Princeton University. (priv. )
    Ausdrücklich angewiesen wird in diesem Vers aber nur, dass Frauen "ihre Tücher über ihre Busen ziehen" und "nicht feste auftreten" sollen; letzteres bezog sich aus Sicht der Gelehrten auf klimpernde Fußkettchen.
    Schauen wir uns die Sprache des Verses an, so wird klar, die Verpflichtung gläubiger Frauen zum Verbergen ihres "Schmucks" gilt nicht uneingeschränkt. Es wird anerkannt, dass Frauen soziale Wesen sind, die mit einer Vielzahl von Menschen interagieren: Männern und Frauen, Sklaven und Freien, Erwachsenen und Kindern. Sie besitzen jedoch einen "Schmuck", der möglicherweise die moralische Ordnung stört. Deshalb sollen sie ihren gesellschaftlichen Umgang regeln und zwar von Fall zu Fall und gemäß unterschiedlichen Graden fürs Bedecken und offen Zeigen.
    Im Vers folgt eine Liste von Personen, denen sich Frauen zeigen dürfen. Diese Personen werden in Gruppen gefasst, deren erotischer Blick entweder erlaubt ist, das gilt für Ehemänner, oder von denen angenommen wird, dass sie wegen ihres Verwandtschaftsgrads, ihres gesellschaftlichen Status, ihres Geschlechts oder ihrer Unreife keine Bedrohung für die Moral darstellen.
    Vor die größten Probleme gestellt, sahen sich die Exegeten bei der Gruppe der Sklaven, also jenen, "die sie von Rechts wegen besitzen", wie es im Vers heißt, und bei der Gruppe der "männlichen Gefolgschaft, die keinen Geschlechtstrieb (mehr) hat".
    Die Gruppe der Sklaven, denen sich Frauen zeigen dürfen, wurde von den meisten mittelalterlichen Exegeten auf weibliche und unreife männliche Sklaven oder Eunuchen beschränkt.
    Nur - wer ist dann "die männliche Gefolgschaft, die keinen Geschlechtstrieb (mehr) hat"? Einige Exegeten wollten darunter explizit die Eunuchen fassen. Andere behaupteten, es seien betagte Männer gemeint, die aufgrund ihres Alters kein sexuelles Verlangen mehr verspürten.
    Einzelne Exegeten wiederum meinten, die Bezeichnung "männliche Gefolgschaft" entspreche jenen, die man im Arabischen "mukhannath" nennt - effeminierte oder "weibliche Männer". Daher argumentieren Verfechter von Trans-Rechten heute, der Vers impliziere eine gewisse gesellschaftliche Akzeptanz von Menschen, denen bei Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen wurde, die sich selbst jedoch als weiblich identifizieren.
    Die Audioversion musste aus Sendezeitgründen leicht gekürzt werden.