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Syrien
Kampf um Aleppo lässt Zivilbevölkerung verzweifeln

Die Eroberung Aleppos durch Syriens Armee läuft - und die Kämpfe verschlimmern die ohnehin katastrophale Situation der Zivilbevölkerung. Inzwischen sind nach Angaben der Vereinten Nationen bis zu 16.000 Menschen auf der Flucht.

29.11.2016
    Ein Bild der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur SANA zeigt das Viertel Hanano in Aleppo am 27. November 2016 und die Zerstörungen dort.
    Ein Bild der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur SANA zeigt das Viertel Hanano in Aleppo am 27. November 2016. (dpa / picture-alliance / SANA)
    Willkürliche Bombardements aus der Luft im östlichen Teil der Stadt hätten viele Zivilisten getötet und verletzt und Tausende vertrieben, sagte UNO-Sprecher Stéphane Dujarric. Im östlichen Aleppo lebten 275.000 Menschen in "entsetzlichen Zuständen" und benötigten dringend Unterstützung, da humanitäre Helfer die Gegend seit Juli nicht mehr hätten betreten können.
    Anna Osiuis berichtet im Deutschlandfunk, dass Aleppo die Ohnmacht des Westens zeige. UNO-Koordinator Jan Egeland beklagte ein Versagen der großen Nationen. "Es bereitet mir schlaflose Nächte, weil wir es nicht schaffen, den Menschen zu helfen. Es ist ein schwarzes Kapitel in der Geschichte der Vereinten Nationen."
    Panik vor den Angriffen, Angst vor Folter
    Unter den Einwohnern in Ost-Aleppo herrschen Panik und Verzweiflung. Tausende Zivilisten waren auf der Flucht vor Kämpfen und Luftangriffen. Sie flohen nach Angaben von Aktivisten in Stadtteile unter Kontrolle des Regimes und in von Kurden gehaltene Viertel. Andere suchten im Südosten Aleppos in Rebellengebieten Schutz. Die letzten Lebensmittelrationen des Welternährungsprogramms sind den Betroffenen nach Angaben der UNO vor gut zwei Wochen ausgegangen. Sauberes Trinkwasser und Strom fehlen außerdem, die medizinische Versorgung ist zusammengebrochen.
    Amnesty International befürchtet derweil, dass es nach der Eroberung von Rebellengebieten in Ost-Aleppo durch die syrischen Regierungstruppen zu einer Verhaftungswelle kommen könnte. Die Menschenrechtsorganisation teilte am Montag mit, dass sie Berichte erhalten habe, wonach Menschen in den betroffenen Stadtteilen in Gewahrsam genommen worden seien. Die Gruppe warnte vor möglichen Vergeltungsaktionen, willkürlichen Inhaftierungen, Folter, Bedrohungen und Entführungen von Menschen, die zuvor unter Kontrolle der Rebellen gelebt hatten.
    Schwere Niederlage für die Rebellen
    Das syrische Regime und Verbündete hatten am Montag weitere Teile der Rebellengebiete eingenommen. Sie beherrschen jetzt nahezu den kompletten Norden der bislang von der Opposition gehaltenen Viertel. Damit haben die Regimegegner innerhalb weniger Tage mehr als ein Drittel ihres Gebietes in der Stadt verloren.
    Als neben Damaskus größte Stadt des Landes ist sie strategisch und symbolisch wichtig. Bislang ist Aleppo geteilt: Das Regime und Verbündete kontrollieren die Stadtteile im Westen, Rebellen den Osten. Die Oppositionsgebiete sind seit Anfang September wegen einer Blockade der Armee von der Außenwelt abgeschottet.
    Karte von Aleppo mit den von syrischen Regierungstruppen zurückeroberten Gebieten.
    "Das ist die schwerste Niederlage der Rebellen, seitdem sie Aleppo 2012 eingenommen haben", sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman. Den Regimegegnern droht nun in der seit Monaten umkämpften Stadt ein totaler Zusammenbruch. Sollte das Regime den bislang von der Opposition kontrollierten Osten Aleppos vollständig einnehmen, wäre das ein massiver Rückschlag für die Rebellen. In diesem Fall hätte die Regierung die Kontrolle über alle großen Städte zurückgewonnen. Die frühere Handelsmetropole gehört im bald sechs Jahre dauernden syrischen Bürgerkrieg zu den umkämpftesten Gebieten.
    "Diese Tragödie muss ein Ende haben"
    Das Auswärtige Amt forderte ein Ende der Kampfhandlungen. Eine sofortige humanitäre Feuerpause sei notwendig, sagte eine Sprecherin. Viele der Geflüchteten seien schwer verletzt, ohne noch die geringste Chance auf überlebensnotwendige medizinische Hilfe zu haben. "Diese Tragödie muss ein Ende haben. Dafür tragen das Regime und seine Unterstützer, allen voran Russland und Iran, die größte Verantwortung."
    Mit Blick auf den Erfolg der Regierungsarmee warnte der Chef der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, davor, beim Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat mit Syriens Machthaber Assad zusammenzuarbeiten. "Wer das Problem IS mit Hilfe des Massenmörders Assad eliminieren will, bekämpft Symptom statt Ursache. Deshalb dürfen wir diesen Weg nicht mitgehen. Unser Ziel muss jetzt primär der Schutz der Zivilbevölkerung sein, egal wie", sagte er in der "Bild".
    (nch/jasi)