Dienstag, 23. April 2024

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Sure 57 Vers 27
Christliche Mönche im Spiegel des Koran

Christliche Mönche spielten schon früh nach dem Tode Jesu eine zentrale Rolle im Mittelmeerraum. Als die Muslime im 7. Jahrhundert aufbrachen, um diesen zu erobern, stießen sie auf jene im Volk sehr populären Diener Gottes und mussten sich irgendwie zu ihnen verhalten. Die Reaktionen fiel sehr unterschiedlich aus.

Von Prof. Dr. Alexander D. Knysh, University of Michigan, USA | 08.12.2017
    "Und wir legten in die Herzen derer, die sich (ihm) [Jesus, dem Sohn der Maria,] anschlossen, Milde und Barmherzigkeit. Das Mönchtum, das wir ihnen nicht auferlegt hatten, haben sie erfunden (oder erneuert) und befolgt mit dem Ziel, Gottes Wohlgefallen zu erlangen. Doch hielten sie es nicht richtig ein. - Und wir gaben denjenigen von ihnen, die glaubten, ihren Lohn. Aber viele von ihnen waren Frevler."
    In diesem Vers tritt die Doppeldeutigkeit der koranischen Bewertung des christlichen Mönchtums (rahbâniyya) hervor. Der Koran geht mehrfach auf Mönche (ruhbân) ein. Einige Darstellungen stehen in positivem Licht, andere fallen kritisch aus.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Zum einen sagt der Koran (5:82), Christen stünden Gläubigen in Liebe am nächsten, weil es unter ihnen Priester und Mönche gebe. Zum anderen wirft der Koran Christen und auch Juden vor, sie hätten sich ihre Mönche und Gelehrten an Stelle Gottes zu ihren Herren genommen. (9:31) Insbesondere die Christen hätten mit Jesus, dem Sohn der Maria, so verfahren.
    Sure 9 Vers 34 besagt sogar: "Viele von den Gelehrten und Mönchen bringen die Leute in betrügerischer Weise um ihr Vermögen und halten sie vom Wege Gottes ab.
    Alexander Knysh im Porträt
    Alexander Knysh gilt als einer der international führenden Experten bei der Erforschung der islamischen Mystik ("Sufismus"). (priv. )
    Von Anfang an ging es bei den Debatten der Koran-Kommentatoren über den zu Beginn der Sendung zitierten Vers um den genauen Wortlaut. Frühe Korankommentatoren und viele christliche Islamgelehrte sprachen sich dafür aus, der Aufzählung in dem Satz das Wort Mönchtum hinzuzufügen. Demnach solle der Vers wie folgt gelesen werden: "Und wir legten in die Herzen derer, die sich (ihm) [Jesus, dem Sohn der Maria,] anschlossen, Milde, Barmherzigkeit und Mönchtum."
    Da das Mönchtum aber hinsichtlich Angemessenheit und Umsetzung durch die Christen ambivalent bewertet wird, entschieden sich die muslimischen Gelehrten am Ende überwiegend dafür, die Tugenden Milde und Barmherzigkeit durch einen neuen Satz sprachlich vom Mönchtum abzugrenzen.
    In den von den ersten Muslimen eroberten Ländern bekannte sich die Mehrheit der Bevölkerung zum Christentum. Begeisterung für ihre Praktiken, gar deren Nachahmung durch Muslime, wurde von den Führern der jungen Islamgemeinde abgelehnt. Das galt insbesondere fürs Mönchtum, das im Leben von Christen in Syrien, im Irak und in Ägypten einen hohen Stellenwert einnahm. Vorstellungen und Praktiken, die damit assoziiert wurden, wurden für unislamisch erklärt.
    Vor allem ein monastischer Brauch galt als anstößig: das Zölibat. Muslimische Gelehrte kennzeichneten es oft als "unselige Abweichung" von jener Praxis des Mönchtums, die die eingangs zitierte Koranstelle im Wesentlichen für legitim erachtet.
    Um sich ihrer anti-monastischen Haltung zu vergewissern, zitierten die Ausleger häufig folgende Aussage des Propheten Mohammed: "Im Islam gibt es kein Mönchtum."
    Die Echtheit dieser Aussage wird von einigen muslimischen und westlichen Wissenschaftlern bezweifelt. Dennoch wird sie von der islamischen Gelehrsamkeit und im öffentlichen Kontext regelmäßig zitiert.
    Was nun die christlichen Mönche während des ersten Jahrhunderts des Islams im Nahen Ostens betrifft, so akzeptierten sie die neuen kulturellen und sozialen Realitäten der arabischen Eroberung. Sie führten Arabisch in den örtlichen Kirchen als Verkehrssprache ein, schrieben ihre Theologie fortan in Arabisch und übersetzten die Bibel und andere traditionelle christliche Texte in diese Sprache.
    Trotz der koranischen Bedenken wurden die Mönche zum Vorbild für diverse asketisch und mystisch eingestellte Muslime. Diese entwickelten eine spezielle islamische Fassung des christlichen Mönchtums und wurden bekannt unter der Bezeichnung: "Sufis".
    Man kann also sagen, die anti-monastische Interpretation der ambivalenten Koranaussagen zu Mönchtum und Mönchen konnte nicht verhindern, dass manche Muslime bestimmte Elemente davon übernahmen - freilich erst, nachdem sie sie gründlich islamisiert hatten.