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Syrien-Konferenz
Asselborn: Iran sollte eingeladen werden

Die Islamische Republik sei einer der Beschützer des Assad-Regimes, begründet Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn, warum der Iran an der geplanten Syrien-Konferenz teilnehmen sollte. Er hält die ablehnende Haltung der USA dazu für falsch.

Jean Asselborn im Gespräch mit Thielko Grieß | 18.01.2014
    Ein zerstörtes Haus in Aleppo im Jahr 2013
    Zertörtes Haus in Aleppo: Ziel der neuen Verhandlungen ist eine Übergangsregierung, sagt Asselborn. (dpa / picture-alliance / Thomas Rassloff)
    Thielko Grieß: Am Telefon begrüße ich jetzt den Außenminister Luxemburgs. Guten Morgen, Jean Asselborn!
    Jean Asselborn: Guten Morgen, Herr Grieß!
    Grieß: Luxemburg ist zurzeit nicht-ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat, und Sie, Herr Asselborn, Sie waren vor Kurzem erst in der Nachbarschaft Syriens, Sie waren in Jordanien. Wir dort, in der Nachbarschaft, in diese Konferenz in Montreux irgendeine Hoffnung gesetzt?
    Asselborn: Ja, ganz klar. Jordanien hat zu leiden unter der Wirtschaftslage, unter dem, was Herr Guterres jetzt gesagt hat: 500.000 registrierte Flüchtlinge, 600.000 Syrer, die in Jordanien leben, das sind mehr als eine Million Syrer bei 6,5 Millionen Einwohnern – da können Sie sich die Proportionen gut vorstellen. Aber es ist vor allem die Angst in Jordanien, dass das Regime von Assad zusammenbricht, dass hier in die Hände von Extremisten fällt, dass dann sogar die Angst bestünde, dass Jordanien als nächstes Land destabilisiert werden könnte. Darum ist sehr, sehr große Hoffnung in Genf II. Das ist der einzige Ausweg, den man in Jordanien sieht. Vor allem, dass die internationale Gemeinschaft eingebunden ist mit der Zukunft Syriens.
    Grieß: Genf II, das wollen wir kurz dazu sagen, das ist sozusagen der diplomatische Titel für die Konferenz in Montreux, die jetzt am Mittwoch beginnt. Die Opposition, Teile der Opposition, sie soll teilnehmen an der Konferenz. Das ist zumindest der erklärte Wille vieler der internationalen Gemeinschaft. Aber sie ziert sich und berät sich und hat sich noch nicht entschieden. Steht die Konferenz noch auf der Kippe?
    Asselborn: Wenn Sie mich fragen – ich würde zaghaft sagen, dass die Konferenz anfängt in Montreux. Ob dann ein Genf kommt, das ist eine andere Sache. Aber wenn man die Lage analysiert, sie haben das angedeutet: Im Mai 2013 haben John Kerry und Sergei Lawrow sich geeinigt. Die USA wollen diese Genf-II-Konferenz. Sie wissen und sie sehen, dass im Sicherheitsrat kein Resultat zustande kommt. Militärische Optionen hat Amerika eigentlich nie prinzipiell erwogen. Russland will nicht abweichen von dieser Blockade im Sicherheitsrat und können aber nicht noch Jahre lang diese abscheuliche Gewalt hinnehmen. Darum ist großer Druck auf die Opposition – es geht ja auch um die Opposition –, dass sie teilnimmt an dieser Konferenz. Es ist ja eine Konferenz, das muss man sehen, Herr Grieß, wo eine Transitionsregierung auf die Füße gestellt werden soll.
    Grieß: Herr Asselborn, verstehen Sie denn, weshalb sich die Opposition so sehr zurückhält? Es geht ja um Frieden. Da könnte man ja sagen, wenn das die einzige Chance ist, natürlich fliegen wir hin und fahren hin und nehmen teil!
    Asselborn: Die erste Frage ist, wer ist die Opposition und wie geschlossen ist die Opposition. Das ist eine Debatte, die stattfindet. Der jetzige Präsident, Sheikh al-Dscharba, wurde Anfang Januar mit einem neuen Mandat von sechs Monaten ausgestattet. Er hat in einem Votum gewonnen über den früheren Premierminister, der abgesprungen ist. Das ist also ein Zeichen, dass die Opposition sich noch strukturieren kann. Das andere ist aber natürlich: Wen vertritt sie. Und hat sie Einfluss auf Syrien? Das Problem, das große Problem, mit dem die Opposition und auch die internationale Gemeinschaft ja konfrontiert ist: Um zu einer Transitionsregierung zu kommen, um zu einem Resultat zu kommen, muss man mit dem Regime, so grauenvoll es ist, verhandeln. Und das ist natürlich etwas, was wir beide hier am Telefon vielleicht anders sehen als die Menschen, die die Opposition darstellen und die zu kämpfen haben mit Leben und Tod, jeden Tag.
    Grieß: Sollte Ihrer Auffassung nach der Iran mit am Tisch sitzen?
    Asselborn: Ja. Es gibt verschiedene Probleme, wer beteiligt sein soll. Ich glaube, dass der Iran ganz klar Teil des Problems ist, müsste auch Teil der Lösung sein. Sie wissen, dass da Saudi-Arabien, um das mal diplomatisch zu sagen, das vielleicht anders sieht, dass auch in den USA gezögert wird, aber der Iran, und das ist ja auch bezeichnend, der drängt sich ja nicht in diese Konferenz. Man weiß, dass die Hisbollah, dass die revolutionären Garden aus dem Iran eine große Rolle spielen. Wir wissen aber auch, dass eben der Iran eine der, sagen wir mal, der Beschützer ist von Assad. Und der Iran müsste, wenn wir in der nuklearen Frage mit dem Uran als internationale Gemeinschaft vorankommen, müsste auch in dem Syrien-Konflikt Stellung beziehen und mithelfen, absolut mithelfen, dass diese Gewalt in diesem Land aufhört.
    Grieß: Sie halten also die entschiedene ablehnende Haltung auch der Vereinigten Staaten für falsch?
    Asselborn: Ich halte es nicht für richtig, dass man dem Iran eigentlich verweigert, teilzunehmen, und so eigentlich ihnen die Verantwortung nimmt über das, was der Iran in Syrien macht.
    Grieß: Es gibt einige Signale von gestern aus Damaskus. Unter anderem hat sich das Regime bereiterklärt, einem Gefangenenaustausch zuzustimmen mit den Rebellen. Es geht auch um einen begrenzten Waffenstillstand in Aleppo und möglicherweise einige Wege freizumachen für Hilfslieferungen. Woher kommt diese zarte Kompromissbereitschaft?
    Jean Asselborn
    Geboren 1949 in Steinfort, Luxemburg. Der luxemburgische Politiker Jean Asselborn engagierte sich zunächst nach der Schule als Angestellter in der Gewerkschaftsbewegung, beendete dann 1981 sein Jura-Studium an der Universität Nancy. 1989 wurde der Vorsitzender der Luxemburgischen Sozialisten (LSAP). Seit 2004 ist er Minister für Auswärtige Angelegenheiten seines Landes.
    Asselborn: Im Syrien-Konflikt geht es, um es eine Sekunde etwas weiter auszulegen, geht es nicht mehr allein um Syrien. Es geht auch nicht um die Region. Es geht um die ganze internationale Gemeinschaft. Also auch um die UNO. In der UNO funktioniert, das haben Sie angedeutet, etwas ganz fantastisch, das ist die humanitäre Hilfe. Die humanitären Institutionen sind zwar überfordert, aber es funktioniert. Was nicht funktioniert, ist der Sicherheitsrat. Er hat funktioniert, was die chemischen Waffen angeht, er hat versagt auch in der Frage auf der politischen Ebene. Wir haben immer gesagt als internationale Gemeinschaft, viele haben gesagt, es gibt keine militärische Lösung, es muss also eine politische, eine diplomatische Lösung geben, und das ist Genf II. Dass Russland, da bin von überzeugt, die Augen auch nicht zumachen kann in Zukunft, um diese humanitäre Katastrophe weiter hinzunehmen und Druck macht jetzt auf der humanitären Ebene auf das Regime, das leuchtet mir ein. Aber hier hat auch Guterres recht, das haben wir alle gesagt, die Lösung kann nur eine politische Lösung sein. Und die politische Lösung, und da müssen wir uns ganz klar ausdrücken, die kann nicht nur in Teilerfolgen bestehen. Die wären gut in Aleppo, dass man auch den Konvois, die Hilfe ins Land bringen, dass man denen gesichertes Geleit gibt. All das ist wichtig, aber wenn wir über Genf II reden, dann reden wir nicht, was die Syrer sagen, über den Kampf gegen Terror oder die Vorbereitung für die nächsten Präsidentschaftswahlen in Syrien, sondern wir reden über eine Transitionsregierung, die imstande ist, diese Gewalt zu stoppen.
    Grieß: Diese Signale aus Damaskus sind also ausschließlich auf den Druck Moskaus zurückzuführen?
    Asselborn: Davon gehe ich aus.
    Grieß: Sie haben den Sicherheitsrat angesprochen. Sie sind Mitglied als Luxemburg, als Staat Europas. Haben Sie den Eindruck gewonnen, dass es zwar ein schöner Titel ist, aber ansonsten auch egal?
    Asselborn: Der Sicherheitsrat – es gibt natürlich, wenn man realistisch ist, die fünf Veto-Mächte, und dann gibt es die zehn anderen. Gut, es ist eine große Ehre, unter den zehn anderen zu sein. Darum haben auch Australien und Luxemburg sich sehr, sehr bemüht, im Jahr 2013 von April bis Oktober, um in der humanitären Frage eine Resolution zustande zu bekommen. Und wir haben fast das Ziel erreicht. Wir haben eine präsidentiale Erklärung im Oktober erreicht, und viele Mitglieder des Sicherheitsrats sind einverstanden, glaube ich, in den nächsten Wochen, wenn auch Genf II Fahrt aufnehmen könnte, dass wir aus dieser Erklärung eine Resolution machen, um noch verstärkt wirklich einzuwirken auf das Regime. Dass die Hilfsorganisationen für 9,3 Millionen Menschen in Syrien allein Hilfe bringen. Das haben wir als Luxemburger getan, haben auch damit zum Teil Erfolg gehabt, aber Sie wissen, dass im Sicherheitsrat eben die Länder, die das Vetorecht in dieser Frage haben, die größten Karten haben.
    Grieß: Jean Asselborn, der luxemburgische Außenminister. Danke für Ihre Einschätzung und für das Gespräch heute Morgen! Auf Wiederhören!
    Asselborn: Bitte, auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.