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Sure 49 Vers 14
Droht beim Abfall vom Islam der Tod?

Eines der umstrittensten Themen in Bezug auf den Islam ist die Apostasie - also der Abfall vom Glauben. Nach Auffassung von Hardlinern nicht nur bei Terrorgruppen wie dem IS kann man den Islam nicht verlassen. Wer es doch tut, muss ihnen zufolge mit dem Tod bestraft werden. Frank Griffel, Professor an einer der renommiertesten Hochschulen weltweit, der Yale University in den USA, erklärt für den Deutschlandfunk einen der einschlägigen Koranvers.

Von Prof. Dr. Frank Griffel, Yale Universität, New Haven, USA | 07.08.2015
    "Die Beduinen sagen: ‚Wir sind Gläubige.'
    Sag: ‚Ihr seid nicht wirklich Gläubige. Sagt vielmehr: ‚Wir haben den Islam angenommen.' Denn der Glaube ist euch nicht in eure Herzen eingegangen. Wenn ihr aber Gott und seinen Gesandten gehorcht, schmälert er euch nichts von euren Werken.'"
    Einer der heftigsten Streitpunkte unter Muslimen heute dreht sich darum, wer wirklich Muslim ist und wer nicht. Radikale muslimische Terror-Gruppen wie der so genannte Islamische Staat behaupten, dass sie allein wahre Muslime seien, wohingegen all jene, die an Mohammed als Prophet glaubten und sich dem Islamischen Staat widersetzten, keine echten Muslime seien. Leisten sie Widerstand gegen den Islamischen Staat, dann sind sie demzufolge Apostaten, also vom Islam abgefallene Muslime.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Der Prophet Mohammed hat in einem Ausspruch, der durch eine Kette von zuverlässigen Überlieferern auf ihn zurück geführt wird, gesagt, dass Muslime, die vom Islam zu einer anderen Religion wechselten, mit dem Tod bestraft werden könnten. Zunächst müsse ihnen aber die Gelegenheit gegeben werden, zum Islam zurückzukehren. Erst wenn sie das ausschlügen, könnten sie hingerichtet werden.
    Moderne Terror-Organisationen wie der Islamischen Staat oder auch al-Kaida verweisen auf diese Äußerungen Mohammeds zur Bestrafung von Apostaten und versuchen so, die Gewalt, den Mord und den Terror, den sie gegen andere Muslime ausüben, für gesetzmäßig zu erklären.
    Prof. Dr. Frank Griffel
    Prof. Dr. Frank Griffel hat ausführlich zum Thema Apostasie im Islam geforscht. (privat)
    Der eingangs zitierte Vers wurde dem Propheten zu einem Zeitpunkt gesandt, als er sich in einem Streit mit Beduinen befand, die in der Wüste um die Oasenstadt Medina lebten. Hierbei ging es um den Beitrag, den die Beduinen am Gemeinwesen der Muslime leisten sollten. Dieser Beitrag umfasste sowohl finanzielle Leistungen als auch persönliche Dienste.
    Bald nach dem Jahr 622, als Mohammed von Mekka nach Medina gekommen war, hatten die Beduinen den Islam angenommen. Sie konnten sich aber einfach durch Umzug in die Wüste den Forderungen der neuen Gemeinschaft entziehen.
    Vers 14 in Sure 49 soll nun - so informieren uns die Kommentare zum Koran -, das Verhältnis des einzelnen Muslimen zur Gemeinschaft der Gläubigen klären. Gott informiert Mohammed darin, dass die Beduinen, die sich ihm widersetzten, zwar den Islam angenommen hätten, aber nicht wirklich an die neue Religion glaubten. Der neue Glaube sei nicht in ihre Herzen eingegangen, heißt es. Noch nicht, kann man vielleicht hinzufügen.
    Der Vers besagt aber auch: Egal was die Beduinen in ihren Herzen glauben, sie sind und bleiben Muslime. Sie haben den Islam angenommen und genießen deshalb alle Rechte. Das schützt sie zum Beispiel vor anderen Muslimen, die sie vielleicht wegen ihres fehlenden Glaubens oder ihres mangelnden Beitrags zum Gemeinwesen angreifen wollen.
    Islamische Rechtsgelehrte haben im Vers 14 der 49. Sure stets einen Beleg dafür gesehen, dass man Menschen, die sich zum Islam bekennen, nicht des Abfalls vom Islam anklagen und bestrafen oder sogar töten dürfe. Seht her, argumentieren sie, Gott habe den Propheten Mohammed angewiesen, die Beduinen wegen ihres mangelnden Glaubens nicht zu bestrafen. Allein das Bekenntnis zum Islam und nicht der Glaube und auch nicht die Taten schützt Leben und Besitz.
    Mohammed hat anerkannt, dass die Beduinen Muslime sind. Er hat ihr Leben und ihren Besitz geachtet. Zudem erinnerte er sie daran, dass sie auf Gottes Barmherzigkeit hoffen könnten, solange sie ihm und seinem Gesandten gehorchten.