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Syrien
Foltervorwürfe gegen Assad-Regime

In syrischen Gefängnissen sollen nach Angaben von Rechtsexperten rund 11.000 Häftlinge gefoltert und getötet worden sein. Das belegen Fotos eines ehemaligen Assad-Anhängers.

Von Jochen Spengler | 21.01.2014
    Es sind klare Beweise für die systematische Folter und Ermordung von 11.000 Häftlingen in einem syrischen Gefängnis. Beweise, wie sie so detailliert und in solchem Ausmaß bislang nicht vorlagen. Sie stammen aus dem Inneren des Assad-Regimes selbst, von einem Fotografen der syrischen Militärpolizei, dessen Aufgabe es war, den Tod der Häftlinge zu dokumentieren. Als er später überlief und aus Syrien floh, nahm er auf einem USB-Stick 55.000 Fotos von 11.000 getöteten, meist jungen Männern mit.
    Seine Dokumente wurden von drei renommierten Strafverfolgern, die für die internationalen Tribunale zu Sierra Leone und Jugoslawien tätig waren, untersucht. Geleitet wurde die Gruppe von Sir Desmond de Silva, der Charles Taylor, den Präsidenten von Liberia hinter Gitter brachte. Der neue Fall hat de Silva erschüttert.
    "Sie sind entsetzlich. Unzählige Bilder von ausgehungerten Menschen, Bilder, die genauso aussahen, wie die aus Bergen Belsen und Auschwitz nach dem Zweiten Weltkrieg. Fotos von schrecklicher Folter, Strangulation, Verstümmelung, dem Herausreißen von Augen. Das Gesamtbild, das sich in den Fotos zeigt, ist das eines unglaublichen Horrors. 11.000 Menschen, getötet an einem einzigen Ort – das könnte nur die Spitze des Eisbergs sein."
    Die Aussagen des Überläufers seien authentisch. Dass er mithilfe des Golfstaats Quatar geflohen ist, der Syrien gegenüber feindlich eingestellt ist und der auch die Untersuchung der Fotos finanziert hat, mindere weder die Glaubwürdigkeit des Fotografen noch die der Beweise, betont Desmond de Silva:
    "Wir haben diesen Mann drei Tage lang überprüft und sind vollkommen überzeugt, dass es sich um einen überaus glaubwürdigen Zeugen handelt und seine Beweise vor jedem Gericht standhalten würden. Er hat in keinerlei Weise versucht zu übertreiben, was er hätte tun können. Er hat klar gemacht, dass er selbst keine einzige Exekution gesehen hat oder jemanden der gefoltert wurde. Er war einfach ein Fotograf, der Fotos machen musste von jenen, die tot waren."
    Das Assad-Regime tötet seine Gegner offenbar in industriellem Ausmaß. Nach ihrem Tod im Gefängnis erhielten Getötete eine Nummer, aus der ihr Haftort und die zuständige Sicherheitseinheit hervorgehe, gab der Überläufer zu Protokoll. Dann würden sie in ein Militärkrankenhaus geschafft; wo er bis zu 50 Körper pro Tag fotografierte. Tödliche Verletzungen habe er meist aussparen müssen. Anschließend wurden die Toten begraben. Im Totenschein, den die Familien erhielten, würde Tod im Hospital durch Atemstillstand oder Herzanfall eingetragen.
    Ein solch penibel-bürokratisches System ist kaum denkbar ohne Wissen höchster Regierungsstellen. Der Bericht der drei Experten umfasst 31 Seiten und Desmond de Silva hat nicht den leisesten Zweifel, dass er für eine Strafverfolgung ausreiche.
    "Die Beweise, die wir gesichtet haben, sind geeignet die schwerwiegendsten Beschuldigungen im internationalen Recht zu erhärten und zu unterstreichen. Ganz sicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit und wahrscheinlich andere. Die Beweise sind mächtig und zwingend."
    Der Bericht wird der UNO, Regierungen und Menschenrechtsgruppen zur Verfügung gestellt. Zu einer Anklage gegen Assad und seine Getreuen vor dem Internationalen Strafgerichthof, den Syrien nicht anerkannt hat, könnte es nur kommen, wenn der UN-Sicherheitsrat dies befürwortet und Russland und China auf ihr Vetorecht verzichten.