Freitag, 19. April 2024

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Sure 33 Vers 21
Die Vorbildfunkion des Propheten Mohammed

Wenn es darum geht, wie gläubige Muslime ihr religiöses Leben ausrichten sollen, orientieren sie sich zuvorderst an zwei Quellen: als erstes selbstverständlich am Koran. Dann kommt aber schon der Prophet Mohammed. Wie begründet sich dessen Vorbildfunktion eigentlich?

Von Dr. Ayşe Başol, Universität Frankfurt am Main | 05.08.2016
    "Tatsache ist, ihr habt im Gesandten Gottes ein schönes Beispiel, für den, der auf Gott und das Jenseits hoffte und viel an Gott dachte."
    Dieser Vers ist ein Auszug aus einer längeren Koran-Passage. Der Vers spricht die Gemeinschaft Mohammeds an und preist den Propheten für dessen Verhalten während des sogenannten Grabenkrieges im Jahr 627.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Die frühen Quellen der Geschichtsschreibung berichten uns folgenden Hintergrund: Mohammeds Feinde vom Stamm der Quraisch aus Mekka waren mit ihren Bündnispartnern nach Medina in den Krieg gegen ihn gezogen.
    Als Mohammed von dem Unternehmen und der Überzahl seiner Gegner erfuhr, ließ er einen Graben um die Stadt ausheben. Aus diesem Grund wurde die Stadt belagert. Die Belagerung soll länger als zehn Tage, nach anderen Angaben bis zu einem Monat gedauert haben. Bis auf einige Zweikämpfe und Bogenschießereien kam es zu keinen Kriegshandlungen.
    Dr. Ayşe Başol.
    Dr. Ayşe Başol lehrt am Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam an der Uni Frankfurt. (priv. )
    Den Quraisch gelang es nicht, den Graben zu überwinden. Zudem sollen Interessenkonflikte zwischen ihnen und ihren Bündnispartnern sowie schlechte Wetterverhältnisse dazu geführt haben, dass sie schließlich die Belagerung abbrachen und zurückkehrten.
    Das Lob, das Mohammed im eingangs zitierten Vers ausgesprochen wird, steht zunächst in diesem spezifischen Kontext.
    Für Mohammed und seine Gemeinschaft muss die Belagerung eine außerordentlich große Herausforderung gewesen sein. Aus den Versen der gesamten Koran-Passage geht hervor, dass der Zusammenhalt der Glaubenden aus verschiedenen Gründen gefährdet gewesen sei. Die zentralen Gründe scheinen die Überzahl der Quraisch sowie Mohammeds Entscheidung für eine defensive Kriegsstrategie gewesen zu sein. Einige seiner Anhänger suchten daher nach Möglichkeiten, ihre Stellungen, ja sogar die Stadt Medina zu verlassen. Andere sprachen offen über das nicht eingelöste Versprechen eines sicheren Sieges und einer ertragreichen Beute.
    Die Koran-Passage ist im Grunde eine Kritik an Mohammeds Gemeinschaft. Sie richtet sich vor allem an jene, die sich in einer Zeit der Bedrohung dem Propheten gegenüber illoyal verhalten haben. Der eingangs zitierte Vers hebt deshalb Mohammeds Vorbildfunktion hervor und würdigt jene, die während dieser Tage treu an seiner Seite gestanden und unabhängig von ihrem persönlichen Schicksal auf Gott und auf Mohammed vertraut haben.
    In zahlreichen Versen im Koran wird Mohammed gelobt. Dieser Vers ist allerdings überaus bedeutsam. Mohammeds Vorbildlichkeit hat sich über den ursprünglichen Kontext hinaus zu einem alle Lebensbereiche umfassenden und im islamischen Glauben fest verankerten Richtwert entwickelt.
    Mohammeds Bedeutung für das Leben der Muslime ist deutlich größer als seine Aufgabe, Diener und Gesandter Gottes zu sein. Als solcher erfüllte er den Auftrag, Botschaften an die Menschen in Mekka heranzutragen. Zugleich aber begann er dadurch, die Menschen, die sich um ihn scharten, zu formen. So entstand eine neue Gemeinschaft. Sie entfaltete eine Überlebenskraft, welche bis heute anhält.
    Mohammed war (und ist) so bedeutsam, weil er beispielhaft den Willen Gottes auf Erden verkörperte. Wissen zu wollen, wie er gelebt hat, und wissen zu wollen, was er gesagt beziehungsweise empfohlen hat, gibt seit jeher für viele Muslime den besten Zugang zu Gott vor.
    Dieses Wissen-Wollen bezieht sich – vom Politischen bis ins Private – auf alle möglichen Lebensbereiche Mohammeds. An seinen Worten und seiner Praxis meinen Muslime, eine Orientierung zu finden, die ihr diesseitiges und jenseitiges Leben schützen kann. Und so versuchen sie, ihr Leben nach seinem Vorbild auszurichten.