Montag, 25. März 2024

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Sure 94 Verse 1-8
Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Vorstellungen davon, wie der Menschen mit den Härten des Lebens umgehen soll, haben offenbar kultur- und zeitenübergreifend die gleiche Gültigkeit. Prinzipien, die schon im Koran ihren Niederschlag fanden, decken sich mit Prinzipien, die weit weg von der islamischen Kultur gelten - zum Beispiel in Japan.

Von Prof. Dr. Reiko Kuromiya Okawa, Meiji-Gakuin-Universität, Yokohama, Japan | 08.09.2017
    "Haben wir dir nicht die Brust geweitet, und haben wir nicht die Bürde von dir genommen, die deinen Rücken niederdrückte, und haben wir nicht dein Ansehen erhöht? Mit dem Schweren kommt Leichtes, mit dem Schweren kommt Leichtes! Wenn du nun frei bist, so mühe dich und strebe deinem Herrn zu!"
    Die Sure 94 wurde Mohammed offenbart, als er in Mekka eine schwer Zeit durchmachte. Seit er angefangen hatte, den Islam zu verkünden, litt er unter der Verfolgung seine Mitbewohner. Sie akzeptierten das wesentliche Konzept des Islams nicht, wonach Gott nur ein einziger ist, sondern sie behielten ihren traditionellen polytheistischen Glauben bei.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Die eingangs zitierte kurze Sure besteht aus acht Versen. Sie wird "Sure des Trosts" (Sûrat al-Inschirâh) oder "Sure der Weitung" (Sûrat al-Scharh) genannt. Die ersten drei Verse besagen, dass Gott Mohammeds Brust für den Islam geweitet, die Lasten von ihm genommen und seinen Ruhm vermehrt habe.
    Die Verse vier bis fünf bestehen aus ein und derselben Aussage: "Mit dem Schweren kommt Leichtes, mit dem Schweren kommt Leichtes!"
    Reiko Okawa im Porträt.
    Die japanische Islamwissenschaftlerin Prof. Dr. Reiko Okawa. (priv. )
    Die Verse sechs bis acht beinhalten die Aufforderung an Mohammed, sobald er von seiner Mühsal befreit ist, soll er sich noch mehr anstrengen. Aus den Worten der Sure entnehmen wir also, dass Mohammed nach seiner Berufung zum Propheten sehr bedrückt gewesen ist und der Koran ihn zum Weitermachen ermutigte.
    Wir wollen uns nun auf die beiden gleichen Aussagen in der Mitte der Sure konzentrieren. Die Wiederholung signalisiert eine besondere Betonung der Worte. Sie scheinen etwas anzudeuten, was wir vielleicht als universelle Weisheit bezeichnen können, auch wenn sie sich freilich konkret auf die unangenehme Situation Mohammeds beziehen.
    In unserem Leben werden wir gewöhnlich mit beidem konfrontiert: mit guten und schlechten Zeiten. Letztere müssen wir auf die eine oder andere Art bewältigen. Eine Möglichkeit, dies zu tun, ist, unter harten Lebensumständen optimistisch zu bleiben.
    Einige muslimische Kommentatoren und Übersetzer interpretieren die Worte so: nach einer Zeit der Erschwernis kommt der Trost. Wir müssen die schlechten Zeiten erdulden und darauf vertrauen, das wieder bessere Tage folgen werden. In Japan sagt man: "Wir machen gute Zeiten durch und schlechte, wir machen schlechte Zeiten durch und gute. Wie die Worte im Koran legen auch diese Worte nahe, dass Erschwernis und Trost jeweils aufeinanderfolgen.
    Andere Koran-Ausleger interpretieren die Koran-Passage so: selbst in der Erschwernis gibt es Trost, Erschwernis und Trost existieren zur gleichen Zeit. Diese Lesart ist etwas tiefsinniger, weil man sich hier darum bemüht, auch in schlimmen Lagen das Positive zu suchen. Man räumt der Vorstellung Platz ein, dass auch in der Erfahrung von Härte ein Wert liegt.
    Wie immer diese Worte des Korans interpretiert werden, sie geben Menschen Hoffnung, die intensiv für irgendeine wichtige Sache kämpfen.
    Nach den beiden gleichlautenden Versen sagt der Koran, wenn du wieder frei von Mühsal bist, kannst du deine Anstrengungen verstärken. Das unterstützt ebenfalls die Sichtweise, wonach schwere Zeiten nicht ewig anhalten.
    Mithin können wir aus Sure 94 entnehmen: Mohammed war ein Mensch, der während seiner Notlagen hart kämpfen musste. Und so ähnlich müssen Menschen heutzutage ihre Schwierigkeiten ertragen