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Sure 4 Vers 163
Das ewige Wort Gottes

Der Koran versteht sich als das chronologisch letzte Glied der Kette von göttlichen Offenbarungen, die das ewige Wort Gottes zum Ausdruck brachten. Vers 163 aus Sure 4 bekräftigt dies. Erläuterungen von Prof. Dr. Ömer Özsoy, Professor für Koranexegese an der Goethe-Universität Frankfurt.

Von Prof. Dr. Ömer Özsoy, Universität Frankfurt am Main | 06.03.2015
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    "Siehe, Wir haben dir Offenbarung gegeben, wie Wir Noah Offenbarung gaben und den Propheten nach ihm, und Offenbarung gaben Abraham und Ismael und Isaak und Jakob, und den Stämmen und Jesus und Hiob und Jonas und Aaron und Salomo; und Wir gaben David den Psalter."
    Der Koran ist, wie der Theologe Abdullah Takim betont, ein multireferenzielles Wort; er spricht auch selbstreferenziell: Er bezieht sich auf sich selbst, bewertet sich selbst und legt auch dar, welche Stellung er in der Offenbarungsgeschichte einnimmt. Der Koran versteht sich als das chronologisch letzte Glied der Kette von göttlichen Offenbarungen, die das ewige Wort Gottes zum Ausdruck brachten. Der hier zu erläuternde Vers 163 aus Sure 4 bekräftigt dies.
    Die Sendereihe "Koran erklärt" als Multimediapräsentation
    Als das letzte Glied in der Kette der göttlichen Erinnerungen in Offenbarungsform aktualisiert der Koran alle vorhergehenden Schriften. Er erfüllt hier zwei Funktionen: die einer Bestätigung und die einer Korrektur.
    So wurden Juden und Christen in der ersten, der mekkanischen Offenbarungsperiode als Gemeinden desselben Glaubens angesehen. Von beiden wurde erwartet, dass sie die aktualisierte Botschaft positiv aufnehmen. Dass der Koran die Muslime zu einer eigenen Gemeinde erklärte, ist ein relativ spätes Phänomen aus der zweiten, der medinensischen Offenbarungsperiode. Es hängt mit der ablehnenden Reaktion der sogenannten "Leute der Schrift", also von Juden und Christen, auf diese Erwartung zusammen. Der Koran erklärte weder die früheren Schriften, die Tora und das Evangelium, für ungültig, noch gab er seine Erwartungshaltung gegenüber den "Leuten der Schrift" völlig auf.
    Prof. Dr. Ömer Özsoy vom Institut für Islamwissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main
    Ömer Özsoy vom Institut für Islamwissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main (Foto: Fredrik von Erichsen dpa/lhe)
    Analog hierzu bezog sich auch der Prophet Mohammed nach der muslimischen Geschichtsschreibung bis zu seinem Tod auf das, was den "Leuten der Schrift" in seiner Umgebung vorlag, sofern er keine neue Bestimmung offenbart bekam. So konnte sich das jüdische und christliche Recht als die sogenannte "Scharia der Früheren" in der islamischen Jurisprudenz zu einer anerkannten Rechtsquelle etablieren.
    Die im Koran selbst verankerte Verwandtschaft der koranischen Offenbarung mit den früheren Schriften darf jedoch auch nicht zu einer Blindheit gegenüber den inhaltlichen Unterschieden führen. Die in einem Zeitalter des interreligiösen Dialogs geläufige Tendenz, diese Differenzen zu ignorieren, relativiert den originären Beitrag der jeweils jüngeren Schrift. Dadurch wird die jeweilige Eigenständigkeit der jüngeren Schrift verkannt und gleichzeitig das Bild verzerrt, das diese Schriften gemeinsam malen. Die Frage, "was Mohammed Neues gebracht" habe, ist vollkommen legitim, lässt sich aber nur durch eine religionshistorische Einbettung der Konflikte zwischen den Schriften sinnvoll beantworten. Dafür plädiert auch die Koranforscherin Angelika Neuwirth. Im Blick auf die Konflikte zwischen den koranischen und biblischen Texten wird immer noch überwiegend mit vorschnellen Erklärungsansätzen reagiert.
    Aus korantheologischer Sicht ist die Offenbarung des verborgenen Wortes Gottes letztendlich Vergegenwärtigung des absoluten Willens Gottes in einer bestimmten Zeit. Die Offenbarung ist eine Vergegenwärtigung, durch die das Göttliche, das heißt das Kontextlose, ins Menschliche, also in bestimmte Kontexte übertragen wird. So heißt es zum Beispiel in den Versen zwei bis vier der Sure 43:
    "Bei dem deutlichen Buch, siehe, Wir machten es nun zu einem arabischen Koran, auf dass ihr vielleicht begreift. Und siehe, es ist in der Mutter der Schrift bei uns - wahrlich ein hohes, ein weises."
    Der Koran führt sich wie alle früheren Offenbarungsschriften auf eine himmlische Urschrift zurück. Und zugleich stellt er sich als die arabische Entfaltung dieser Urschrift dar.