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Sure 3 Verse 19-20
"Siehe, die Religion bei Gott ist der Islam"

Nur Muslime kommen in den Himmel. Nur Christen. Nur Juden. Dieser Exklusivitätsanspruch hat Leid über Menschen gebracht. Denn er ist ein Schlüssel zur Macht für die jeweiligen Repräsentanten im Diesseits. Aber wie steht Gott dazu? Im Koran steht zwar, die Religion bei Gott sei "der Islam". Aber was heißt "Islam" eigentlich? Die komplette Vorstellung, die wir heute von dieser Religion haben, könne urprünglich kaum gemeint gewesein sein, erläutert der Frankfurter Professor für Koranexegese, Ömer Özsoy, im DLF.

Von Prof. Dr. Ömer Özsoy, Universität Frankfurt am Main | 11.05.2018
    "Siehe, die Religion bei Gott ist der Islam. Und die, denen die Schrift gegeben ward, waren nicht eher uneins, als nachdem das Wissen zu ihnen gekommen war - aus Neid auf einander. (...) Und so sie mit dir streiten, so sprich: 'Ich habe mein Angesicht ergeben in Gott, und so, wer mir nachfolgt.'"
    Die Verbreitung des Glaubens gehört zweifellos zum Recht auf Meinungsäußerung. Religionen und auch nichtreligiöse Weltanschauungen haben das Recht, ihre Überzeugungen zu verbreiten. Damit ist eine moralische Pflicht verbunden, sich für dieses Recht als einen wesentlichen Aspekt der Meinungsfreiheit einzusetzen, und zwar nicht nur für den eigenen Glauben.
    Die vorherrschende Religionsauffassung der Muslime weist auf den ersten Blick einen exklusiven Charakter auf. Demzufolge sind die früheren Religionen durch die koranische Offenbarung aufgehoben und für ungültig erklärt worden. Das Heil ist folglich nur durch die Annahme des Korans und den Übertritt zum Islam zu erreichen.
    Die Sendereihe "Koran erklärt" als Multimediapräsentation
    Viele Muslime sehen daher in der Verbreitung ihres Glaubens eine religiöse und moralische Pflicht gegenüber Gott und ihren Mitmenschen. Diese exklusiven Ansätze im Islam beziehen sich auf Koranpassagen, die den Islam als die einzig wahre Religion darstellen - eine davon sind die eingangs zitierten Verse.
    Ömer Özsoy vom Institut für Islamwissenschaft der Universität Frankfurt.
    Ömer Özsoy vom Institut für Islamwissenschaft der Universität Frankfurt. (Foto: Fredrik von Erichsen dpa/lhe)
    Eine unkritische Lektüre übersieht jedoch die Entwicklung von Wortbedeutungen. So hat das Wort "islâm" eine lange Entwicklungsgeschichte im Sprachgebrauch des Korans.
    Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes islâm ist „Hingabe". Diese Bedeutung ist selbst in späteren Versen, in denen das Wort islâm bereits als Eigenname der muslimischen Gemeinde verwendet wird, mit enthalten. Islâm als Hingabe ist also kein Monopol der Muslime.
    Im arabischen Originaltext des Korans werden auch viele frühere Propheten wie Abraham und Jesus als „muslim" im Sinne von "Gott ergeben" bezeichnet. Das gilt ebenso für deren Anhänger. Auch die Jünger Jesu beispielsweise werden im Koran muslim genannt.
    In den Versen 111 und 112 der Sure 2 lehnt der Koran selbst jeden Monopolanspruch am Beispiel von Juden und Christen vehement ab: "Und sie sprechen: 'Nimmer geht ein ins Paradies ein anderer außer Juden oder Christen.' Solches sind ihre Wünsche. (...) Nein; Wer sein Angesicht Gott hingibt und Gutes tut, der hat seinen Lohn bei seinem Herrn."
    In Übereinstimmung mit dieser koranischen Grundlage ist die religiöse Tradition eines jeden Gläubigen als sein Zuhause zu betrachten. Niemand könnte es ethisch legitimieren, das Kind einer Nachbarsfamilie, das zu Hause glücklich ist, zu entführen und ins eigene Heim zu locken.
    Der Koran bietet hier eine Perspektive, indem er die Muslime nicht nur als Mitglieder der islamischen Familie anspricht, sondern auch als Bewohner eines Viertels, einer Nachbarschaft. Gott ist nicht nur an der muslimischen Familie interessiert, sondern er gibt sich als Beschützer der gesamten Nachbarschaft zu erkennen.
    Eine Wiederholung der Sendung von 2015.