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Sushi könnte sein Ende sein

In Paris ringen noch bis zum Sonntag Delegationen aus 48 Fischereistaaten um neue Fangquoten für die Thunfischbestände im Atlantik und im Mittelmeer. Höchste Zeit, sagen Umweltorganisationen, denn der Rote Thunfisch ist vom Aussterben bedroht.

Von Christoph Wöß | 23.11.2010
    Das Thunfischfest Mitte Juli ist das Großereignis im kleinen Saint Jean de Luz an der baskischen Atlantikküste. Auf dem zerstoßenen Eis der Marktstände präsentieren die Händler stolz den Raubfisch mit dem tiefroten Fleisch und der bläulich schimmernden Haut, der als Roter Thun bekannt ist oder als Blauflossenthunfisch. Hier am Atlantik sprechen sie respektvoll vom König der Meere. Didier Martinez, der wie sein Vater und sein Großvater vom Fischfang lebt, hat schon Exemplare aus dem Meer geholt, die über vier Meter lang waren und 700 Kilo auf die Waage brachten. Doch wenn die Fangquoten weiter gesenkt werden, fürchtet Didier um seine Existenz.

    "Früher haben wir mit dem Roten Thun 40 bis 60 Prozent unseres Umsatzes gemacht. Mit den derzeitigen Fangquoten sind wir nicht mehr rentabel. Dieses Jahr dürfen wir nur zwei Tonnen fischen. Ich werde mein Boot verkaufen müssen."

    Schon viele Fischer im französischen Baskenland haben in den vergangenen Jahren aufgegeben, ihre Boote verkauft oder verschrottet. Damit stirbt eine alte Tradition, beklagt David Amilly vom örtlichen Fischereiverband.

    "Wir holen den Roten Thunfisch noch ganz traditionell mit der Angel aus dem Meer, aber man wirft uns in einen Topf mit der industriellen Fischerei am Mittelmeer. Da herrscht ja seit über zehn Jahren die reine Gesetzlosigkeit. Unter dem Druck des japanischen Marktes, dem wir hier eigentlich nicht nachgeben wollen."

    Wollen nicht, aber wohl müssen. Sushi könnte ihr Ende sein, denn für die hippen Häppchen aus Japan verwendet man den Roten Thunfisch. Der weltweite Hype um Sushi und Sashimi hat die Thunfisch-Preise ins Astronomische steigen lassen. Ein einziges Tier bringt bis zu 100.000 Euro. An der französischen Mittelmeerküste betreiben türkische, libysche und kroatische Investoren Thunfischflotten, die die Tiere nicht wie die Atlantikfischer einzeln mit der Angel herausholen, sondern sie im großen Stil abschlachten. Suchflugzeuge melden, wo die oft kilometerlangen Netze ausgeworfen werden müssen. Und so entnehmen die Thunfischfänger dem Ökosystem vollständige Schwärme.

    "Der Rote Thunfisch ist in Gefahr", sagt Rémi Parmentier von Pew Environment, der Umweltschutzabteilung einer amerikanischen Nichtregierungsorganisation.

    "Unserer Ansicht nach ist es höchste Zeit, dass die Internationale Kommission zur Erhaltung der Thunfischbestände, die zurzeit in Paris tagt, die Fangquoten drastisch kürzt. Und dort, wo der Thunfisch laicht, also im Mittelmeer, da sollte vorerst ganz aufs Fischen verzichtet werden, damit sich die Bestände wieder erholen können. Andernfalls wird der Rote Thunfisch aussterben und die ersten Opfer werden die Fischer sein."

    Einheitliche Fangquoten wären für die Umweltschützer schon ein Erfolg. Denn dass die Konferenz in Paris ein völliges Verbot des Handels mit dem Roten Thunfisch beschließt, damit rechnet niemand. Das hatte sich im März schon die Internationale Artenschutzkonferenz im arabischen Emirat Katar vorgenommen, doch mehrere asiatische Länder legten sich quer, vor allem Japan. Sushi scheint gewonnen zu haben. Zumindest vorerst.