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Swag ist das neue cool

Während "guttenbergen" inzwischen selbst Lehrer benutzen, ist das Top-1-Jugendwort des Jahres wirklich den Jugendlichen vorbehalten: Swag. Im Internet-Voting hat es andere Wortschöpfungen deutlich abgehängt, berichtet Langenscheid-Redakteurin und Jurorin Eva Betz-Weiß.

Eva Betz-Weiß im Gespräch mit Manfred Götzke | 08.12.2011
    Manfred Götzke: Wenn ihr Sohn Sie nach dem Playstation-Duell "Körperklaus" nennt - Achtung! -, dann ist das kein Kompliment. Ein Körperklaus ist so was ein Grobmotoriker. Und genau: Jugendsprech. Der Klaus wurde gemeinsam mit so schönen Wörten wie "guttenbergen" vom Verlag Langenscheidt zu den Jugendwörtern des Jahres gekürt. Während bei guttenbergen jeder aufmerksame Hörer weiß, was damit gemeint ist, ist das beim Top-1-Jugendwort des Jahres nicht ganz so klar. Es heißt Swag. Mit in der Jugendwort-Jury war die Langenscheid-Redakteurin Eva Betz-Weiß. Frau Betz weiß, ich bin ja eigentlich noch nicht so alt, aber muss zugeben, ich stand bei Swag ganz schön auf dem Schlauch. Was heißt das?

    Eva Betz-Weiß: Swag ist eine beneidenswert lässig-coole Ausstrahlung. Das kommt aus dem Hip-Hop, und zwar aus den USA, da wurde es schon länger benutzt. Und nach Deutschland und Österreich kam es durch das Video von Money Boy, der singt da "Ich dreh den Swag auf" die ganze Zeit. Und dadurch hat sich dieses Wort etabliert und wird eben auch benutzt morgens wenn man aufsteht eben: "Ich dreh den Swag auf!" Oder wenn man so ein bisschen verschlafen ankommt: "Ich habe heute vergessen, den Swag aufzudrehen." Oder wenn man jemanden besonders toll findet: "Der Typ hat den Swag!"

    Götzke: Swag ist also das neue cool?

    Betz-Weiß: Ja, also so ähnlich, nur halt kein Adjektiv, aber ja, es beschreibt jemanden, der cool ist sozusagen. Genau.

    Götzke: Warum haben Sie es ausgewählt?

    Betz-Weiß: Wir waren zum einen sehr beeindruckt, es war im Internet-Voting von vornherein immer abgeschlagen an der Spitze. Es war kein anderes Wort auch nur in der Nähe. Wir fanden es auch sehr interessant, dass auf Facebook alle möglichen Leute aufgerufen haben, für den Swag zu voten, und auch in der Jurysitzung war eine Begeisterung einfach da dafür, dass das Wort sich so schnell auch durchgesetzt hat durch dieses YouTube-Video.

    Götzke: Mein persönlicher Favorit wäre ja das "Guttenbergen" gewesen.

    Betz-Weiß: Ja, das fanden wir schon auch ein tolles Wort, einfach, weil es sehr aktuell ist. Wir haben auch gemerkt, auf www.jugendwort.de, dass sofort, nachdem dieser ganze Skandal war, ständig das Wort guttenbergen eingereicht wurde. Es kam nicht auf Platz eins, weil uns die jugendlichen Jurymitglieder versichert haben, dass auch ihre Lehrer das mittlerweile sagen, und dann haben wir gesagt: Nein, dann ist es ja eigentlich schon nicht mehr nur ein Jugendwort.

    Götzke: Ja, manchmal schafft es Jugendsprache ja auch in den allgemeinen Wortschatz zu gelangen, wie das Guttenbergen, wie sie ja sagen. Glauben Sie, dem Swag gelingt das auch?

    Betz-Weiß: Vielleicht, weil es ja doch irgendwie ein schönes Bild ist, dieses ich dreh den Swag auf. Es hat ja auch "dissen" zum Beispiel geschafft und "chillen". Es gibt ja viele Anglizismen, die wirklich in den Duden dann wandern, vielleicht schafft es auch der Swag.

    Götzke: Wann schafft es denn ein Wort von Ihrem Jugendwörterbuch, ich sage mal, in den Duden? Also was sind da die Bedingungen?

    Betz-Weiß: Der Duden bildet ja sozusagen die Sprache ab, die draußen geläufig ist, das heißt, die Bedingung ist, dass sich ein Wort in die Allgemeinsprache geschlichen hat und der Duden es auch erkennt.

    Götzke: Gibt es so eine bestimmte Klassifikation, eine bestimmte Art von Worten, die es dahin eher schaffen als andere?

    Betz-Weiß: Ja, ich denke, Wörter, die allgemeine Sachverhalte beschreiben, die schaffen es natürlich leichter. Ich meine, so was wie chillen, ausruhen und dissen, provozieren, das sind natürlich sehr allgemeine Wörter, mit denen jeder was anfangen kann.

    Götzke: ... und die dann vielleicht noch eine neue Nuance reinbringen.

    Betz-Weiß: Genau, genau.

    Götzke: In Ihrer Jury sitzen ja nicht nur Jugendliche. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die von Ihnen ausgewählten Jugendwörter tatsächlich Jugendsprache sind, und nicht das, was Langenscheidt-Redakteure für Jugendsprache halten?

    Betz-Weiß: Wir sammeln ja das ganze Jahr über diese Wörter, und zwar über
    www.jugendwort.de, das ist eine Internetseite, auf der man Wörter einreichen kann. Das heißt, wir denken uns die Wörter nicht aus, sondern sie kommen eben alle über diese Seite. Dann haben wir das Internet-Voting, da stehen erst mal die Top 30 zur Wahl, und man kann dort abstimmen mehrere Monate lang. Wir waren auf der You auch und haben dort die Stimmen von Jugendlichen eingeholt, und wir haben eben in der Jury zur Hälfte Jugendliche sitzen und haben auch sehr genau darauf gehört, was die denn sagen, was sie wirklich benutzen und was sie nicht so gut finden.

    Götzke: Wie groß sind denn da die Diskussionen in der Jury zwischen Jugendlichen und Redakteuren?

    Betz-Weiß: Es war in diesem Jahr überraschende Einigkeit, weil man sich über den Swag und Epic Fail eigentlich - von vornherein auch in der Jurysitzung hatten beide Wörter sehr viele Stimmen, und deswegen gab es zwar Diskussionen, wie welches Wort benutzt ist und ob googeln zum Beispiel jetzt wirklich auch für suchen in Büchern benutzt wird, aber man war sich dann doch schnell einig, was Jugendwort werden soll.

    Götzke: Die Halbwertszeit von Jugendsprache, die ist ja eher gering. Die Konkurrenz von Pons, die sammelt außerdem die sprachlichen Flops des Jahres. Etwas böse gesagt könnte man sagen, wenn Jugendwort bei Ihnen im Lexikon steht, dann müsste es möglicherweise schon bald bei Pons in dem Flop-Wörterbuch stehen, weil es dann schon wieder out ist, oder?

    Betz-Weiß: Klar, natürlich in dem Moment, wo sich ein Jugendwort durchgesetzt hat und weit verbreitet ist, wird es natürlich schon vom Jugendwort sozusagen zur Allgemeinsprache, das heißt, es verliert diesen Insidereffekt, das ist klar. Und, gut, Jugendsprache beschreibt ja auch aktuelle Phänomene, geht viel auf aktuelle Musik und sowas ein, Wörter kommen aus Filmen, aus der Musik, und deswegen ist es einfach sehr kurzlebig.

    Götzke: Der Swag ist dann ganz schnell wieder raus?

    Betz-Weiß: Das kommt drauf an. Oder er macht es so wie chillen und dissen und geht in den Duden.

    Götzke: Herzlichen Dank für das Gespräch!

    Betz-Weiß: Ja, gerne!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.