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Sure 57 Vers 18
Almosen ist nicht gleich Almosen

Spenden müssen nicht immer mit Geld zu tun haben - nach islamischer Auffassung reicht manchmal schon ein freundliches Lächeln. Im Islam ist Almosengeben nämlich nicht gleich Almosengeben. Und bei genauer Betrachtung könne man feststellen, dass Frauen mehr Möglichkeiten haben zu spenden als Männer, erläutert Koranexpertin Tuba Isik.

Von Dr. Tuba Isik, Universität Paderborn | 08.05.2015
    "Siehe, diejenigen, welche Almosen geben, Männer und Frauen, und Gott ein schönes Darlehen leihen, verdoppeln wird er es ihnen, und ihnen wird edler Lohn."
    An dieser Stelle im Koran betont Gott wie an vielen weiteren Stellen im Koran die Bedeutung des Almosengebens, im Arabischen „sadaqa" genannt.
    Eine Sadaqa ist zu unterscheiden von Zakât. Die Zakât ist eine finanzielle Pflichtabgabe, die jeder religionsmündige Muslim, Mann oder Frau, der oder die über ein bestimmtes Vermögen verfügt, entrichten muss. Diese Einkünfte kommen dann bestimmten bedürftigen Gruppen zugute.
    Die Sadaqa hingegen meint im Unterschied dazu ein nicht-verpflichtendes Geben. Sie umfasst nicht nur Spenden wie Geld, Kleidung, Spielzeug oder Lebensmittel an Bedürftige, sondern geht weit darüber hinaus. Zur ihr zählen beispielsweise ebenso ein Lächeln, ein wahres Wort oder die Mediation in einem Streit.
    Geben ist dann eine Sadaqa im Sinne Gottes, wenn sie aus der Absicht heraus erfolgt, Gottes Wohlgefallen zu erwerben, freiwillig und ohne die Hoffnung auf Erwiderung. Der Helfer erwartet weder unmittelbar danach noch zu einem späteren Zeitpunkt einen weltlichen Nutzen. Mit dem hier zitierten Koranvers will Gott somit das bedingungslose, uneigennützige Geben anregen.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Die Tatsache, dass eine Sadaqa nicht unbedingt materieller Natur sein muss, ermöglicht jedem, egal, ob reich oder nicht, Gottes Lohn zu erhalten.
    Ein Hadith - also eine Überlieferung vom Propheten Muhammed - berichtet, wie ein mittelloser Mensch vorgehen sollte: Zunächst wird ihm geraten, er solle arbeiten – damit er neben dem Verdienst für sich in die Lage versetzt wird zu spenden. Falls er keine Arbeit findet, soll er einem Bedürftigen aus der Not helfen, darunter können auch Handlungen fallen wie ein guter Rat oder der Besuch eines Kranken. Falls es auch diese Gelegenheit nicht gibt, soll er ein positives Vorbild sein und sich vom Übel fernhalten.
    Wenn man genau hinschaut, wird man feststellen, dass Frauen mehr Möglichkeiten haben, eine Sadaqa zu geben als Männer. Wie das? Nach koranischem Verständnis hat eine Frau lediglich religiöse Pflichten – keine weltlichen. Zum Beispiel muss sie keine finanziellen Beiträge zum Unterhalt der Familien leisten. Ein zeitgenössischer saudischer Gelehrter formulierte einmal treffend: "Bereits die Arbeit der Frau zu Hause ist eine Sadaqa an den Ehemann und die Kinder". Die Arbeit des Mannes zu Hause dagegen wird nicht als solche angesehen.
    Damit wird deutlich, dass die Sadaqa wie auch die finanzielle Pflichtabgabe Zakât, eine klare sozial-ethische Dimension hat. Der Helfer legt Tugenden an den Tag. Vielleicht hat er die Einigkeit und Harmonie in der Gesellschaft vor Augen, oder er hat ein Gefühl für soziale Gerechtigkeit und Gleichbehandlung.
    So ist Vers 18, der Sure 57 wie eine Erinnerung daran zu verstehen, sensibel zu sein und auf den Nächsten zu achten. In jedem Fall geht es hier nicht darum, dass Gott allein diejenigen belohnt, die reichlich spenden.


    Dr. Tuba Isik, Universität Paderborn in einem Hörfunkstudio des Deutschlandradio
    Dr. Tuba Isik, Universität Paderborn (Deutschlandradio/Bettina Fürst-Fastré)