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Sure 83 Verse 29-36
Humor im Koran

Der Koran hat eine Reihe von Seiten, die weniger bekannt sind, weil sie im öffentlichen Diskurs kaum thematisiert werden. Zum Beispiel gibt es in der Heiligen Schrift des Islams durchaus humorige Passagen. Darauf weist der Islamwissenschaftler Georges Tamer von der Universität Erlangen-Nürnberg hin. Allerdings könne das Lachen aus religiöser Perspektive auch zu einer ernsten Angelegenheit werden, erläutert er.

Von Prof. Dr. Georges Tamer, Universität Erlangen-Nürnberg | 28.08.2015
    "Die Missetäter verlachten die Gläubigen. Wenn sie an ihnen vorübergingen, zwinkerten sie sich zu, und wenn sie zu ihren Angehörigen kamen, wurden sie wieder frohgemut. Sahen sie die Gläubigen, sprachen sie: 'Diese da befinden sich im Irrtum!' Doch sie wurden nicht als Hüter über sie gesandt. Heute aber lachen die Gläubigen über die Ungläubigen. Sie liegen auf Ruhepolstern, sie schauen umher, ob den Ungläubigen vergolten wird, was sie taten."
    Der Koran enthält Passagen mit humorvollen Ausdrücken und Beschreibungen. Lachen ist dort allgemein Zeichen von Stärke und Überlegenheit.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    So auch in der eben vorgetragenen Passage. Sie dürfte früh in Mekka verkündet worden sein. Der literarische Kontext ist eschatologisch; die unmittelbar vor der Stelle stehenden Verse beschreiben den paradiesischen Zustand, den die Frommen nach dem Jüngsten Tag genießen.
    Im ersten Teil des Koranverses wird der irdische Zustand der Gläubigen in der frühen Phase der Verkündigung beschrieben: Sie werden von ihren mächtigeren Gegnern ausgelacht und verhöhnt, weil sie sich der koranischen Verkündigung Mohammeds angeschlossen haben.
    Professor Georges Tamer
    Georges Tamer hat länger zum Thema Humor im Koran geforscht. (G. Tamer)
    Davon überzeugt, dass diese sich irren, machen sich die Frevler über die Gläubigen lustig, sie zwinkern sich zu, wenn sie sie sehen; und wenn sie unter ihren Angehörigen sind, sind sie erst recht fröhlich, weil sie meinen, dass sie gemeinsam gegenüber der kleinen Schar der Gläubigen die Oberhand besitzen.
    Bemerkenswert ist es, dass sich die Szene in der Vergangenheit abspielt. Sie ist eine von dem paradiesischen Standpunkt aus retrospektive Erinnerung vergangener Geschehnisse, die sich in der Gegenwart der Gemeinde Mohammeds ereignet hatten.
    Mit der Zeitangabe "heute", auf den Zustand der Gläubigen im Paradies bezogen, wird ein Perspektivenwechsel eingeleitet. Jetzt sind es die Gläubigen, die über die Ungläubigen lachen.
    Ihr angenehmer Zustand wird damit beschrieben, dass sie entspannt auf Ruhepolstern liegen und beobachten, wie ihre ehemaligen Widersacher bestraft werden. Sie empfinden Schadenfreude. Sie drücken ihre Überlegenheit unverhohlen aus, indem sie lachen.
    Das Lachen ist ein Siegeszeichen. Die Szene ereignet sich in der Gegenwart. Da es sich um eschatologisches Lachen handelt, ist es beständig, unendlich, während das Lachen der mächtigen Frevler auf Erden kurzfristig, vergänglich ist.
    Mit der Aussicht auf unendliches Lachen im Paradies sollen die Gläubigen Zuversicht vermittelt bekommen, dass sie letztendlich siegen werden. Die Unannehmlichkeiten, die ihnen zur Zeit der Verkündigung in Mekka widerfahren, werden bald zur Vergangenheit gehören.
    Wer lacht, wer sich über andere lustig macht, ist stark, ist mächtig. So wird Lachen im Koran verstanden. Wenn Mohammed Gegenstand von Karikaturen ist, erregt es regelmäßig die Gemüter der Muslime. Sie empfinden – verbunden mit der im Koran verankerten Auffassung von Lachen als Ausdruck von Überlegenheit – tiefe Beleidigung und Erniedrigung durch die „Anderen", die ihren Propheten zum Lachobjekt machen.